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Großartige Plädoyers für den Frieden: Songs gegen den Krieg

 20.03.2022,Politik Demo, Sound of Peace -Friedenskundgebung für die Ukraine, v.l.Mia mit Peace Fahne auf der Buehne Berlin *** 20 03 2022,Politics Demo, Sound of Peace peace rally for Ukraine, v l Mia with Peace flag on stage Berlin Daniel Lakomski
Mia ließ wie viele andere auch bei der Veranstaltung Sound of Peace am 20.03.2022 in Berlin die Macht der Musik sprechen.
www.imago-images.de, IMAGO/Jan Huebner, IMAGO/Daniel Lakomski
von Timo Weber und Tobias Elsaesser

Seit dem 24. Februar fallen Bomben auf Kiew, herrscht Krieg in Europa. Millionen Menschen fliehen, unfassbares Leid offenbart sich uns täglich. Die Hilfsbereitschaft in dieser Zeit ist enorm, Menschen spenden Geld, Kleidung, Lebensmittel, Medikamente und vieles mehr. Viele erklären sich bereit, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, egal wie beengt die Verhältnisse auch sein mögen. Doch das alles stoppt den Krieg nicht. Und bei allem, was man tut, um zu helfen, kann sich schnell das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit einstellen.
Viel Macht wird der Musik zugeschrieben. Sie mag die Welt nicht ändern, den Krieg nicht stoppen, doch sie kann Trost spenden. Man denke nur an die siebenjährige Amelia, die in einem Schutzbunker den Titelsong des Disney-Films „Frozen“ sang. Oder die junge Geigerin Vera Litovchenko, die ebenfalls in einem Bunker das Lied "Nich yaka misiachna / What a moonlit night" von Mykola Lysenko spielte.
Seit jeher hat sich auch die Musik mit dem Thema Krieg auseinandergesetzt. Wir haben für Sie einige der eindrucksvollsten Plädoyers für den Frieden zusammengestellt
Lese-Tipp: Alle aktuellen Informationen rund um den Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit im Liveticker

Devils & Dust – Bruce Springsteen

Der bekannteste Song gegen den Krieg von Bruce Springsteen ist wohl einer, den er nicht selbst geschrieben hat: „War“ von Edwin Starr (siehe nächster Abschnitt). Aus seiner eigenen Feder stammt „Devils & Dust“, geschrieben kurz nach dem Einmarsch in den Irak 2003. Es beschreibt eindrucksvoll die Situation eines Soldaten im Gefecht.

Es beginnt mit den Worten „I got my finger on the trigger, but I don’t know who to trust“ – 14 Worte, die im Grunde schon alles sagen: Mit dem Finger am Abzug habe ich die Gewalt über Leben und Tod wortwörtlich in den eigenen Händen. Das ist die physische Komponente, durchziehen oder nicht. Wären da nicht das Gewissen und die Zweifel, die mit dem Muskel um das kleine Fingerzucken kämpfen. Der Blick in die Augen des Kameraden (oder des Feindes oder die eigenen?) hilft auch nicht – da sind nur Teufel und Staub. Hitze, Hölle, Verwirrung – fernab der Heimat. Das muss nicht einmal geografisch sein, als Soldat im Krieg ist man seines persönlichen Umfeldes und allem, was einen im zivilen Leben ausmacht, entrissen. Umgeben von Trümmern, Blut und Gestank, hilft es herzlich wenig, dass man Gott an seiner Seite hat. Außerdem hat das der Feind im Zweifelsfalle auch.

Der Satz „I’ve got God on my side“ ist ein schöner Verweis auf Bob Dylans Antikriegssong „With God on our side”, in dem Gott immer wieder als Grund für den Krieg herhalten muss. Dylan kommt zu dem desillusionierten Schluss, dass Gott wirklich nur dann an unserer Seite steht, wenn er den nächsten Krieg stoppt.

Am Anfang der dritten Strophe sehen wir den Soldaten wieder mit dem Finger am Abzug und der Erkenntnis, das Vertrauen allein nicht reicht. Unklar ist, ob er sich immer noch immer noch im Schützengraben befindet und ob die Waffe noch immer auf den Feind gerichtet ist – in seinem Herzen: Teufel und Staub – Hitze, Hölle, Verwirrung.

Brad Barket
Bruce Springsteen
deutsche presse agentur

War – Edwin Starr

„War, huh! What is it good for? Absolutely nothing!“ (Wofür ist er gut? Für absolut nichts) Der laut gerufene Sprechgesang des Soul-Sängers Edwin Starr machte das Lied zu einem der markantesten und erfolgreichsten Antikriegssongs. Geschrieben wurde „War“ 1969 von Norman Whitfield und Barrett Strong aus Protest gegen den Vietnamkrieg. Beide waren Teil der populären Motown-Soulband The Temptations, die das Lied 1970 für ihr Album „Psychedelic Shack“ aufgenommen hatten, den kontroversen Antikriegssong aber nicht als Single veröffentlichten, da ihr Label befürchtete, dass sich Teile der konservativen Hörerschaft von der Band abwenden könnten.

Die Neuaufnahme mit dem Top-Ten-Sänger Edwin Starr geriet noch intensiver und war prägnanter als die Albumversion der Temptations. Sie erreichte entgegen der vorgebrachten Bedenken sogar Platz 1 in den US-Billboardcharts und wurde zum Welthit gegen den Krieg.

Edwin Starr in April 1974 ? Michael Putland / Retna/Photoshot Credit all uses
Soulsänger Edwin Starr im Jahr 1974
Michael Putland, picture alliance, Avalon/Retna
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Masters of War – Bob Dylan

Bob Dylans wortreiche und eindringliche Anklage an alle, die vom Krieg profitieren. An die, die die Voraussetzungen für den Krieg schaffen, aber verschwunden sind, wenn die Kugeln fliegen, deren Kreativität darin besteht, Zerstörung zu ermöglichen. Aus jedem einzelnen Wort regnet es Wut und Verachtung. Dylan setzt ihren Verrat an der Welt, die sie als ihr Spielzeug betrachten, mit Judas an Jesus gleich. Dadurch dass sie die schlimmste Art der Furcht – die Furcht davor, einem Baby in dieser brutalen Welt das Leben zu schenken – geschaffen haben, seien sie selbst nicht das Leben wert. Eine Sünde, die so schwer wiegt, dass nicht mal Jesus sie vergeben werde. Und die letzte Strophe seines „Rants“ auf alle Kriegsherren und Kriegsgewinnler sollte man in all seinem Hass und seiner Härte einfach mal so stehen lassen:

„And I hope that you die and your death will come soon / I'll follow your casket by the pale afternoon / And I'll watch while you're lowered down to your deathbed / And I'll stand over your grave 'til I'm sure that you're dead“ (Und ich hoffe, dass du stirbst, und dass dein Tod bald kommen wird / Ich werde deinen Sarg im blassen Nachmittag begleiten / Und ich werde zusehen, wenn du in dein Totenbett gelegt wirst / Und ich werde an deinem Grab stehen, bis ich sicher bin, dass du tot bist).

Bob Dylan
Bob Dylan
deutsche presse agentur

Give Peace A Chance/ Imagine - John Lennon & Yoko Ono (Plastic Ono Band)

John Lennon und Yoko Ono dürfen in der Folge "Musik für eine bessere Welt" natürlich nicht fehlen.
Yoko Ono und John Lennon
Musik für eine bessere Welt

„Give Peace A Chance“ war die erste Solo-Single eines Beatles-Mitglied und läutete auch deren Ende ein. John Lennon hatte zusammen mit seiner Frau Yoko Ono Wochen zuvor mit Friedensprotestaktionen für weltweiten Pressewirbel gesorgt. Bei den sogenannten „Bed-ins“ luden John & Yoko Pressevertreter in Hotels ein, ließen sich von ihnen im Hotelbett interviewen und protestierten so medienwirksam für mehr Frieden auf der Welt. Am letzten Tag ihrer Aktionen nahmen beide zusammen mit illustren Gästen wie Allen Ginsberg, Petula Clark und Timothy Leary den Song auf und veröffentlichten ihn schließlich am 4. Juli 1969. Der Song wurde so zu einem der bekanntesten Friedenshymnen und zu einem ständigen Begleiter auf Friedensprotesten auf der ganzen Welt.

Während des Ukraine-Konflikts nach dem Einmarsch von Putins Panzern in den Bruderstaat beschlossen zahlreiche Radio-Sender in Europa „Give Peace A Chance“ am Morgen des 4. März 2022 zeitgleich um 8:45 Uhr zu spielen, um ein Zeichen der Solidarität mit dem brutal überfallenen ukrainischen Volk zu senden.

Zwei Jahre nach „Give Peace A Chance“ brachte John Lennon mit dem Song „Imagine“ eine weitere Hymne für den Frieden heraus. Die Worte

„Imagine there's no countries / It isn't hard to do / Nothing to kill or die for / And no religion, too / Imagine all the people / Livin' life in peace“ (Sich vorzustellen, dass es keine Staaten gibt / ist nicht so schwer / Wenn es nichts zum Töten oder zum Sterben gibt / Und auch keine Religion / Stell dir vor, dass alle Menschen ein Leben in Frieden leben)

haben gut 40 Jahre später leider nichts von ihrer Aktualität verloren.

Between The Wars – Billy Bragg

Eines der frühen Meisterwerke des britischen Songwriters, im typischen Bragg-Style: Nur Billy allein, mit leicht angezerrtem Telecaster-Twang. Auch wenn der Song verschiedene Lesarten erlaubt, bleibt am Ende das ernüchternde Fazit. Frieden ist nie für immer, Frieden ist nur ein Wort für die Zeit zwischen zwei Kriegen.

Billy Bragg und Joe Henry
Billy Bragg
deutsche presse agentur

Universal Soldier - Buffy Saint Marie

Bekannt wurde der Song vor allem durch die Version des britischen Folksängers Donovan aus dem Jahre 1965, doch geschrieben hatte das Lied die kanadische Sängerin Buffy Sainte-Marie. Auf ihre ein Jahr zuvor veröffentlichte Version wurde Donovan aufmerksam und kaufte die Rechte an dem Stück, die die Songschreiberin Jahre später für 25.000 Dollar zurückerwarb.

In „Universal Soldier“ erzählt Sainte-Marie die Geschichte verschiedener Soldaten, die glauben, für den Frieden zu kämpfen und dabei nicht realisieren, wie sie instrumentalisiert werden und so ihre eigene Verantwortlichkeit für den Krieg nicht mehr erkennen können.

Buffy Saint-Marie. Canadian singer Buffy Saint-Marie is photographed in a Toronto hotel as she promotes her new album "Power in the Blood'," on Tuesday May 5 2015. Sainte-Marie marked her Polaris Music Prize nomination not by celebrating, but by listening."I took the time to listen to all the other nominees," said the Saskatchewan-reared songwriter in a recent interview. THE CANADIAN PRESS/Chris Young URN:24153358
Buffy Saint-Marie im Jahr 2005
Chris Young, picture alliance

Eve Of Destruction - Barry McGuire

Der apokalyptische Protestsong aus dem Jahr 1965 wurde zu einem Millionenseller, obwohl er zwischenzeitlich nicht im Radio gespielt werden durfte. Geschrieben wurde er von dem Folksänger P.F. Sloan, von dem sich die Popmusikindustrie in den USA nach der Veröffentlichung des Songs abwandten, weil ihnen der Song zu unpatriotisch war – und das FBI legte sogar eine Akte über den Sänger Barry McGuire an.

Trotz dieser Hindernisse wurde der Song im September 1965 ein Nummer-1-Hit in den USA und in der Folge zu einem großen Hit der Love & Peace-Generation, die gegen den Vietnamkrieg protestierte. Doch Sloan behandelte in seinem Text nicht nur Vietnam. In „Eve Of Destruction“ (zu deutsch: Vorabend der Zerstörung) erzählt er von einer ganzen Welt im Kriegsfuror, die kurz davor ist, sich endgültig zugrunde zu richten:

„The Eastern world, it is exploding / Violence flaring, bullets loading / You're old enough to kill but not for voting“ (Der Nahe Osten ist am Explodieren/ Gewalt flackert auf, Kugeln werden geladen / Ihr seid alt genug um zu töten, aber nicht alt genug um zu wählen).

BARRY MCGUIRE . CODE: LF
Barry McGuire
picture alliance

Hero of War – Rise Against

Rise Against widmen sich in dieser akustischen Ballade der Diskrepanz zwischen den Versprechen der Rekrutierer, den Erwartungen der Rekruten und dem, was sie auf dem Schlachtfeld erwartet. Eine weitere Komponente: Was macht der Krieg mit einem Soldaten?

Das Versprechen steht am Anfang: Du wirst die Welt sehen – und wirst dafür sogar bezahlt, du musst nur diese Waffe mitnehmen. Damit schützt Du unser Land, unsere Freiheit und unsere Werte. Hört sich doch gut an? Ja hört sich gut an. Dazu kommen Struktur und ein starkes Gemeinschaftsgefühl, gesellschaftliche Anerkennung. Ich werde ein Held sein, Was kann schon schiefgehen?

Das, was auch dem Protagonisten in „Devils & Dust“ widerfährt. Stress, Verwirrung, Zweifel, Überforderung – Entmenschlichung des Gegners, Entmenschlichung des Selbst, und das mit dem Finger am Abzug, mit der Macht über Leben und Tod. Und eine falsche Entscheidung, die vermeintliche Selbstmordattentäterin entpuppt sich am Boden liegend als Zivilistin mit weißer Fahne.

Der Song endet mit der Wiederholung der ersten Strophe und den Versprechungen der Anwerber. Auch in der Zukunft werden junge Männer und Frauen diesen Versprechungen glauben. Und enttäuscht werden.

Der Song wurde inspiriert von dem Dokumentarfilm „The Ground Truth“ aus dem Jahr 2006, in dem Soldaten über ihre Erfahrung vor, während und nach ihrem Einsatz im Irak berichten

Zach Blair von Rise Against: "Joe Biden macht einen großartigen Job"
Rise Against

Udo Lindenberg - Wozu sind Kriege da?

„Wozu sind Kriege da?“ erschien im Jahr 1981 und war Udo Lindenbergs Beitrag zur Friedensbewegung in Deutschland, die gegen das atomare Wettrüsten im Kalten Krieg auf die Straße ging. Sein Duett mit dem damals 10-jährigen Jungen Pascal Kravetz strotzt vor entwaffnender Naivität. Es ist so berührend, weil es aus der Perspektive eines Kindes die Notwendigkeit von Kriegen in Frage stellt und damit die Unmöglichkeit, Kindern die Gründe für Krieg vernünftig zu erklären, auf den Punkt trifft. Die Kinderstimme singt in der ersten Strophe an einen Staatspräsidenten gerichtet:

„Keine Mutter will ihre Kinder verlieren / Und keine Frau ihren Mann / Also warum müssen Soldaten losmarschieren / Um Menschen zu ermorden - mach mir das mal klar / Wozu sind Kriege da?“

Eine Antwort bekommt das Kind nicht. In der dritten Strophe versucht sich Udo Lindenberg als Erwachsener darin Antworten zu geben und bringt Machterhalt, Geld und Religion als Ursachen für den Krieg ins Spiel – findet aber keinen wahren, überzeugenden Grund. Das Lied wurde häufig als naiver Kitsch kritisiert, aber wie Udo es gelungen ist, in seinem Antikriegssong Form und Inhalt zusammenzubringen, macht das Lied so besonders. Und leider ist es damit auch wieder brandaktuell, denn es sind dieselben Fragen, mit denen sich Kinder und Erwachsene heute wieder konfrontiert sehen.

Natürlich wird Udo Lindenberg auch singen - zusammen mit dem legendären Panikorchester spielt er seine großen Erfolge aus 30 Jahren - natürlich live im Studio!
Udo Lindenberg

Rich Man’s War – Steve Earle

Drei Geschichten von drei Männern aus drei Kriegen, erzählt in wenigen, einfachen und eindrücklichen Worten. Die Geschichte von Jimmy, der der Armee beitritt, um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen. Vielleicht kann er was lernen, die Welt sehen und anschließend eine Familie gründen. Schließlich findet er sich im Kampf um Bagdad, denn „irgendjemand irgendwo (George W. Bush in Washington) hatte einen anderen Plan“ für ihn.

Dann ist da Bobby, frischgebackener Familienvater mit Schulden, der sich verpflichtet fühlt, für die USA in Afghanistan zu kämpfen. Während er „in der kalten trockenen Luft Jagd auf Geister macht“ pfändet die Bank als Lohn für seinen Dienst seinen Besitz.

Schließlich erzählt Earle die Geschichte von Ali, der im blutigen Gaza-Konflikt aufgewachsen ist und schon als Kind Steine und Flaschen auf israelische Panzer warf, sein ganzes Leben nur Furcht kannte. Als man es von ihm verlangt, legt er sich bereitwillig im Namen Allahs einen Sprengstoffgürtel um. „Ein fetter Mann in einem neuen Mercedes“ fährt ihn schließlich zum Anschlagsziel.

Drei unterschiedliche Männer, die aus verschiedenen Gründen in den Krieg hineingezogen werden, ihre Träume, ihre Lebensgrundlage oder gar ihr Leben verlieren. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie sind die Bauern auf dem Schachbrett, sie werden geopfert. Andere, Mächtigere, Privilegiertere entscheiden, wann und wofür sie kämpfen und sterben müssen. Earle schildert den paradoxen Aspekt des Krieges, die Tatsache, dass in den modernen, aus ideologischen oder wirtschaftlichen Interessen ausgefochtenen Krieges nicht diejenigen an der Front stehen, die den Krieg angezettelt haben. Jimmy, Bobby und Ali stehen stellvertretend für jeden „anderen armen Jungen, der den Krieg eines reichen Mannes kämpft“.

epa03207656 US singer-songwriter Steve Earle performs on the Fais Do-Do Stage at the New Orleans Jazz and Heritage Festival at the New Orleans Fair Grounds Race Course in New Orleans, Louisiana, USA, 5 May 2012. The New Orleans Jazz and Heritage Festival celebrates it's 43rd Anniversary this year with 12 different stages in an annual 10-day cultural celebration that encompasses every style of music associated with the city of New Orleans that includes jazz, gospel, Cajun, zydeco, blues, Rhythm and Blues, rock, funk, African, Latin, Caribbean, folk, and much more in addition to local cuisine, culture, arts, and crafts.  EPA/SKIP BOLEN
Steve Earle
picture alliance / dpa, Skip Bolen

What’s Goin On - Marvin Gaye

Ein Foto von Marvin Gaye, 1971.
Marvin Gaye, 1971.
picture alliance, ZUMA WIRE

Der US-amerikanische Soul-Sänger veröffentlichte die Protest-Hymne im Jahr 1971 und nahm dabei die Perspektive eines schwarzen Vietnam-Veterans ein, der nach Hause zurückkehrt und dort ein von Hass und Leid zerrissenes Heimatland wiederfindet. Rassismus, soziale Ungerechtigkeit, Polizeigewalt gegen Anti-Kriegs-Aktivisten und Afroamerikaner werden in dem Song beklagt, den der Motown-Labelboss Berry Gordy wegen seiner politischen Botschaft zunächst nicht veröffentlichen wollte. Gordy fürchtete um das Image seines Labels, doch Marvin Gaye konnte einfach keine Liebeslieder mehr singen.

Auch wenn „What’s Goin On“ kein klassisches Antikriegslied ist, sondern vielmehr den inneren Konflikt in den USA besingt, beschreiben Zeilen wie

„Mother, mother, There's too many of you crying / Brother, brother, brother, There's far too many of you dying / Father, father, We don't need to escalate, You see, war is not the answer“ (Mutter, Mutter – zu viele von euch weinen / Bruder, Bruder Bruder, zu viele von euch sterben / Vater, Vater, wir brauchen keine Eskalation, Krieg ist keine Antwort)

die tragische Essenz jeder kriegerischen Auseinandersetzung.

The Green Fields Of France - Dropkick Murphys

Die grünen Felder Frankreichs – gemeint sind die Felder, auf denen 1916 die Schlacht an der Somme tobte. Es war die verlustreichste Schlacht des ersten Weltkrieges mit über einer Million getöteter verwundeter und vermisster Soldaten. Viele Denkmäler und Kriegsgräber erinnern an diese brutale Schlacht, die ein knappes halbes Jahr dauerte – ohne irgendein Ergebnis.

Auf einem der vielen Friedhöfe sitzt der Protagonist des Songs, der von Eric Bogle geschrieben wurde. Er sitzt nahe dem Grabstein eines gefallenen Soldaten und fragt sich, wie es für den „jungen Willy McBride“ gewesen sein mag, hier zu kämpfen und im Alter von nur 19 Jahren zu sterben. Ging es schnell oder musste er lange leiden? Wartete eine Ehefrau oder eine Freundin auf ihn, die sich an ihn erinnert, oder bleibt nur sein Grabstein? Gras bedeckt nun die Schlachtfelder, aber „zahllose weiße Kreuze stehen im Niemandsland als stumme Zeugen“ der menschlichen Ignoranz, die eine ganze Generation zur Schlachtbank geführt hat.

Zur Zeit des ersten Weltkriegs gingen viele davon aus, dass dies der Krieg wäre, der alle Kriege beenden würde. Hat Willie das geglaubt? Haben seine neben ihm liegenden Kameraden das geglaubt. Falls ja, dann blieb ihnen die Erkenntnis erspart, dass all ihre Opfer und ihr Tod vergeblich waren, denn „Willie McBride, it all happened again and again and again“ (Willie McBride, es geschah wieder und wieder und wieder).

Dropkick Murphys
Dropkick Murphys
deutsche presse agentur

Highwire – Rolling Stones

Die damals schon mittelalten Herren um Mick Jagger und Keith Richards ließen es sich nicht nehmen, ihrem 1991er Livealbum „Flashpoint“ einen Studio-Bonustrack hinzuzufügen, in dem sie ihre Meinung über den gerade begonnen Golfkrieg gegen den Irak kundtaten. Zu einem typischen Keith-Richards-Riff zeichnen die Stones ein wenig schmeichelhaftes Bild des westlichen (vor allem amerikanischen und britischen) „Engagements“ im Nahen Osten. Man unterstützt gerne jedes nicht-kommunistische Regime mit Waffen, auch auf Kredit, solange das Öl fließt.

Ebenso gern befeuert man auch mal einen Konflikt, solange es einen gemeinsamen Feind trifft. Damit spielen die Rolling Stones auf den Iran-Irak-Krieg an, in dem die USA Iraks Diktator Saddam Hussein unterstützten, bevor dieser dann Kuwait besetzte und damit die wirtschaftlichen Interessen der Amerikaner bedrohte, was diese dann zum Eingreifen bewegte. Und sie finden klare Worte dafür: „Wir haben keinen Stolz, wissen nicht, wessen Stiefel wir lecken sollen. Wir sind so gierig, dass es mich krank macht.“

Nun, da Jobs und Leben bedroht sind, befindet man, dass Diktatoren vielleicht doch ab und an mal einen „Klapps auf die Finger“ brauchen. Schließlich kann man sich kein „weiteres München“ erlauben. Das kann sich einerseits auf den palästinensischen Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972 beziehen, andererseits aber auch auf die Konferenz von München 1939, als man es final verpasste, Hitler die Grenzen aufzuzeigen. Also greift man ein – und überträgt das Ganze auch noch zur besten Sendezeit im Fernsehen.

Carsten Rehder
The Rolling Stones stehen während eines Auftritts auf der Bühne. Foto: Carsten Rehder/dpa/Archivbild
deutsche presse agentur

American Blood – Reckless Kelly

Eine Abrechnung mit George W. Bushs Irak-Invasion, die sehr klare Worte findet, eindrucksvoll durchkonzeptioniert, um die meisten Aspekte des Krieges aufzuzeigen und größtmögliche Wirkung zu erzielen. Fünf Strophen, die abwechselnd die Geschichte des Soldaten Johnny und des obersten Feldherren und Präsidenten George erzählen.

2003 zu Beginn der Invasion ist Johnny gerade 18 Jahre alt, zu jung, um Alkohol zu kaufen, aber geschickt im Umgang mit Waffen und alt genug, um in den Krieg zu ziehen. Zur selben Zeit könnte George im Weißen Haus wissen, dass der Krieg eine schlechte Idee ist, aber er muss eben das zu Ende bringen, was sein Vater an selber Stelle 1991 begonnen hat. George hat nichts zu befürchten, seine Füße liegen auf dem Schreibtisch des Oval Office, während Johnnys im Wüstensand stecken. Eine Anspielung auf ein berühmtes Foto von Bush und die Tatsache, dass an der Front selten die stehen, die einen Krieg beginnen.

In Strophe drei hat es Johnny erwischt, auf seine Verletzung wird nur salopp angespielt: „Johnny kann nicht laufen, aber der Arzt sagt, Fliegen ist okay“ – es geht nach Washington zu einer „Photo Op“, denn Johnny soll der Nation als Held präsentiert werden. Derweil steht der strahlende George auf einem Schiff und erklärt den Sieg – erneut eine Anspielung auf ein berühmtes Foto. Die nächsten Jahre des Krieges mit zahllosen improvisierten Sprengsätzen auf Iraks Straßen standen eben nicht auf der Agenda. Zurück zu Johnny, der mittlerweile 23 und alt genug ist, „den ganzen Tag lang zu trinken“, nachdem er seine Beine der amerikanischen Idee von Freiheit „gespendet“ hat („He donated his legs to worldwide land of the free“). Während dieser ganzen Jahre spült der Krieg Geld in die Taschen der US-Öl-Multis, der Rüstungskonzerne und der Unternehmen, die sich um den Wiederaufbau im Irak kümmern. Sie alle haben (nicht nur) amerikanisches Blut an den Händen.

Artist Willy Braun of Reckless Kelly performs at City Winery Nashville on Sunday July 9, 2017 in Nashville, Tenn. (Photo by Laura Roberts/Invision/AP)
Reckless Kelly
Laura Roberts, Invision

Zombie – Cranberries

Die irische Alternative-Rockband The Cranberries behandelten in ihrem Welthit „Zombie“ die tragischen Folgen des Nordirlandkonflikts. In Gedenken an die zwei Kinder Johnathan Ball (3) und Tim Parry (12), die ihr Leben ließen, als in Warrington am 20. März 1993 eine Bombe der IRA in einem Mülleimer explodierte, interpretiert Sängerin Dolores O‘Riordan die Gewalttäter als untote Zombies, die in einem scheinbar endlosen Konflikt immer weiter kämpfen würden:

„In your head they’re still fightin’ with their tanks and their bombs and their bombs and their guns In your head, In your head they are dyin’“ (In deinem Kopf kämpfen sie immer noch, mit ihren Panzern und ihren Bomben, mit ihren Bomben und ihren Gewehren, in deinem Kopf, sterben sie)

Die Message ist klar: Solange Krieg und Gewalt unbarmherzig in den Köpfen feststecken, sterben Menschen weiter in sinnlosen Konflikten, und wie in diesem besonders tragischen Fall, unbeteiligte Kinder.

The Cranberries: Sängerin Dolores O'Roirdan und Bandmitglieder: Noel,Michael,Fergal
The Cranberries
pressebild

Sunday Bloody Sunday - U2

Bereits 1983 thematisierte die irische Rockband U2 den Nordirland-Konflikt in einem ihrer bekanntesten Songs: „Sunday Bloody Sunday“. Der offen politische Song bezieht sich dabei konkret auf die tragische Auseinandersetzung im nordirischen Derry im Jahr 1972, als britische Truppen unbewaffnete und flüchtende Demonstranten erschossen. Dieser Tag ging als Bloody Sunday in die Geschichte ein und verschlimmerte den schon lange schwelenden Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten noch zusätzlich. Das mit dem ikonischen Marsch-Drumbeat beginnende „Sunday Bloody Sunday“ und das dazugehörige Album „War“ sollten für U2 die ersten Meilensteine einer Weltkarriere sein.

U2Pressefoto4
U2

Europa Geht Durch Mich – Manic Street Preachers

Zum Schluss ein Song, der nicht die Schrecken des Krieges beschreibt. „Europa geht durch mich“ von den Manic Street Preachers und Gaststar Nina Hoss ist ein Plädoyer für den Zusammenhalt. Für die Idee Europa, für das was eine europäische Gemeinschaft sein könnte und sollte. Eine Beschwörung gemeinsamer Werte und Träume. In einer Zeit, in der dieses Ideal wichtiger denn je scheint und durch uns alle gehen sollte.

Lead singer James Dean Bradfield of Welsh Rock Manic Street Preachers performs at SSE Arena Wembley, London, England, UK on Friday 3 December 2021., Credit:Justin Ng / Avalon
James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers
picture alliance / Photoshot

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