Erschreckende ZahlenGrundschule in Ludwigshafen: Vierzig Erstklässler bleiben sitzen!

ARCHIV - 13.05.2019, Baden-Württemberg, Remshalden: Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule Wörter mit «Sp» am Anfang an eine Tafel. Eine große Mehrheit der Deutschen ist einer Umfrage zufolge unzufrieden mit den Schulen und der Bildungspolitik in Deutschland. (zu dpa «Umfrage: Große Mehrheit unzufrieden mit Bildungspolitik und Schulen») Foto: Sebastian Gollnow/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Schon in der Grundschule haben viele Kinder Probleme.
miu axs sb, dpa, Sebastian Gollnow

Gleich vierzig Kinder einer Grundschule in Rheinland-Pfalz müssen wohl die erste Klasse wiederholen. Die Gründe dafür: Vor allem nicht ausreichende Deutschkenntnisse und kaum Vorfähigkeiten. Denn die meisten der Kinder haben davor die Kita nur kurz oder gar nicht besucht.

Rektorin überrascht und schockiert über hohe Zahlen

Erschreckende Zahlen an der Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz: Vierzig Erstklässler (von insgesamt 132) müssen das Schuljahr wiederholen. Ein Schock für Rektorin Barbara Mächtle: „Also die Zahl war durchaus etwas überraschend und auch gleichzeitig etwas schockierend für mich,“ erzählt sie im RTL-Interview. Zwar hätte es auch schon im letzten Jahr knapp über zwanzig Wiederholer gegeben – so viele wie noch nie - „die vierzig ist natürlich noch mal eine ganz andere Hausnummer, was ich sehr erschreckend fand. Und wir reden natürlich hier noch nicht von den Wiederholern in den Stufen zwei, drei und vier.“

Dem Landesbildungsministerium zufolge ist der Schulaufsicht bisher kein Fall bekannt, bei dem eine Schule mit solch gravierendem Hinweis wie in Ludwigshafen an die Behörde herangetreten ist. Dass ein so hoher Anteil eines Schuljahrs als gefährdet benannt werde, sei ungewöhnlich, sagt ein Sprecher in Mainz. Die Zahl vierzig stehe aber noch nicht fest. Die Entscheidung falle im Laufe des Schuljahrs.

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Anmerkung der Redaktion: Ergebnisse unserer Opinary-Umfrage sind nicht repräsentativ.

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Das sind die Gründe für die hohen Zahlen

Die Gründe für die Versetzungsgefährdung in der Grundschule sind vielfältig, lassen sich aber auf drei Hauptfaktoren herunterbrechen:

  • Die Kinder kommen oft unpünktlich oder unregelmäßig in die Schule.

  • Viele Kinder verstehen kein Deutsch oder haben generell schlechte Deutschkenntnisse, weil sie zu Hause ihre eigene Muttersprache sprechen und die Eltern die deutsche Sprache nicht beherrschen.

  • Dazu kommen fehlende Kita-Plätze und das dadurch resultierende mangelnde Erlernen sozialer Vorschulfähigkeiten.

An der Gräfenauschule „hatten schon immer etwa 98 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund“, sagt die Schulleiterin. Der Schulstandort Hemshof, wo viele Migrantinnen und Migranten leben, wird von vielen als Brennpunkt oder Problemviertel bezeichnet. „Wer hier aufwächst, braucht nicht zwingend Deutsch zu lernen, aber in der Schule brauchen die Kinder es.“

"Frustriert, weil man natürlich auch nicht so helfen, fördern kann, wie man gerne möchte“

Auch für die Lehrerinnen und Lehrer an der Grundschule ist die Situation unbefriedigend. In der Klasse von Lehrerin Jutta Fritsche ist keines der Kinder mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen, nur vier Kinder wurden ohne Bedenken als schulreif eingestuft – von insgesamt 22. Der Rest bräuchte eine individuelle Förderung, doch für diese haben die Lehrerinnen und Lehrer im Alltag einfach keine Zeit: „Man ist auf jeden Fall ziemlich erschöpft nach so einem Tag. Es ist wirklich anstrengend, weil am Vormittag ist man permanent in Aktion. Und klar: Man ist auch frustriert, weil man natürlich nicht so helfen, fördern kann, wie man gerne möchte.“

Für Schulrektorin Barbara Mächtle könnte das Problem allerdings recht einfach gelöst werden: es braucht mehr Personal: „Es müssen gar keine ausgebildeten Lehrkräfte sein. Oft genügt etwa eine zweite Person im Klassensaal, die sich um Kinder kümmert, die noch nicht in der Lage sind, die Jacke anzuziehen, die noch nicht in der Lage sind, das Mäppchen rauszuholen, die einfach noch mal eine Erinnerung brauchen.“ (khe/mit dpa)

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