Hier sitzen Systemkritiker und politische GefangeneIran-Konflikt eskaliert - Feuer in berüchtigtem Ewin-Gefängnis

Im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran ist bei einem Konflikt zwischen Inhaftierten und dem Sicherheitspersonal ein Feuer ausgebrochen. Mindestens vier Gefangene seien ums Leben gekommen und Dutzende weitere Inhaftierte zudem verletzt worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Irna am Sonntag. Augenzeugen berichteten, dass am Samstagabend zunächst laute Explosionen und auch Schüsse in der Haftanstalt zu hören waren. Demnach soll das Feuer bis Mitternacht gebrannt haben, bis in den frühen Morgen stieg Rauch auf.

Videos zeigen chaotische Szenen rund um das Gefängnis

Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter von insbesondere politischen Gefangenen. Auch Demonstranten sind dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert, ebenso Doppelstaatler, die neben der iranischen auch eine weitere Staatsbürgerschaft haben. Die USA haben das Gefängnis und seine Leitung im Mai 2018 wegen „ernster Menschenrechtsverletzungen“ mit Sanktionen belegt.

Was genau in Teherans berüchtigter Haftanstalt geschah, lässt sich nicht unabhängig verifizieren, ebenso tausendfach geteilte Videos in den sozialen Medien, die chaotische Bilder rund um die Anstalt zeigten.

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Teherans Staatsanwalt bestreitet Zusammenhang mit Protesten im Land

HANDOUT - 16.10.2022, Iran, Tehran: Auf diesem von der Nachrichtenagentur der Islamischen Republik (IRNA) am Sonntag, 16. Oktober 2022, zur Verfügung gestellten Foto ist ein Gebäude nach einem Brand auf dem Gelände des Ewin-Gefängnisses zu sehen. Im Ewin-Gefängnis ist bei einem Konflikt zwischen Inhaftierten und Sicherheitspersonal ein Feuer ausgebrochen. Foto: Uncredited/Islamic Republic News Agency IRNA/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Brand am Ewin-Gefängnis in Teheran. Das Foto wurde von de rNachrichtenagentur der Islamischen Republik (IRNA) zur Verfügung gestellt. Es kann nicht unabhängig geprüft werden.
VS nwi, dpa, Uncredited

Die staatliche Agentur Irna berichtete am Samstagabend zunächst von einer Auseinandersetzung zwischen „Hooligans und Randalierern“ mit den Gefängniswärtern. Kritiker des Regimes in Teheran wehren sich gegen diese Aussagen.

Das Textillager der Anstalt sei in Brand gesteckt worden, hieß es laut der Agentur weiter. Die Lage sei nach kurzer Zeit wieder unter Kontrolle gebracht worden. Die Feuerwehr habe den Brand inzwischen gelöscht.

Teherans Staatsanwalt bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen im Land ausgebreitet haben. Nach seiner Darstellung handelte es sich um einen internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben. Doch der tatsächliche Auslöser für die Geschehnisse in der Nacht blieb zunächst offen.

"Wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden"

Kritiker im Ausland warnten vor einem Blutbad in dem Gefängnis. „Die Inhaftierten, darunter zahllose politische Gefangene, sind in diesem Gefängnis völlig schutzlos“, sagte Hadi Ghaemi, Geschäftsführer der in New York ansässigen Menschenrechtsorganisation Center for Human Rights in Iran (CHRI) laut einer Mitteilung. „Die iranischen Behörden haben wiederholt gezeigt, dass sie das menschliche Leben völlig missachten, und wir sind äußerst besorgt darüber, dass Gefangene in diesem Moment getötet werden.“

Augenzeugen berichteten, Angehörige der Gefangenen, die zu dem Ort des Geschehens geeilt waren, hätten vor der Haftanstalt geweint und Informationen über ihre Familienangehörigen gefordert.

Angeblich Explosionen und Hupkonzerte vor dem Ewin-Gefängnis

Ein Reporter der reformorientierten iranischen Tageszeitung „Shargh“ hörte eigenen Angaben zufolge mehrere laute Explosionen am Ort des Geschehens. Mehrere Feuerwehrfahrzeuge fuhren demnach zu dem Gefängnis im Norden der Hauptstadt, um die Flammen zu bekämpfen. Die Straßen rund um die Haftanstalt seien abgesperrt worden. Auch Hupkonzerte wurden demnach vernommen, die während der landesweiten Proteste immer wieder Zeichen der Solidarität mit den Demonstrationen sind.

Spontane Solidaritätsbekundungen in mehreren deutschen Städten

Wegen des Brands im Ewin-Gefängnis im Norden Teherans ist es am Samstagabend in mehreren deutschen Städten zu spontanen Solidaritätsbekundungen mit den politisch Inhaftierten im Iran gekommen. In Berlin versammelten sich nach Angaben der Polizei Menschengruppen vor dem Auswärtigen Amt und vor der iranischen Botschaft zu Demonstrationen. Die genaue Teilnehmerzahl konnte die Polizei am Abend noch nicht mitteilen. Die Proteste verliefen friedlich und ruhig. Auch in Frankfurt und Hamburg versammelten sich am späten Abend spontan mehrere Menschen vor den iranischen Generalkonsulaten. In Hamburg lief die Versammlung bis in die frühen Morgenstunden. Die Teilnehmer seien aufgeregt, aber friedlich geblieben, teilte die Polizei mit. Sie hätten Solidarität mit den politisch Inhaftierten im Iran gefordert.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schaltet sich ein

48. Bundesdelegiertenkonferenz Parteitag Bündnis 90 / Die Grünen - Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen, während ihrer Rede vor der BDK48. Bundesdelegiertenkonferenz Parteitag Bündnis 90 / Die Grünen - Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen, während ihrer Rede vor der BDK, Bonn NRW Deutschland World Conference Center *** 48 Federal Delegates Conference Party Congress Bündnis 90 Die Grünen Annalena Baerbock, Federal Minister of Foreign Affairs, during her speech to the BDK 48 Federal Delegates Conference Party Congress Bündnis 90 Die Grünen Annalena Baerbock, Federal Minister of Foreign Affairs, during her speech to the BDK, Bonn NRW Germany World Conference Center
Außenministerin Annalena Baerbock hat die deutsche Botschaft in Teheran eingeschaltet.
www.imago-images.de, IMAGO/Chris Emil Janßen, IMAGO/Chris Emil Janssen

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, die deutsche Botschaft sei wegen des Brands in ununterbrochenem Kontakt mit den Behörden. Das Feuer möge gelöscht sein, „unsere Aufmerksamkeit für die Menschen, die dort festgehalten werden, und ihre Menschenrechte darf und wird nicht aufhören“, schrieb sie auf Twitter.

Im Ewin-Gefängnis im Norden Teherans sitzen nicht nur zahlreiche politische Gefangene, sondern auch Demonstranten, die dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert sind. Auch Doppelstaatler, die neben der iranischen auch eine weitere Staatsbürgerschaft haben, sind in Ewin inhaftiert. Unter ihnen sind mindestens zwei deutsche Doppelstaatler. (dpa)