Gefährlicher Handel über beliebte Messenger-DiensteKoks-Taxen: Drogen in Berlin so leicht verfügbar wie nie

Das Kokain-Päckchen liegt unter dem Schaltknüppel – und wird durch eine einfache Bestellung per App frei Haus an Konsumenten geliefert: Koks-Taxen sind vor allem in der Hauptstadt ein Boom-Geschäft. In Berlin startete am Freitag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen ein Prozess gegen eine straff organisierte Drogenbande. Doch andere geschäftstüchtige Rauschgift-Händler der Szene machen unterdessen einfach weiter, wie unser Video zeigt. Die Polizei ist wegen ansteigender Zahlen alarmiert. Über beliebte Messenger-Dienste vertreiben die Banden ihre Drogen so einfach wie nie. Wenige Klicks ermöglichen den Koks-Kauf im Internet. Dabei muss sich der Konsument nicht mal ins Darknet einwählen.

MDMA, Koks, LSD und Cannabis per App bestellbar

Es braucht nur zwei Klicks und keinen Einladungslink, um sich in Messenger-Diensten in Gruppen für den Vertrieb von Drogen einzuklinken. MDMA, Koks, LSD und Cannabis: In einer Art Menü mit bunten Emojis können sich Kunden aussuchen, welches Rauschgift sie nach Hause geliefert haben möchten. Sogar Öffnungszeiten werden in den Chat-Gruppen hinterlegt. Sobald der Kunde seinen Lieferanten per Nachricht kontaktiert, bringt der Drogenhändler das illegale Päckchen bis vor die Haustür des Bestellers. Während die Masche schon in den letzten Jahren per Telefon beliebt war, haben Messenger-Dienste der Community jetzt zu einem Boom verholfen.

Olaf Schremm, Leiter des Drogendezernats der Polizei Berlin, kennt das perfide Prinzip, mit dem die Täter ihr Kokain verteilen: „Über eine zentrale Handynummer nehmen sie die Bestellungen entgegen.“ Auf Visitenkarten, die RTL vorliegen, geben die Verkäufer häufig an, Obsthändler zu sein. Mittlerweile gebe es aber auch einen regelrechten Hype durch den Vertrieb über Gruppen in Messenger-Diensten, berichtet der Polizist. „Sie führen die Auslieferungsfahrten dann selbst oder durch Mittäter durch und bringen die Drogen direkt zu den Kunden.“ Aber: „Die Täter kann man nicht auf eine bestimmte Community oder Ethnie beschränken.“ Es seien vielmehr zufällige Zusammenschlüsse von Menschen, die in kürzester Zeit möglichst viel Geld verdienen wollen.

Achtköpfige Drogenbande hatte klare Hierarchie

Über eine private Nachricht fragen Kunden das Produkt beim Lieferanten an
Über eine private Nachricht fragen Kunden das Produkt beim Lieferanten an
RTL

Im letzten Jahr haben die Ermittler acht Betreiber eines professionellen Kokain-Lieferservice hochgenommen – für die Beamten ein großer Schlag gegen die Szene. „Es dauert lange, die Hintermänner zu finden“, betont Olaf Schremm. Am Freitag hat der Prozess gegen die Angeklagten begonnen, die sich Ende Juli 2019 zusammengeschlossen haben sollen, um Koks mit dem Pkw auszuliefern. In nur dreieinhalb Monaten verkaufte die Bande laut Anklageschrift an insgesamt 92 Tagen bei 301 Lieferfahrten insgesamt fast 375 Portionen Kokaingemisch.

Bei einem Preis von etwa 40 Euro für einen halben Gramm haben die Angeklagten demnach einen Gewinn von etwa 15.000 Euro erzielt. In der Bande soll es eine klare Hierarchie zwischen Beschaffern, Lieferanten, Telefonisten und Fahrern gegeben haben. Einer der Täter soll in etwa 70 Fällen ausgeliefert haben, obwohl er keinen Führerschein besessen habe. Vor Gericht sagte einer der Fahrer am Freitag, dass er zehn Euro pro Auslieferung bekommen habe. Nur einer der acht Angeklagten sitzt aktuell in Untersuchungshaft.

Brisant: Zwei der Banden-Mitglieder gehören einem Clan aus Berlin an. Den Dealern wird auch der Besitz von halbautomatischen Waffen zur Last gelegt.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Berlin ist weiter im Koks-Rausch

Olaf Schremm
"Verbrechen soll sich nicht lohnen", sagt Drogendezernats-Chef Olaf Schremm
RTL

Doch mit der Zerschlagung des einen Anbieters ist den Berliner Drogen-Lieferanten längst nicht der Garaus gemacht – im Gegenteil: Im Vergleich zum Vorjahr hat die Polizei signifikante Anstiege bei Verfahren gegen Handeltreibende und Konsumenten verzeichnet – Drogenderzenats-Chef Schremm spricht von einem Anstieg von 10 Prozent. Der Ermittler erwartet, dass die Zahl weiter ansteigt. Er beteuert: „Wir wollen an das Geld, wir wollen es sicherstellen. Verbrechen sollen sich nicht lohnen.“

Kokain ist laut Polizei die Nummer zwei auf dem Markt hinter Cannabis. Die Droge sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen und werde sowohl von Büroangestellten, die unter Stress stehen, als auch von jungen Leuten auf Partys konsumiert, um lockerer zu werden. Wie groß das Problem mit dem weißen Pulver in der Hauptstadt inzwischen ist, zeigt auch eine Untersuchung des Abwassers durch eine europäische Beobachtungsstelle für Drogen. Demnach hat sich die Menge der nachgewiesenen Kokain-Rückstände in Berlin von 2014 bis 2018 fast verdoppelt. Laut aktuellen Zahlen der Bundesregierung haben Todesfälle durch Kokain, Amphetamine und synthetische Drogen haben in den letzten fünf Jahren von 143 auf 268 zugenommen.