Sieg an weitere Waffenlieferungen geknüpft
Ehemaliger US-General: Befreiung der Krim bis Sommer möglich
Trotz russischer Raketen-Großoffensiven wächst in der Ukraine allmählich die Hoffnung, der Krieg könne bald beendet sein. Dieser Einschätzung pflichtet nun auch Ben Hodges, ehemaliger Oberbefehlshaber der US-Army in Europa, bei. Er stellt auch klar, ein Erfolg der Ukraine ist von verschiedenen Faktoren abhängig.
Schneller Sieg der Ukraine ausgeschlossen
Rund acht Monate liegt die Invasion Russlands in die Ukraine nun schon zurück. Seither haben sich die Fronten mehrfach zugunsten beider Kriegsparteien verschoben. Derzeit sieht es so aus, als könnte das ukrainische Militär die Invasoren zunehmend zurückdrängen. Trotz wachsender Hoffnung auf Seiten der Ukraine, kann ein schneller militärischer Sieg aber zunächst ausgeschlossen werden. Das sagte Ben Hodges, ehemaliger Oberbefehlshaber der US-Army in Europa, in einem ntv-Interview. Das liegt vor allem an der Unberechenbarkeit der russischen Befehlshaber. Die weitere Eskalationen billigend in Kauf nehmen.
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Beschuss nach G20-Gipfel: „Große Demonstration der Respektlosigkeit“

Zeitgleich mit neuen, massiven Luftangriffen Russlands auf die Ukraine schlug am Dienstag eine Rakete auf dem Gebiet des NATO-Mitglieds Polen ein. Die G20-Vertreter, die zeitglich auf Bali tagten, verurteilten den Angriff scharf. An dem Gipfel hätte eigentlich auch Russlands Staatschef Wladimir Putin teilnehmen sollen. Der ließ sich aber entschuldigen und schickte stattdessen seinen Außenminister Sergej Lawrow.
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Einsicht oder Kompromissbereitschaft ließ Lawrow nicht erkennen. Er verließ den Gipfel in Bali sogar vorzeitig. Kurz danach wurden knapp 100 Raketen in die Ukraine geschickt. Der ehemalige US-Oberbefehlshaber in Europa zeigt sich verwundert über den Zeitpunkt und kritisiert den Beschuss:„Was für eine große Demonstration der Respektlosigkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft durch Russland.“ Der halbe Kontinent war plötzlich in Alarmbereitschaft.
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Droht ein Eingriff der NATO?
Die Situation ist nach wie vor höchst angespannt. Auch wenn ein weitere Eskalationstufe nach dem Raketeneinschlag im polnischen Grenzdorf Przewodow gerade noch abgewendet werden konnte, bleibt es brenzlig. Ein Einschreiten der NATO soll möglichst nicht zur Realität werden, wenngleich Kremlsprecher Dmitri Peskow im russischen Staatsfernsehen erklärte, dass die NATO bereits „de facto“ in den Konflikt involviert sei.
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Ben Hodges mahnt weitere mögliche Kriegsparteien zur Vorsicht. „Es ist wichtig, dass wir ruhig bleiben, dass wir diszipliniert sind und emotional nicht überreagieren, weil wir wissen, dass es in Kriegszeiten Reibungen geben wird. Es herrscht Unsicherheit. Es gibt menschliche Fehler, die gemacht werden.“
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„Angemessene Reaktion“ von Polen und der NATO
Ob es sich weiterhin, wie vom Kreml tituliert, um eine „militärische Spezialoperation“ handelt, darf aber spätestens nach den Raketeneinschlägen auf polnischem Staatsgebiet bezweifelt werden. Zwar waren es keine russischen Marschflugkörper, sondern fehlgeleitete ukrainische Abwehrraketen. Allerdings wäre es nicht zu dem Unglück - bei dem zwei Menschen ihr Leben verloren haben – gekommen, hätte das russische Militär keine Ziele an der westukrainischen Grenze beschossen.
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Raketenbeschüsse in Grenznähe zu Polen zu starten, sind „von russischer Seite sehr unverantwortlich“, bekräftigt der frühere Drei-Sterne-General. Ben Hodges zeigte sich beeindruckt von der Reaktion der Beteiligten. Polen bescheinigt er eine „angemessene“ und „sehr ruhige“ Reaktion. Das eine voreilige Eskalation verhindert werden konnte, sei auch der NATO zu verdanken. Dort gibt es „gute, ruhige, kluge Leute, die die Entscheidungen treffen“, konstatierte Hodges. Er war beeindruckt, wie Polen, Deutschland, die USA und die NATO reagiert haben. Allerdings verdeutlichte die russische Raketen-Großoffensive eines, dass die Ukrainer nicht genug Luft und Raketenabwehr haben.“
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Ausbau der Flugabwehr als priorisiertes Ziel – Deutschland unterstützt

Das soll sich nun ändern. Schließlich werden die Feuerpausen russischer Raketen auf die Ukraine deutlich kürzer. Dafür erhöht das russische Militär die Schlagzahl an Marschflugkörpern, die hauptsächlich auf zivile Ziele und die Zerstörung der Infrastruktur sowie die Energieversorgung abzielen. Hier liegt die große Schwachstelle der ukrainischen Verteidigung, wie Hodges betont. „Die Priorität ist die Luft und Raketenabwehr, um unschuldige Menschen zu schützen, die getötet werden.“
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Allerdings könnten weitere Marschflugkörper nicht nur rein defensiv genutzt werden. Nach Einschätzung des ehemaligen Oberbefehlshabers benötigt die Ukraine „Langstreckenraketen, die die Quelle der russischen Angriffe treffen könnten.“ Die Bundesregierung hat ihre Hilfe bereits zugesagt, allerdings soll es sich dabei um den Ausbau der Flugabwehr handeln. Ob offensive Marschflugkörper geliefert werden, ist unklar.
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Kriegsende im Sommer?
Schon Ex-Box-Weltmeister Wladimir Klitschko hatte in einem Interview zum RTL-Spendenmarathon über die „finale Phase“ des Krieges gesprochen. Wann ein Ende in Sicht ist und „wie es aussieht“ ließ der 46-Jährige unbeantwortet. Wohl auch, weil dieser Krieg bislang viele Überraschungen und Wendungen bereithielt.
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Etwas präziser formuliert es Ben Hodges. Er prognostiziert, dass die Ukraine im Januar bereit sei „die letzte Phase des Krieges zu beginnen.“ Damit meint der 64-Jährige vor allem die Befreiung der Krim. Bevor es allerdings dazu kommen kann, wird es in den nächsten „zwei, zweieinhalb Monaten“ schwere Gefechte um die ostukrainische Hafenstadt Mariupol geben, so Hodges. Im Sommer könnte die Halbinsel Krim bereits befreit werden, vermutet der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Army in Europa. Allerdings ergänzt der frühere Drei-Sterne-General: „Die Russen müssen verlieren - sonst versuchen sie es in zwei oder drei Jahren wieder.“ Denn erst kürzlich verkündete Russlands Präsident, dass er rund 300 000 weitere Reservisten einziehen lassen möchte, um die besetzten Gebiete zu halten. (dpa, rdr)
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