Chronologie des Verbrechens Der spektakuläre Entführungsfall Maria Bögerl: Welcher Trost ihren Kindern bleibt

Es ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle Deutschlands, der nun wohl nie aufgeklärt wird.
"Solange es erfolgversprechende Ermittlungsansätze gibt, ist weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei bereit, diese Akte zu schließen", sagte Chefermittler Thomas Friedrich der Deutschen Presse-Agentur zehn Jahre nach Maria Bögerls Tod im Jahr 2020. Nun, knapp drei Jahre später, werden die Ermittlungen doch eingestellt. Ein Schlag ins Gesicht für ihre Kinder Carina und Christoph sowie ihre gesamte Familie. Und irgendwie auch für Millionen Deutsche, die während der vergangenen 13 Jahre mitgefiebert haben, ob der Mörder von Maria Bögerl nicht doch noch gefasst wird.
Die Entführung von Maria Bögerl
12. Mai 2010:
Maria Bögerl lebt zusammen mit ihrem Mann Thomas und den Kindern Carina (damals 27) und Christoph (damals 24) in einem gepflegten Einfamilienhaus am Ende einer Spielstraße im Heidenheimer Stadtteil Schnaitheim. Ihr Mann Thomas (55) ist der örtliche Sparkassen-Chef. Die 54-jährige Sonderschullehrerin ist als freundliche, bodenständige Nachbarin bekannt.
An diesem Mittwochmorgen ändert sich das Leben der Bögerls für immer. Um 10.30 Uhr telefoniert sie zuletzt mit Thomas Bögerl. Dann wird die „geliebte Mama“ und Ehefrau aus ihrem Haus entführt. Auch ihr Auto, ein schwarzer A-Klasse Mercedes, verschwindet.
Lesen Sie auch: Schwangere aus Nürnberg vermisst – Führt dieser Twingo zur vermissten Alexandra R.?
Um 11.25 Uhr darauf meldet sich ein Unbekannter telefonisch bei Thomas Bögerl. Kriminaloberrat Hartmut Schröppel berichtet auf einer Pressekonferenz zu dem Fall am 14. Mai 2010: „Frau Bögerl hat gegenüber ihrem Mann geäußert, dass der Täter sie mit dem Tode bedroht hat.“

300.000 Lösegeld für das Leben von Maria Bögerl
300.000 Euro Lösegeld soll die Familie an einer Stelle, die der oder die Entführer mit einer Deutschlandflagge markiert hat, auf der Autobahn 7 zwischen Heidenheim und Oberkochem hinterlegen. Doch das Geld wird nicht abgeholt, der Kontakt zum Entführer ist abgebrochen. Erst jetzt wendet sich die verzweifelte Familie an die Polizei und die offizielle Suche nach der 54-Jährigen beginnt.
Christoph, Carina und Thomas Bögerl wenden sich mit einem bewegenden Briefappell, der auf der Pressekonferenz am 14. Mai 2020 verlesen wird, an den oder die Entführer: Man habe alles getan, was die Entführer verlangt hätten. „Wir appellieren in unserer Verzweiflung an Ihre Menschlichkeit. Bitte geben Sie uns unsere geliebte Mama, meine Frau wohlbehalten zurück. Sie hat Ihnen nichts getan.“
Lesen Sie auch: Verzweifelte Suche nach Émile (2) – Seine Familie macht „Unerträgliches" durch
Maria Bögerls Auto und Handy werden gefunden
14. Mai 2010:
Ein Großaufgebot der Polizei sucht rund um die Stelle der gescheiterten Geldübergabe nach Maria Bögerl. Hunde und Hubschrauber werden ein gesetzt. Doch schließlich finden Spaziergänger ihr Auto in der Nähe des Klosters Neresheim, rund 20 Kilometer entfernt von ihrem Wohnort. Zuvor hatte die Polizei bereits ihr Handy in der Nähe des Stadtteils Großkuchen entdeckt.

Soko Flagge sucht entführte Maria Bögerl
17. und 18. Mai 2010:
Die Suche wird immer verzweifelter, denn es gibt weiterhin keinen Kontakt zu dem oder den Entführern. „Wir wissen nicht, wo sie sich befindet, in welchem Zustand sie ist. Ob sie noch in der Gewalt der Entführer ist, ob sie irgendwo in hilfloser Lage ist“, erklärt Polizist Horst Baur von der Polizei Heidenheim im Gespräch mit RTL.
Die Sonderkommission „Flagge“ wird gegründet. Außerdem wird die Belohnung für Hinweise, die zur Aufklärung des Falles beitragen, auf 100.000 Euro erhöht.
Familie Bögerl veröffentlicht einen offenen Brief in einer Tageszeitung und appelliert erneut an die Menschlichkeit der oder des Entführers und bittet um das Leben von Maria Bögerl.
Im Video: Fall Simone Strobel - Polizei setzt hohe Belohnung für Hinweise aus
Fall Bögerl bei Aktenzeichen XY... ungelöst
19. Mai 2010:
In der TV-Sendung Aktenzeichen XY… ungelöst suchen Carina, Christoph und Thomas Bögerl die Öffentlichkeit und sprechen den oder die Entführer unter Tränen direkt an. Ihre spürbare Verzweiflung lässt wohl keinen Zuschauer kalt. „Bitte, bitte, bitte“, fleht Thomas Bögerl schluchzend, nachdem er erneut um Freilassung gebeten hat. Seine Tochter Carina schließt sich weinend an: „Geben Sie uns ein Zeichen, wo unsere Mutter ist, wir flehen Sie an! Bitte, bitte tun Sie es!“
„Mir tut die Familie ungeheuer leid“, sagt eine Frau nach der Ausstrahlung im RTL-Interview. Ein Mann ergänzt: „Das ist das Schlimmste, was es gibt, für die Familie.“ Ganz Deutschland nimmt mittlerweile Anteil am Schicksal der Familie aus Heidenheim.
Lesen Sie auch: Cold Case bei Aktenzeichen XY: Rätsel um Teppich-Tote – wer kennt die unbekannte Frau?
Spaziergänger findet Leiche von Maria Bögerl
3. Juni 2010:
Am Abend gegen 20 Uhr findet ein Spaziergänger eine Frauenleiche unter einem Reisighaufen. Nur wenige Meter entfernt war das Handy von Maria Bögerl gefunden worden. Bei einer anschließenden Obduktion die endgültige Gewissheit: Bei der Toten handelt es sich um Maria Bögerl. Jede Hoffnung ihrer Familie, die 54-Jährige lebend wiederzusehen, ist zerstört.
Während der Suche nach der Vermissten werden immer wieder Vorwürfe gegen die ermittelnde Polizei Heidenheim laut: Haben die Ermittler alles getan, um die zweifache Mutter zu finden?

Zeitplan für Lösegeldzahlung im Fall Bögerl zu knapp
4. Juni 2010:
Auf einer Pressekonferenz gibt die Polizei weitere Details zu dem mutmaßlichen Täter bekannt. Der Täter stamme vermutlich aus dem engeren familiären Umfeld, fasst RTL-Reporter Thomas Präkelt die Erkenntnisse der Beamten zusammen. Er soll mittleren Alters sein und schwäbischen Dialekt sprechen.
Außerdem wird bekannt, dass „das Lösegeld ist einfach eine halbe Stunde zu spät abgelegt worden“, so Präkelt. Es wäre ein sehr „straffer“ Zeitplan gewesen, der Thomas Bögerl im Telefonat mitgeteilt worden war, und 300.000 Euro in bar wären so schnell nicht aufzutreiben gewesen.
Lesen Sie auch: Hausmeister steckt Mädchen (8) in Koffer und entführt es aus Wohnung der Familie
Wenige Tage später verabschieden sich Thomas, Carina und Christoph in einer emotionalen Traueranzeige von Maria Bögerl: „Die Erinnerung an deine Stärke, an deine Wärme, an dein Lachen, ist das einzige, was uns am Leben hält“, heißt es dort. Und weiter: „Es gibt keinen Trost, nur die Liebe zu dir. Du fehlst!“

Thomas Bögerl nimmt sich das Leben
11. Juli 2011:
Gut 14 Monate nach der Entführung seiner Frau trifft Thomas Bögerl die Entscheidung, sich selbst das Leben zu nehmen. Die Nachricht über seinen Tod schockiert Deutschland erneut. Er soll erst kurz zuvor aus einer Rehaklinik in das Haus, das er mit seiner Maria bewohnt hatte, zurück gekehrt sein. Die Haushälterin hat ihn tot aufgefunden, es gibt laut Polizei keinen Zweifel an Suizid.
Die Ermittlungen im Fall Maria Bögerl stagnieren zu dem Zeitpunkt, immer wieder werden Gerüchte laut, ob Thomas Bögerl selbst etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun hat. Haben ihn diese Vermutungen verzweifeln lassen?
In der Traueranzeige für ihren Vater, die am 14. Juli 2011 erscheint, erheben die Kinder Carina und Christoph sowie die gesamte Familie schwere Vorwürfe: „Unser lieber Vater, Sohn, Bruder und Schwager hat den Verlust seiner geliebten Frau, die erfolglosen polizeilichen Ermittlungen, die unsäglichen Verleumdungen und den zuletzt daraus resultierenden Abschied aus seinem Beruf nicht mehr ertragen können.“
Lesen Sie auch: Nach 48 Jahren! Polizei findet offenbar Gretchens Killer – es war ihr Pfarrer
Der Fall Bögerl gerät nicht in Vergessenheit
In den folgenden Jahren scheint die Polizei immer mal wieder kurz vor einem Durchbruch im Fall Bögerl zu stehen. Ein Massen-Gen-Test wird durchgeführt, ein Phantombild veröffentlicht, ein mutmaßlicher Täter festgenommen. Doch es stellt sich heraus, dass Axel R. (46) sich nur hat „wichtig machen“ wollen, wie er im RTL-Interview 2017 erzählt. „Wie kann man nur so bescheuert sein“, meint er im Nachhinein und fasst sich an den Kopf. Gerade noch entgeht er einer Gefängnisstrafe.
Egal, welche Spur die Polizei im Fall Bögerl verfolgt, die Beweiskette ist nie schlüssig, sodass jedweder Verdacht sich nicht erhärten lässt. Auch heute ist unklar, wer Maria Bögerl entführt und ermordet hat. Ihre Kinder Carina und Christoph, die durch das furchtbare Verbrechen zu doppelten Waisen wurden, müssen nun hinnehmen, dass die Polizei die Ermittlungen einstellt, weil es aktuell keine weiteren Ermittlungsansätze gäbe.
Doch ein Trost bleibt den beiden: der Vorwurf des Mordes verjährt nicht, also kann das Verfahren bei neuen Ermittlungsansätzen jederzeit wieder aufgenommen werden. Den Ermittlungsbehörden liegt weiterhin eine eindeutig einem männlichen Täter zuzuordnende DNA-Spur vor. Vielleicht wird Maria Bögerls Mörder also irgendwann doch noch geschnappt. (lha mit dpa)
Hier finden Sie Hilfe in schwierigen Situationen
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt?
Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter telefonseelsorge.de.
































