Experte erklärt, was sich dahinter genau verbirgt Mercedés (19) leidet an Wasserallergie: So sieht mein Alltag mit der Krankheit aus
Mercedés leidet seit rund fünf Jahren an Aquagener Urtikaria, einer so genannten Wasserallergie. Auf ihrem TikTok-Kanal gewährt die 19-Jährige ihren Followern regelmäßig Einblicke in ihr Leben mit dem seltenen Phänomen. Doch was steckt eigentlich hinter der Krankheit und was kann Betroffenen helfen? Diese und weitere Fragen beantwortet Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht im RTL-Interview.
Im Video gewährt uns Mercedés zudem Einblicke in ihren Alltag. Was kann sie trinken? Welche Rolle spielt ihr Leiden bei der täglichen Hygiene? Und mit welchen Symptomen hat sie regelmäßig zu kämpfen?
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Aquagene Urtikaria: Ein Leben mit Einschränkungen
Im Falle der 19-jährigen Mercedés trat die Krankheit erst vor rund fünf Jahren auf, wie sie auf ihrem TikTok-Kanal berichtet. In einem Griechenland-Urlaub sei sie schwimmen gegangen und habe danach das erste Mal gemerkt, dass etwas nicht stimmte.
Mittlerweile habe sie sich an die Einschränkungen gewöhnt, die dieses seltene Phänomen mit sich bringe: Sie trage immer einen Regenschirm bei sich oder gehe eben nicht sorglos mit Freunden ins Schwimmbad. Auch das alltägliche Duschen funktioniere nur mit Nebenwirkungen – bei der seltenen Erkrankung leiden Betroffene nach dem Kontakt mit Wasser unter allergieähnlichen Symptomen wie Rötungen und Quaddeln.
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Rötungen und Quaddeln auf der Haut
Die Aquagene Urtikaria, wie sie in der Fachsprache heißt, ist im Volksmund auch unter den Namen „Wassernesselsucht“ oder „Wasserallergie“ bekannt. Doch besonders der Begriff „Wasserallergie“ sei irreführend, erklärt uns Dr. Christoph Specht. Denn: Eine Allergie setze voraus, dass das Immunsystem beteiligt ist: Es werden Antikörper und Immunglobuline E (IGE) produziert und Mastzellen platzen auf, was wiederum dazu führt, dass das darin enthaltene Histamin freigesetzt wird. Die Folge sind Rötungen und Quaddeln auf der Haut, als hätte man sich gerade in einem Brennesselbusch gewälzt – daher auch der Name „Nesselsucht“. All diese Reaktionen entstehen infolge eines Kontakts mit bestimmten Proteinen. Und das ist laut Dr. Specht der entscheidende Aspekt, warum die Wasserallergie gar keine Allergie ist.
„Wasser besteht aus H₂O – also aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom“, erklärt der Experte. Es sind also keine Proteine vorhanden. „Nach der Definition, was eigentlich eine Allergie ist, kann Wasser also gar keine Allergie auslösen.“ Doch woher hat die „Wasserallergie“ dann ihren Namen? Dr. Specht: „Der Endweg ist derselbe. Es kommt zum Platzen der Mastzellen, zum Ausschütten von Histamin und zum Hochfahren anderer Entzündungsparameter.“ Doch dies werde nicht ausgelöst durch eine Allergie im klassischen Sinn. Warum Menschen „allergisch“ auf Wasser reagieren, sei nicht bekannt. Ähnliches sei jedoch beispielsweise von der sogenannten „Kälteallergie“ bekannt, die ebenfalls keine Allergie im klassischen Sinne sei.
Seltenes Phänomen: Was steckt hinter der "Wasserallergie"?
Kann sich eine „Wasserallergie“ im Laufe des Lebens entwickeln?
„Eine echte Allergie kann sich, entgegen früherer Annahmen, tatsächlich irgendwann im Leben entwickeln“, so der Experte. In der Regel sei ihr Auftreten in jungen Jahren häufiger und verlaufe sich mit der Zeit. Die „Wasserallergie“, die ja eigentlich keine ist, komme jedoch so selten vor, dass man nicht genau sagen könne, wie es sich damit verhält. „Vermutlich kann sie aber auch später auftreten“, wie Dr. Specht im Interview erklärt.
Wodurch wird die „allergische“ Reaktion ausgelöst?
Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Es könne zum einen der bloße Kontakt mit dem Element sein, aber auch eine Reaktion auf einen bestimmten Inhaltsstoff wie zum Beispiel Kalk könne die allergieartigen Symptome hervorrufen, erklärt der Mediziner.
Gibt es Medikamente, mit denen die Symptome behandelt werden können?
Auch wenn es sich um keine echte Allergie handelt, können laut Dr. Specht Allergie-Medikamente wie Antihistaminika eingesetzt werden, um die Symptome zu lindern. „Da die Endstrecke die gleiche ist wie bei einer klassischen Allergie, behandelt man auch gleich.“ So könnten die Symptome einer Aquagenen Urtikaria beispielsweise mit antihistaminen Cremes oder oral verabreichten Präparaten behandelt werden. Was jedoch nicht möglich sei, ist eine Hyposensibilisierung, also eine langsame Gewöhnung mit immer höherer Dosis.
Kann man auch innerlich eine negative Reaktion auf Wasser haben – zum Beispiel wenn man Wasser trinkt?
„Das Gute ist: Trinken geht“, erklärt Dr. Specht. Das liege daran, dass die Schleimhäute nicht auf Wasser reagieren. Was jedoch problematisch sein kann, ist, wenn das Wasser beim Trinken auf die normale Haut gelangt. Es sei allerdings denkbar, dass Menschen, die an einer Aquagenen Urtikaria leiden, meinen, auch innerlich Reaktionen auf Wasser zu zeigen. „Vermuten würde ich, dass das mit der Psyche zusammenhängt. Denn bei der sogenannten Wasserallergie ist das Trinken ausgespart.“ Wie Dr. Christoph Specht im RTL-Interview erklärt, könnte es sich um Folgen des Nocebo-Effekts handeln – das Gegenteil des Placebo-Effekts. Wenn Betroffene davon ausgehen, dass es durch das Wassertrinken innerlich zu negativen Effekten kommen wird, könne die Psyche bewirken, dass es nachweislich auch dazu kommt.