Höxter-Prozess geht zu Ende: Wird die Angeklagte Angelika W. ihr Schlusswort missbrauchen?

ARCHIV - 03.07.2018, Nordrhein-Westfalen, Paderborn: Die Angeklagte Angelika W. (l) steht neben ihrem Verteidiger Peter Wüller im Landgericht. Am Mittwoch wird der Mordprozess nach den tödlichen Misshandlungen von Höxter fortgesetzt. Foto: Friso Gentsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Noch ist offen, wann das Landgericht Paderborn ein Urteil sprechen wird.
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Nach 55 Verhandlungstagen geht der Höxter-Mordprozess mit dem Verlesen der Plädoyers in den Schlussspurt. Es ist ein Fall, der fassungslos gemacht hat - und immer noch macht. Angelika W. und ihrem Ex-Mann Wilfried W. wird vorgeworfen, in einem Haus im ostwestfälischen Höxter-Bosseborn zahlreiche Frauen über Jahre finanziell ausgenutzt und zum Teil seelisch und körperlich schwer misshandelt zu haben. Zwei der Opfer starben infolge der Quälereien. Die Befürchtung der Nebenklage: Angelika W. könnte das ihr zustehende Schlusswort missbrauchen.

Das letzte Wort von "Folter-Hexe" Angelika W.

ARCHIV - KOMBO - Der Angeklagte Wilfried Max W. und die Angeklagte Angelika W. sitzen am 13.12.2016 im Landgericht Paderborn (Nordrhein-Westfalen). Der Prozess um die tödlichen Misshandlungen im sogenannten Horrorhaus von Höxter wird am Dienstag fortgesetzt. Foto: Guido Kirchner/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Anklage lautet unter anderem auf Mord durch Unterlassen.
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Ein Anwalt der Nebenkläger kündigte bereits im Vorfeld Protest an. "Sollte die Angeklagte Angelika W. das ihr rechtlich zustehende letzte Wort vor dem Urteil für einen stundenlangen Monolog missbrauchen, werde ich mit meiner Klientin den Saal aus Protest verlassen", sagte Roland Weber. Er vertritt die Mutter der getöteten Anika W. aus Niedersachsen. "Letztes Wort heißt letztes Wort und nicht letzte Rede". Er befürchtet, dass sich Angelika W. über Stunden äußern wird. "Sie will die große Bühne nutzen, wie sie das ja auch bereits am Anfang des Prozesses getan hat".

Urteil im Höxter-Prozess: Was droht Angelika und Wilfried W.?

ARCHIV - Der Angeklagte Wilfried W. sitzt am 14.03.2017 in Paderborn (Nordrhein-Westfalen) im Landgericht in Paderborn auf der Anklagebank. Im Gericht wird der Mordprozess nach den tödlichen Misshandlungen von Höxter fortgesetzt. Foto: Guido Kirchner/dpa (zu dpa «Mordprozess von Höxter wird weiter fortgesetzt» vom 04.07.2017) Foto: Guido Kirchner/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der Angeklagte Wilfried W. sitzt am 14.03.2017 im Landgericht in Paderborn auf der Anklagebank.
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Die Anklage lautet unter anderem auf Mord durch Unterlassen. Am Mittwoch (5. September) macht Oberstaatsanwalt Ralf Meyer den Anfang. Dann folgen die Nebenkläger. Am Donnerstag tragen die Anwälte des Angeklagten Wilfried W. ihre Plädoyers vor. In der nächsten Woche folgen die Rechtsbeistände von Angelika W., der Ex-Frau. Noch ist offen, wann das Landgericht Paderborn ein Urteil sprechen wird. Fällt das letzte Wort von Angelika W. kurz aus, wäre ein Prozessende am 14. September möglich. Sollte sie, wie sie dem Gericht schriftlich angekündigt hat, von dieser Möglichkeit ausführlich über Stunden Gebrauch machen, würde ein Urteil erst am 5. Oktober fallen.

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Folterpaar von Höxter: Das sagen die Gutachter

Ein Haus, fotografiert am 29.04.2016 in Höxter (Nordrhein-Westfalen). Eine Frau ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft wochenlang in einem abgelegenen Haus im ostwestfälischen Höxter gefangen gehalten worden und schließlich an schweren Misshandlungen gestorben. Die Frau war den Ermittlungen zufolge durch eine Partnerschaftsanzeige in die Hände ihrer mutmaßlichen Peiniger geraten. Foto: Marcel Kusch/dpa (zu dpa «Frau stirbt nach wochenlanger Gefangenschaft auf Gehöft» vom 29.04.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++
In diesem Haus im ostwestfälischen Höxter-Bosseborn fanden die abscheulichen Verbrechen statt.
dpa, Marcel Kusch

Ein Professor der Universität Regensburg für forensische Psychiatrie hatte im November 2017 widersprüchliche Angaben zu seinen Gesprächen mit Wilfried W. gemacht. Das Gericht entband ihn daraufhin von seiner Aufgabe und die ehemalige Leiterin der Gerichtspsychiatrie in Lippstadt-Eickelborn übernahm. Sie untersuchte als Psychiaterin beide Angeklagten. Ihr im Juli vorgestelltes Gutachten löste viele offene Fragen auf. So auch das Rätsel, wer von beiden die treibende Kraft bei den vorgeworfenen Verbrechen war.

Nach Ansicht der Expertin bildete das Duo eine über Jahre gewachsene Einheit. Beide ergänzten sich demnach perfekt, um die Opfer einzuschüchtern und zu manipulieren. Ohne den jeweils anderen hätte das Horrorhaus demnach nicht funktioniert. Für Wilfried W. empfahl die Expertin die Einweisung in die Psychiatrie. Der 48-Jährige sei vermindert schuldfähig und habe eine erhebliche Intelligenzminderung. Angelika W. ist laut Gutachten nicht in der Lage, Mitleid mit den Opfern und Angehörigen zu empfinden, da sie Züge von Autismus zeige. Die Psychiaterin hält die Angeklagte für überdurchschnittlich intelligent - und damit für schuldfähig.

"Horrorhaus" von Höxter: So flogen die Angeklagten auf

Mitarbeiter der Spurensicherung gehen am 02.05.2016 in Höxter (Nordrhein-Westfalen) am Haus des beschuldigten Ehepaares vorbei. Das mutmaßlich für den Tod einer 41-Jährigen verantwortliche Paar aus Höxter soll ein weiteres Tötungsdelikt gestanden haben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Polizeikreisen. Die Staatsanwaltschaft Paderborn wollte dies zunächst weder bestätigen noch dementieren. Foto: Marcel Kusch/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Nur durch einen Zufall fliegt das "Folterpaar" von Höxter auf.
dpa, Marcel Kusch

Ohne eine Autopanne im Frühjahr 2016 wüsste man womöglich heute noch nicht, welche Tragödien sich in dem Haus in Höxter abgespielt haben. Damals blieb der Wagen von Angelika und Wilfried W. liegen. Auf der Rückbank sitzt eines der Opfer, die schwer verletzte Susanne F. Ein Rettungswagen kommt und bringt die unterkühlte Frau ins Krankenhaus. Dort stirbt sie an den Folgen eines Schädelhirntraumas. Tage später geht die Bielefelder Polizei mit einer schockierenden Geschichte an die Öffentlichkeit.

Die Geschichte von Anika W. gab dem "Horrorhaus"-Prozess seinen Namen. Denn ihre Leiche wurde auf dem Gelände erst eingefroren, dann zerstückelt und später verbrannt.