Hausärzteverband-Chef sieht noch kein Ende der PandemieJe nach Studienlage: AstraZeneca könnte wieder zum Kassenschlager werden

Dr. Oliver Funken, Vorstandsmitglied Ärztekammer Nordrhein, im RTL-Interview
Dr. Oliver Funken, Vorstandsmitglied Ärztekammer Nordrhein, im RTL-Interview
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AstraZeneca ist zurzeit der Ladenhüter unter den Impfstoffen - obwohl auch er robust gegen die Delta-Variante des Coronavirus schützt. Den Grund dafür sieht der Hausärzteverband Nordrhein in der Politik - der Impfstoff sei zerredet worden. Daher sei man jetzt gezwungen, auf AstraZeneca zu verzichten, kündigte der Chef des Hausärzteverbandes Nordrhein, Oliver Funken, am 6. Juli an. Im Gespräch mit RTL verrät er, was er von der Empfehlung der Stiko hält, ob AstraZeneca durch die neuen Studien aus Israel doch wieder zum Kassenschlager werden kann - und wann es in seinem Augen Zeit für endgültige Lockerungen ist.
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IM VIDEO: Hausärzte im Rheinland wollen Impfstoff nicht mehr anbieten

Hausärzte müssen Stiko-Empfehlungen ausbaden

In der Praxen der Hausärzte stehen die Telefone seit dem 1. Juli nicht mehr still und das Mail-Postfach quillt über. Reihenweise melden sich Patienten, die ihre Zweitimpfung mit AstraZeneca absagen wollen. Nach der Empfehlung der Stiko wollen die meisten lieber einen mRNA-Impfstoff. Mittelfristig werden zumindest in NRW jetzt sowieso die letzten Impfungen mit AstraZeneca vorgenommen, denn in NRW soll der Impfstoff nach dem Willen der Hausärzte nicht mehr verimpft werden.

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Empfehlungen von Stiko und Jens Spahn "wackelig" und "nicht hilfreich"

Oliver Funken, Chef des Hausärzteverbandes Nordrhein, sah die Empfehlung der Stiko von Anfang an kritisch: "Die Empfehlung steht auf wackeligen Beinen", sagt er im RTL-Interview, "wir hätten da gerne härtere Aussagen und eine bessere Datenlage gesehen, um das zu verifizieren." Der Wechsel zu Biontech sei für die Hausärzte jetzt ein "bisschen schwierig" - und man merkt ihm an, dass es sich hierbei um eine deutliche Untertreibung handelt.

LESE-TIPP: Stiko ändert Empfehlung – was sollen mit AstraZeneca Geimpfte jetzt tun?

Auch die Empfehlung zur Kreuzimpfung mit einer ersten Dosis AstraZeneca und einer zweiten mit einem mRNA-Impfstoff, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor ein paar Tagen aussprach, hält der Allgemeinmediziner für kontraproduktiv: "Das war nicht hilfreich", sagt uns Funken, "er hätte diese Kreuzimpfung nicht propagieren sollen." Die Studienlage sei noch nicht ausreichend, um sagen zu können, dass das der deutlich bessere Weg ist. "Es ging nur darum, dass man möglichst schnell möglichst viel mit Biontech impft, weil man glaubt, damit die Delta-Variante besser in den Griff zu bekommen."

AstraZeneca wieder Kassenschlager je nach Studienlage - wenn es ihn noch gibt

Bisher gehen wir aufgrund der bisherigen Forschungen davon aus: Biontech und insbesondere die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff wirkt am besten, auch gegen die Delta-Variante. Wie die "Times of Israel" aber berichtet, zeigen neue Zahlen des israelischen Gesundheitsministeriums ein anderes Bild. Im Juni konnte der Corona-Impfstoff, der für fast alle Geimpften in Israel zum Einsatz kam, eine Neuinfektion mit der Delta-Variante nur zu 64 Prozent verhindern - also genauso gut wie der AstraZeneca-Impfstoff. Wird der Ladenhüter irgendwann wieder zum Kassenschlager? "Wenn eine neue Studienlage das so hergibt, wird es wahrscheinlich so sein", sagt Funken. "Wenn dann noch AstraZeneca da ist, denn die Verfallsdaten kommen ja jetzt."

Vor 80 Prozent Geimpften keine Lockerungen

Nur noch 64 Prozent Schutz - statt fast 90 Prozent: Müssen wir uns da jetzt Sorgen machen? "Sorgen müssen sie sich in einer Pandemie-Situation immer machen, dafür haben wir ja die Pandemie-Situation", sagt Funken klipp und klar. Mit Verwunderung nehme man wahr, dass vor allem in den öffentlichen Verkehrsregeln die AHA-Regeln kaum noch eingehalten werden würden. "Das finden wir nicht gut, das sind die wirksamsten Maßnahmen."

LESE-TIPP: Delta-Variante – WHO befürwortet die Maskenpflicht weiterhin, auch für Geimpfte!

Ist es denn schon an der Zeit über weitere Lockerungen und Wegfall der Maskenpflicht zu diskutieren? "Wir haben die Pandemie noch nicht besiegt", mahnt der Mediziner, "wir sollten erst einmal gucken, dass wir die Bevölkerung durchgeimpft haben." Zielwert seien 80 Prozent alles Menschen in Deutschland - das sei noch lange nicht erreicht. "Vorher würde ich über Lockerungen nicht nachdenken wollen - als Arzt." (ija)

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