Der Umwelt zur LiebeGibt es bald keine Werbeprospekte mehr? Diese Händler wollen die Angebots-Heftchen nicht mehr austeilen

ARCHIV - 02.09.2021, Berlin: Trotz dem Hinweis «Werbung, nein Danke!» stecken diverse Werbeblättchen im Briefeinwurf. Noch landen jede Woche Abermillionen Handzettel mit Werbung in deutschen Briefkästen. Doch das könnte sich ändern. Denn immer mehr Handelsketten wollen auf die aufwendigen Prospekte verzichten. (zu dpa «Das langsame Sterben der Werbeprospekte») Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Werbeprospekte (Symbolbild)
fgj vco, dpa, Fernando Gutierrez-Juarez

Für viele Deutsche gehört es wahrscheinlich noch zum festen Samstagmorgen-Ritual: Am Frühstückstisch werde Werbe-Prospekte studiert und der Wocheneinkauf geplant. Wo ist gerade die Butter im Angebot? Wo der Kaffee oder die Nudeln? All das war den Stapeln von Handzetteln und Heftchen zu entnehmen, die jede Woche ungefragt in den Briefkasten geworfen werden. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn die ersten Handelsketten wollen nun auf die traditionellen Prospekte verzichten – der Umwelt zur Liebe.

Viel Werbeprospekte landen ungelesen im Müll

Mehr als 28 Milliarden Werbeprospekte landen jährlich in den Briefkästen deutscher Haushalte: eine gigantische Papierflut, die oft ungelesen im Mülleimer landet. Laut der Deutschen Umwelthilfe werden für die Produktion der Prospekte jährlich 41 Milliarden Liter Wasser, 4,3 Milliarden Kilowattstunden Energie und 1,6 Millionen Tonnen Holz benötigt. Ressourcen, die einige Händler nun einsparen wollten.

Die Baumarktkette Obi verzichtet bereits seit Juni auf die gedruckten Werbeheftchen. „Die Herstellung und Bedruckung von Papier sowie die Verteilung der Prospekte kosten viel Energie, Chemie, Wasser und natürlich Bäume. Das passt nicht mehr in die heutige Zeit“, betonte das Unternehmen und verwies stattdessen auf die eigene App, die inzwischen von drei Millionen Kundinnen und Kunden heruntergeladen worden sei.

Einwurfwerbung
Die Deutsche Umwelthilfe will erreichen, dass Werbeprospekte nur noch bei Menschen landen, die sie haben wollen. Foto: Oliver Berg/dpa
deutsche presse agentur

Abschaffung der Werbeprospekte ist nicht ohne Risiko für Supermärkte

Und auch die Supermarktkette Rewe teilte am Mittwoch mit: „Zum 1. Juli 2023 wird der Druck und die Verteilung der Prospekte eingestellt.“ Statt auf Prospekte will der Konzern stärker auf digitale Kanäle und Anzeigen in klassischen Medien setzen. In einem ersten Schritt will Rewe ab Anfang August die Auflage der Prospekte um vier Millionen Stück senken.

Noch gehören Prospekte und Handzettel zu den am meisten verbreiteten Werbemitteln in Deutschland. Für die Händler sind sie ein besonders attraktives Werbemedium. „Sie werden aktiv konsumiert - und das macht sie für den Handel so wertvoll. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man mit Fernsehwerbung, Radiospots oder Online-Bannern berieselt wird und das mehr oder weniger unwillig über sich ergehen lässt“, meint Jens-Peter Gödde vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH).

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Neun von zehn Deutschen lesen gedruckte Werbeprospekte

Nach einer repräsentativen Umfrage von IFH Media Analytics lesen 90 Prozent der Menschen in Deutschland zumindest gelegentlich gedruckte Prospekte - gut drei Viertel aller Befragten sogar jede Woche. Auf Prospekte und Handzettel zu verzichten ist also für Handelsketten nicht ohne Risiko.

Dass ein Verzicht auf gedruckte Prospekte durchaus möglich ist, haben indes schon große Namen im Einzelhandel bewiesen. Der schwedische Möbelriese Ikea gab Ende 2020 das Aus für den gedruckten Ikea-Katalog bekannt. Der Versandhändler Otto stellte bereits 2018 die Produktion des zuletzt 656 Seiten dicken Otto-Kataloges ein. „Wir haben überhaupt nicht darunter gelitten. Es gab keine Umsatzeinbrüche“, zog ein Unternehmenssprecher in dieser Woche Bilanz. (jgr, mit dpa)