Mehr als 320 Schiffe sitzen fest
Megastau auf Suezkanal: "Leichte Bewegung" bei Bergung von Containerschiff "Ever Given"
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Bis Sonntag sollen zwei weitere Schlepper eintreffen
Seit Dienstag schon blockiert das Containerschiff „Ever Given“ den Suezkanal, eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Der japanische Eigentümer „Shoei Kisen“ hofft, den Frachter heute flott zu kriegen. Und tatsächlich scheint nun „leichte Bewegung“ in die Bergung zu kommen. Experten und Reeder sind jedoch skeptisch.
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Mehr als zehn Schlepper und drei Bagger im Einsatz
Die erhoffte Freilegung schreitet offenbar ein wenig voran. Das Seefahrt- und Logistikunternehmen GAC sprach am Samstag von mehr als zehn Schleppern und drei Baggern, die im Einsatz seien, um die Passage wieder für den Handel freizugeben. Es gebe „leichte Bewegung“, der 220.000 Tonnen schwere Frachter liege aber weiter auf Grund. Die für das technische Management des Schiffs verantwortliche Gesellschaft „Bernhard Schulte Shipmanagement“ (BSM) bestätigte, dass bis Sonntag zwei zusätzliche Schlepper eintreffen würden, um bei der Bergung zu helfen. Der letzte Befreiungsversuch musste am späten Freitagabend abgebrochen werden.
Bei den Manövern der Schlepper zur Freilegung spielten mehrere Faktoren eine Rolle, vor allem die Windrichtung sowie Ebbe und Flut. Es handle sich um einen „komplizierten technischen Einsatz“, sagte Admiral Usama Rabi, Vorsitzender der Kanalbehörde. Derzeit sei ein Baggerschiff dabei, 15.000 bis 20.000 Kubikmeter Sand abzusaugen, um den Frachter freizulegen.
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Experten glauben nicht an eine zeitnahe Bergung
Pessimistisch äußerte sich hingegen das niederländische Bergungsunternehmen „Boskalis“, das Ägypten unterstützt. Ein Erfolg in kurzer Zeit sei nicht möglich. Neben den Baggerarbeiten soll Brandstoff abgepumpt und damit das Gewicht des Schiffes verringert werden, wie ein Sprecher des Unternehmens der niederländischen Agentur ANP sagte. Demnach spiele beim Baggern auch die Art des Bodens eine Rolle. „Bei lehmartigem Boden kann man graben, so viel man will, aber der Boden daneben bleibt stehen.“ Sand könne dagegen weggespült werden.
Der Verband Deutscher Reeder hofft weiter auf ein rasches Ende der Blockade. Die bereits ins Gespräch gebrachte Möglichkeit, die quer im Kanal liegende “Ever Given“ teilweise abzuladen und so leichter zu machen, bedeutet aus Verbandssicht eine weitere Verzögerung. „Bis ein Schwimmkran vor Ort wäre, der Container vom Wasser aus in bis zu 60 Metern Höhe abladen kann, dürfte wertvolle Zeit vergehen“, sagte VDR-Sprecher Christian Denso.
Video: "Ever Given"-Kapitän malte Penis ins Rote Meer
Am Dienstag war die 400 Meter lange „Ever Given“ wegen eines starken Sandsturms und schlechter Sicht auf Grund gelaufen. Es bildete sich ein riesiger Stau: Rund 320 Schiffe warten der Kanalbehörde zufolge an beiden Eingängen zum Kanal auf Durchfahrt, die dänische Reederei Maersk spricht von einem „Verkehrschaos“.
Wie der „Guardian“ unter Berufung auf Tracking-Daten berichtet, sollen mindestens 20 Schiffe lebende Tiere an Bord haben. Irritationen hatte die Meldung ausgelöst, wonach der Kapitän vor der Havarie noch einen riesigen Penis ins Rote Meer „gemalt“ hatte.
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USA und Türkei wollen Hilfe schicken
Die US-Regierung hat unterdessen angeboten, sich an der Rettung zu beteiligen. "Wir haben Ausrüstung und Kapazitäten, die die meisten Länder nicht haben. Wir werden schauen, wie wir hier behilflich sein können", sagte US-Präsident Joe Biden vor Reportern am Freitag (Ortszeit) in Delaware (USA).
Ein mit der Sache vertrauter Mitarbeiter der Regierung erklärte, dass die Marine bereit sei, ein Team von Baggerexperten zum Kanal zu schicken, man aber auf die Genehmigung der lokalen Behörden warte. Die "Suez Canal Authority" (SCA), die Eigentümer und Betreiber des Kanals ist, begrüßte das Hilfsangebot der USA und erklärte, dass die Türkei ebenfalls Hilfe schicken wolle.
Suezkanal-Stau kostet bis zu 10 Mrd. Dollar pro Woche
Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und bietet dadurch den kürzesten Schifffahrtsweg zwischen Asien und Europa. Normalerweise durchfahren die Wasserstraße rund 18.000 Schiffe pro Jahr. Der Allianz zufolge wurden 2019 etwa 13 Prozent des gesamten Welthandelsvolumens – das entspricht 1,25 Millionen Tonnen Fracht – durch den Kanal befördert.
Die Blockade bedeutet für den Welthandel Einbußen von 6 bis 10 Milliarden Dollar pro Woche, schreiben die Volkswirte von Deutschlands größtem Versicherer in in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. „Insbesondere wird dieser Zwischenfall zu Lieferverspätungen von Alltagsprodukten für Verbraucher weltweit führen“, heißt es darin.
Erste Schiffe auf Umweg um das Kap der Guten Hoffnung
Einige Länder haben bereits begonnen, erste Schiffe auf den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung zu schicken. So habe etwa die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sechs ihrer Schiffe zur Fahrt an der Südspitze Afrikas umgeleitet, um den Stau zu umfahren. Vier weitere Schiffe der Reederei warteten bei Port Said am nördlichen Ende des Kanals auf die Weiterfahrt, erklärte das Unternehmen in einer Mitteilung an seine Kunden. Durch den Umweg verlängern sich die Fahrten demnach um rund eine Woche. Zugleich gelten die Gewässer vor der Küste Westafrikas, insbesondere im Golf von Guinea, als besonders gefährlich wegen möglicher Überfälle von Piraten.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass die „Ever Given“ bei Wind vom Kurs abkommt. Schon im Februar 2019 hatte es einen Vorfall in der Elbe gegeben. Damals war das Containerschiff mit der zum Glück unbemannten Fähre „Finkenwerder" vor Hamburg-Blankenese kollidiert und hatte einen erheblichen Schaden verursacht.
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