Unfassbare Zustände in gleich mehreren Bundesländern
Kitas kürzen Betreuungsangebot und lassen Eltern im Regen stehen
Ach wie schön, wenn man nicht auf die Kita angewiesen ist! Das denken sich wohl gerade viele Familien, die es sich leisten können, das ein Elternteil zu Hause bleibt und auf die Kinder aufpasst. Denn in gleich mehreren Bundesländern häufen sich die Fälle, in denen Kitas entweder früher schließen oder sogar ganze Tage geschlossen bleiben.
Familien, die auf die Betreuungszeiten angewiesen sind, fallen hinten herunter. Besonders dramatisch ist die Lage aktuell in zwei Kitas im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach und im baden-württembergischen Filderstadt.
Kita in Bergisch Gladbach öffnet nur noch jeden zweiten Tag
„Ab dem 6. Februar 2023 können die Kinder der Kita nur jeden 2. Tag besuchen.“ So heißt es in einem Schreiben des AWO (Arbeiterwohlfahrt) Familienzentrums „Kunterbunt“ in Bergisch Gladbach, das den Eltern Ende Januar ausgehändigt wurde. Der Grund: Personalmangel – es fehlen mindestens zwei Vollzeit- und eine Teilzeitkraft.
Es sei schlicht nicht möglich, dem Bildungsauftrag gerecht zu werden und gleichzeitig alle Kinder zu beaufsichtigen, heißt es in dem Schreiben weiter. Man befinde sich 96 Stunden unter der notwendigen Mindestbelegung.
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Für berufstätige Eltern heißt das: Entweder Alternativen finden oder den Job runterfahren. Im Bürgerportal der Stadt äußert sich eine Mutter entsetzt: „Ich bin selbstständig, muss nun meine Stunden reduzieren und verliere Umsatz.“
Der eigentlich Skandal: In NRW hat jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz (Quelle: NRW-Familienministerium).
Die AWO Bergisch Gladbach wollte sich auf RTL-Anfrage nicht zu dem Fall äußern.
Dormagener Kita kürzt Betreuungsangebot spontan
Offenbar ist die Praktik aber kein Einzelfall. Im Rahmen einer RTL-Recherche wurden allein in NRW mindestens zwei weitere Kommunen bekannt, die ebenfalls das Betreuungsangebot aufgrund von Personalmangel drastisch gekürzt haben.
Julie Schmidt, Mutter von zwei Kita-Kindern, erzählt im RTL-Interview von ähnlichen Zuständen in einer städtischen Kita in Dormagen. „Mein Mann und ich sind beide Vollzeit berufstätig und auf die Ganztagsbetreuung angewiesen. Wir sind der typische Fall von: keine Großeltern in der Nähe und auch keine wirklichen Betreuungsalternativen.“
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Auch hier besteht eigentlich der Rechtsanspruch auf eine Betreuung. Verstößt die Stadt also bewusst gegen NRW-Recht? „Nein“, sagt die Stadt Dormagen auf RTL-Anfrage. „Diesem Rechtsanspruch sind wir in Ihrem beschriebenen konkreten Fall nachgekommen, da entsprechende Betreuungsplätze in der städtischen Kindertageseinrichtung im Lernhaus zur Verfügung gestellt worden sind.“
Heißt: Die Plätze sind zwar da, aber kein Personal und damit auch keine Betreuung.

Kita in Filderstadt schließt sogar ganz
In einer Kita im baden-württembergischen Filderstadt ist die Lage sogar noch dramatischer. Hier soll die Kita ab sofort komplett geschlossen bleiben – vorerst für zwei ganze Wochen. „Für mich ist es beruflich eine Katastrophe. Ich weiß nicht, wie ich die kommenden zwei Woche das hinkriegen soll“, sagt Matthias Hertler, Familienvater und Feuerwehrmann. Da ist Frust vorprogrammiert.
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Immerhin Oberbürgermeister Christoph Traub kann die Wut der Eltern verstehen und verspricht Abhilfe. „Das kam Knall auf Fall. Die Eltern haben einen berechtigten Anspruch (...) Wir müssen über den Schritt der Notbetreuung wieder zu einer Öffnung der Kita kommen.“
Erzieher fordern: Mehr Zeit für die Kinder!
Den Eltern in Filderstadt bringt das für die kommenden Tage allerdings genauso wenig, wie den Erziehern, die am Donnerstag für bessere Arbeitsbedingungen demonstrierten. „Eine Person von uns ist allein für 20-30 Kinder verantwortlich“, erzählt ein Erzieher am RTL-Mikrofon. Ein anderer sagt, man wolle die Kinder ja auch ganz individuell nach ihren Stärken fördern, dazu sein aber einfach keine Zeit.
Immerhin: Das Thema scheint langsam in der Politik Gehör zu finden. 20 Demonstranten durften am Donnerstag dann sogar in den Düsseldorfer Landtag hinein und ihren Forderungen Nachdruck verleihen.
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