Gesundheitsminister aus USA-ReiseKarl Lauterbach wird in den USA gefeiert wie ein Popstar
Nach einem Jahr im Amt reist der Gesundheitsminister in die USA. Während seine Zustimmungswerte in Deutschland gesunken sind, wird Karl Lauterbach (SPD) in den Vereinigten Staaten gefeiert. RTL-Reporterin Nina Lammers hat ihn auf seiner Reise begleitet.
Lauterbach forschte vor 30 Jahren in Harvard

Die Kolonne mit den polierten schwarzen Autos, die durch Boston und Cambridge rauscht, hat eigentlich genau vorgegebene Ziele. Es gibt keine Zeit für Abstecher. Außerdem ist es sichererer, wenn die Sicherheitsleute die Zielorte vorher checken konnten. Doch plötzlich halten die drei Wagen an. Der Gesundheitsminister will aussteigen, wirkt aufgeregt. Er hat sein altes Haus entdeckt, will es sich nochmal anschauen. Durch Zufall führte der Weg zum nächsten Termin an der ruhigen Stichstraße mit den zweistöckigen Klinkerbauten vorbei, wo er vor 30 Jahren mit seiner damaligen Partnerin und zwei Kindern lebte. Er strahlt, als er davon erzählt.
Damals arbeitete Karl Lauterbach noch als Epidemiologe, forschte an der weltweit bekannten Harvard Universität, außerhalb von Fachkreisen kannte ihn niemand. Heute umringt ihn ein Tross von Mitarbeitern, Journalisten und Sicherheitsleuten, er ist bekannt, bedroht und umstritten.
Nachdem er vor einem Jahr ins Amt kam, hat er an Beliebtheit verloren. Im aktuellen RTL/ntv Trendbarometer steht er im Bundespolitiker-Ranking auf Platz 7, vor einem Jahr war er noch auf Platz 3. Darauf angesprochen sagt Lauterbach: „Es ist nicht die Aufgabe eines Ministers, dafür zu kämpfen, beliebt zu sein.“ Wenn man beliebt sei, sei das gut, aber: „Wir müssen unsere Arbeit getan bekommen“. Das gefalle nicht jedem. Pandemiebekämpfung, Reform des Gesundheitssystems - bis Ende November hatte er 48 Rechtsverordnungen und 12 Gesetze auf den Weg gebracht, 9 davon federführend.
Lauterbach wird in den USA für seine "evidenzbasierte Politik" gefeiert
Während er wegen seines immer noch strikten Coronakurses, wegen überfüllter Kinderstationen und Lieferengpässen von Medikamenten kritisiert wird, einige Bundesländer seine Coronapolitik durchkreuzen, indem sie die Isolations- und Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr abschaffen, ist Karl Lauterbach zufrieden mit sich und seiner der Politik. Er misst seine Erfolge an einer selbstauferlegten Mission: Er will auf Grundlage epidemiologischer Erkenntnisse politische Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen länger und leben und gesünder sind. Lauterbach nennt es „evidenzbasierte Politik“ und stellt sich damit gegen eine Politik, die Ideologien folgt oder Interessen von Lobbygruppen. Davon gibt es in der Gesundheitspolitik viele, zum Beispiel Krankenkassen, Apotheker, die Pharmaindustrie, Ärzte- und Pflegeverbände. Kein Wunder also, dass in den vergangenen Monaten immer wieder öffentliche Schlagabtausche zwischen Lauterbach und Ärztevertretern Schlagzeilen machten.
In Deutschland stoßen sich viele an ihm, doch in den USA wird Lauterbach für seine evidenzbasierte Politik gefeiert. Am PubIic Health Institut der Harvard Universität, das Epidemiologen aus der ganzen Welt anzieht und an dem er in seinem vergangenen Leben als Wissenschaftler selbst geforscht hat, darf Lauterbach die sogenannte Cutter Lecture halten. Eine besondere Ehre, die nur die bekommen, die der Epidemiologie besondere Dienste erwiesen haben. Zuletzt durfte Anthony Fauci reden, der in Deutschland als der amerikanische Christian Drosten bekannt wurde.
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„Für uns Mediziner ist er wie eine Berühmtheit"

Überall im Institut hängen Plakate mit Werbung für die Veranstaltung. Der Saal ist so voll, dass ein zweiter geöffnet wird, in den die Veranstaltung übertragen wird. Hauptsächlich sind junge Studentinnen und Studentin gekommen, viele sprechen deutsch. Als Lauterbach anfängt zu reden, wird es mucksmäuschenstill im Saal. Gebannt verfolgt der Wissenschaftsnachwuchs Lauterbachs Ausführungen zu den Herausforderungen der alternden Gesellschaft, Klimawandel und Umweltschutz und der Notwendigkeit, politische Entscheidungen zu treffen, um diese Probleme in den Griff kriegen. Wer hier studiert, gehört zur wissenschaftlichen Elite, die will Lauterbach erreichen. Sein Wunsch: junge Wissenschaftler davon überzeugen, seinen Weg einzuschlagen, damit die Erkenntnisse der Epidemiologie nicht in irgendwelchen Fachzeitschriften versiegen, sondern angewandt werden.
Langer Applaus als sein Vortrag zu Ende ist. Bestimmt eineinhalb Stunden stehen sie danach Schlange, wollen noch ein Wort mit dem Minister reden und Fotos machen. Lauterbach badet in der Menge, nimmt sich für jeden Zeit, erkundigt sich nach Studiengängen, Biografien, macht Mut. Er strahlt dabei so wie am Morgen, als er sein altes Haus entdeckt hatte.
An diesem Abend bekommt Lauterbach die Anerkennung wie ein Popstar. „Ich denke, er macht einen sehr guten Job in Deutschland“, sagt Marius, 22, der hier genetische Epidemiologie studiert. „Für uns Mediziner ist er wie eine Berühmtheit, deswegen sind wir alle hier angetanzt und freuen uns total“, sagt Toni, 23, die eigentlich Medizin in Kiel studiert, jetzt aber in Harvard plastische Forschung macht. Dass „Karl“, wie ihn hier einige nennen, in Deutschland ganz anders wahrgenommen wird, finden viele nicht überraschend. Seine Entscheidungen seien manchmal intransparent gewesen, sagt Toni. Sie wisse aber auch nicht, wie sie es besser gemacht hätte. Daniel, 23, der hier gerade seine Doktorarbeit in Medizin schreibt, glaubt, dass Lauterbach deswegen so oft aneckt, weil gerade epidemiologische Daten nicht gut öffentlichkeitswirksam rübergebracht werden könnten. Doch genau diese Daten sind die Grundlage für Lauterbachs Politik.
Lauterbach: Pandemie mache nur noch 20 Prozent seiner Arbeit aus

Neuen Input für weitere Ministerentscheidungen holt sich Lauterbach in Boston und Cambridge in einem Labor, Krankenhäusern, Forschungsstätten. Er lässt sich Innovationen in der Krebstherapie erklären, zeigen, wie hier Medizin und Forschung verzahnt werden und informiert sich über die Anwendung von Software zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Die Impulsreferate, die seine Gesprächspartner dazu vorbereitet haben, sind von Laien kaum zu verstehen. Lauterbach hat zuvor Studien zu den jeweiligen Themen gelesen, meldet sich zwischendurch, stellt Fragen. Er muss die Digitalisierung im Gesundheitswesen in den Griff bekommen - „Wir liegen bei der Digitalisierung 10 Jahre hinter dem, was wir uns vorgenommen haben.“ – will, dass Deutschland in der Krebsbekämpfung weiterkommt.
Die Pandemie, sagt er, mache nur noch 20 Prozent seiner Arbeitszeit aus. Hier in den USA hatte er dazu ein Treffen mit Anthony Fauci, dem US-Ober-Immunologen. Es ging um mögliche Coronaimpfstoffe, die als Nasenspray verabreicht werden können und andere, die gleichzeitig gegen eine Vielzahl von Varianten wirken. Außerdem gab´s ein Abendessen mit dem Coronaberater von US-Präsident Biden, Ashish Jha, ein alter Freund von Lauterbach aus Harvard-Zeiten. Dann noch ein Gespräch in der Weltbank zum Pandemic Fund. Mit dem sollen ärmeren Ländern zünftig Gelder zur Pandemiefrüherkennung bekommen können. Zum Beispiel für Abwassermonitoring oder Sequenzierungen. Das wars mit Corona. Zumindest auf dieser Reise.
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