Zusatzrenten für Abgeordnete sollen bleiben
EU-Luxusrenten-Fonds: Rettung vor Pleite mit Steuergeld geplant

Nach dem Korruptionsskandal um Eva Kaili erschüttert nun ein fragwürdiges Pensionssystem, das Ex-Parlamentariern Luxusrenten garantiert, die EU. Dem halb-privaten Fonds droht die Pleite. Damit Ex-Mitglieder künftig nicht leer ausgehen, fordern Profiteure die Rettung mit Steuergeldern. Das stößt auf harsche Kritik.
Erst ein Korruptionsskandal, nun ein Rentenskandal
Der Korruptionsskandal der ehemaligen Vize-Vorsitzenden des EU-Parlaments, Eva Kaili, ist kaum versiegt, da steht schon der nächste Eklat ins Haus: Ein freiwilliger Pensionsfond der Renten garantiert, von denen ein Großteil der Wähler wohl nur träumen kann. Trotzdem finanzieren sie die Luxusrenten ehemaliger Parlamentarier unwissentlich mit. Ein Hauch Transparenz kehrt erst jetzt ein, als die finanzielle Schieflage bekannt wurde. Zur Rettung soll weiteres Steuergeld herhalten.
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Das wird offenbar auch dringend benötigt, wenn man sich die Anzahl der Begünstigten anschaut. Mehr als 900 EU-Abgeordnete, genauer gesagt 905, sollen laut Recherchen von „Investigate Europe“ vom Parlamentsfonds profitieren. Darüber hinaus dürfen sich auch Witwen und Waisen früherer EU-Abgeordneter über Pensionszahlungen freuen.
Ein einst faires Modell wird ausgenutzt
Als „Freiwilliger Pensionsfonds des Europäischen Parlaments“ wurde die private Gesellschaft in den frühen Jahren des EU-Parlaments gegründet. Der damalige Fokus war allerdings noch ein anderer. Da nicht jeder Parlamentarier finanziell so abgesichert war, wie es heute der Fall ist, sollte allen teilnehmenden Abgeordneten eine faire Rente garantiert werden. Ein solidarisches System wurde über Jahrzehnte ausgenutzt – verheimlicht vor den Wählern.
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Doch wer hat überhaupt Anspruch auf die Luxusrente? EU-Parlamentsabgeordnete, die über zwei Jahre in den Fonds eingezahlt haben, erhalten bereits einen Zusatzrenten-Anspruch auf Lebenszeit. Der entspricht Zahlungen von teilweise mehr als 3.000 Euro im Monat. Die Pensionen, die die Abgeordneten ohnehin erhalten, kommt noch dazu. In der Spitze können EU-Abgeordnete somit knapp 13.700 Euro monatlich aus dem freiwilligen Pensionsfonds und ihrer regulären Abgeordnetenrente erzielen.
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So wurde ein Kapital angehäuft, das zu zwei Dritteln aus Steuergeldern stammt. Doch schon Ende des nächsten Jahres könnte damit Schluss sein. Denn schon jetzt droht ein Defizit von mehr als 300 Millionen Euro an Pensionsansprüchen. Deshalb soll der Steuerzahler wieder aushelfen.
Prominente Nutznießer und Fond-"Retter"

Auf der Liste sind auch Abgeordnete, die sich eher gegen den europäischen Gedanken aussprechen. Die Rechtsextreme Marine Le Pen wird sich ebenso wie der heutige EU-Kommissar Janusz Wojciechowski über eine üppige Zusatzrente freuen dürfen. Letzterer war übrigens Eu-Parlamentsvertreter für die rechtsnationale polnische PiS-Partei.
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Insgesamt sollen sich auch 15 Ex-EU-Parlamentarier unter den Begünstigten befinden. Ein prominenter Name ist Alexander Graf Lambsdorf. Der Liberale soll künftig Botschafter in Moskau werden. Es gibt allerdings auch deutsche Ex-EU-Abgeordnete, die auf ihren Anspruch verzichteten. So zogen sich unter anderem auch die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir freiwillig aus dem Fonds zurück
Der Skandal grätscht mitten in den Europawahlkampf
Ob und mit welchen Summen der Fonds nun gerettet werden soll, wird in den nächsten Monaten sicherlich hitzig diskutiert werden. Zumal der Europawahlkampf zunehmend in den Vordergrund rückt. Die Entscheidung um diese offenen Fragen trifft bislang das 20-köpfige Präsidium des Parlaments. Gänzlich unvoreingenommen dürfte das Gremium aber nicht sein.
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Unter den 20 Sitzen dürften bei mindestens zwei Mitgliedern die Stimme eindeutig ausfallen. Der Österreicher Othmar Karas und der Lette Roberts Zile sitzen im Vorstand des privaten Pensionsfonds.
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Neu ist das Szenario einer drohenden Pleite nicht. Schon 2004 konnte sich der Fonds finanziell nicht mehr tragen. Die Beiträge wurden verdreifacht – zu zwei Dritteln der Steuerzahler. Das Minus wurde größer. Der langjährige Europaausschussvorsitzende Gunther Krichbaum fordert deshalb im „Tagesspiegel“ ein gänzliches Ende der Luxus-Rente: "Im Zweifelsfall muss man den Fonds pleitegehen lassen." Sonst wiederholt sich das Szenario von 2004 erneut. (rdr)
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