Ejakulat als Medizinprodukt - DAS sagt der Experte

Hilft Sperma wirklich gegen Migräne?

ARCHIV - 19.08.2011, Sachsen, Dresden: ILLUSTRATION - Eine Frau fasst sich an den Kopf. Kopfschmerzen sind laut einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts (RKI) in Deutschland weit verbreitet, am häufigsten sind Migräne und Spannungskopfschmerzen. (Zu dpa «RKI-Bericht: Kopfschmerzen weit verbreitet - Mehr Frauen mit Migräne») Foto: Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Die Wissenschaft hat festgestellt, das Sperma gute Substanzen enthält. Wirken die auch gegen Migräne?
oki soe wst gfh, dpa, Oliver Killig

Es enthält stimmungsaufhellende Dopamine und Endorphine, entzündungshemmende Prostaglandine, glücklich machendes Oxytocin und zellregenierendes Spermizid - Sperma hilft deswegen gegen Kopfschmerzen und Migräne, repariert Hautzellen, ist entzündungslindernd, ja fast ein Antibiotikum und überhaupt das beste und natürlichste Anti-Depressivum, das Frau oder Mann sich vorstellen kann. Immer wieder stoßen wir im Internet auf solche Behauptungen. Aber ist da überhaupt etwas dran? Wir haben mit Medizinjournalist Dr. Christoph Specht darüber gesprochen.

Hat uns die Natur da einen wahren Zaubersaft bereit gestellt?

Wer sich bei Google einmal alle angeblich positiv gesundheitlichen Wirkungen und sonstige Vorzüge des männlichen Ejakulats zusammen recherchiert, bekommt schnell den Eindruck: Hier hat die Natur uns wirklich einen wahren Zaubersaft zusammengebraut. Er macht Depressive wieder munter, pustet Migräne weg, wirkt gegen Halsschmerzen, macht die Haut schöner und wirkt sogar geradezu wie ein Antibiotikum. Oder steckt hier eine Verschwörung von Menschen mit der Vorliebe für Oralsex hinter?

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Wissenschaftler finden Substanzen

Doch all diese Meldungen sind ja nun einmal da, teilweise stecken angeblich auch hochwissenschaftliche Studien dahinter – ist also wirklich etwas dran am Sperma-Gesundbrunnen? „Wissenschaftler finden in irgendeiner Substanz oder in einem Produkt durch tolle neue Analysemethoden eine Substanz, von der man bereits weiß, dass sie in einer bestimmten Dosierung eine bestimmte Wirkung hat“, erklärt uns Dr. Christoph Specht, Arzt und Medizinjournalist. Daraus werde vorschnell geschlossen, dass diese Substanz, in diesem Falle Sperma, auch diese Wirkung habe. „Aber das ist natürlich Blödsinn“, so der Mediziner klipp und klar.

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Wirkt schmerzlindernd und stimmungsaufhellend?

Tatsächlich enthält Sperma zum Beispiel Dopamine und Endorphine, die wirksam gegen Depressionen sind. „Die sind tatsächlich in Sperma enthalten, aber erstens in viel zu niedriger Dosierung, zweitens bei oraler Aufnahme unwirksam.“ In Sachen Kopfschmerz und Migräne gibt es einen ganz anderen Zusammenhang: „Das weiß ja jeder, Sex kann schmerzlindernd und stimmungsaufhellend wirken, das ist nichts Besonderes“, so Specht. „Das hat dann aber nichts mit den Dopaminen und Endorphinen im Sperma zu tun.“

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Cremes, die Spermidin enthalten, sind wohl wirksam gegen Hautalterung - aber gilt das auch für Sperma?
Max, Max Chernishev, iStock

Viel zu geringe Konzentration

Auch in Sachen Prostaglandine, die im Sperma enthalten sind und entzündungshemmend wirken sollen, winkt der Mediziner ab: „Nein, die sind ja eigentlich Entzündungsmediatoren, spielen eine Rolle in der Entzündungskaskade – also nein“, so Specht eindeutig. Beim in Sperma enthaltenen Spermidin, das Zellreparaturprozesse unterstützen soll, ist demnach ebenso wenig zu holen: „Ja, Spermidin kann das tatsächlich“, so der Mediziner. Aber auch hier sei die Dosis viel zu gering.

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Eine Gurke enthält anteilig genau so viel Wasser wie Sperma.
Aleksei Lazukov, iStockphoto, iStock

Sperma ist eher wie eine Gurke

Denn woraus besteht Sperma in der Hauptsache? „Ganz unerotisch erst einmal aus 95 Prozent Wasser, wie bei einer Gurke“, erklärt uns Specht. „Dass der Hauptanteil aus Proteinen bestehe, wie viele glauben, stimmt nicht.“ Es sei zwar durchaus Eiweiß enthalten, aber es ist viel mehr Fructose drin, das dient als Treibstoff für die Spermien. Die anderen Substanzen wie Dopamine, Endorphine, Östrogene und so weiter haben eine so geringe Konzentration, dass da nichts wirken könne – schon gar nicht durch eine orale Aufnahme.

Sex ist auf jeden Fall gesund

Damit all diese Substanzen überhaupt eine Wirksamkeit erzielen könnten, müssten Sperma-Mengen eingenommen oder aufgetragen werden, die wir uns an dieser Stelle lieber nicht vorstellen wollen. Abgesehen davon, dass eine orale Aufnahme eh nichts bringt. „Dann ist es wahrscheinlich sinnvoller, eine Gurke zu essen oder Sex zu haben“, scherzt der Mediziner, „davon haben Sie auf jeden Fall mehr!“ (ija)