Energietalk bei Anne Will – Bleiben AKWs doch länger am Netz?

Göring-Eckardt schließt Streckbetrieb von Atommeilern nicht aus

 Katrin Göring-Eckardt bei Anne Will 2022-07-24, Deutschland, Berlin. Katrin Göring-Eckardt Bündnis 90/Die Grünen, Bundestagsvizepräsidentin, zu Gast bei Anne Will im Ersten. Thema der ARD-Politik-Talkrunde: Weiter abhängig von Putins Gas - Wie schafft Deutschland die Energiewende *** Katrin Göring Eckardt at Anne Will 2022 07 24, Germany, Berlin Katrin Göring Eckardt Bündnis 90 Die Grünen , Bundestagsvizepräsidentin, zu Gast bei Anne Will im Ersten Thema der ARD Politik Talkrunde Weiter abhängig von Putins Gas Wie schafft Deutschland die Energiewende
Katrin Göring-Eckardt schließt einen sogenannten Streckbetrieb von Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus nicht aus.
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von Marko Schlichting

In der Ampelkoalition waren die Grünen bisher strikt gegen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Das könnte sich möglicherweise ändern. Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt schließt einen sogenannten Streckbetrieb von Atomkraftwerken in Deutschland über das Jahresende hinaus nicht aus.
Auf die Frage, ob die Grünen einen Streckbetrieb der Meiler zulassen würden, sagte sie am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“: „Wenn es dazu kommt, dass wir eine wirkliche Notsituation haben, dass Krankenhäuser nicht mehr arbeiten können, wenn eine solche Notsituation eintritt, dann müssen wir darüber reden, was mit den Brennstäben ist.“

Die Bombe platzt am Ende der Sendung

Es ist Sonntagabend, und zum letzten Mal vor der Sommerpause trifft sich in der ARD Talkerin Anne Will mit Gästen aus der Politik. Das Thema: Energiekrise. Es war ja auch eine Menge los in der letzten Woche. Russland hat seine Öllieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 wieder aufgenommen, für wie lange ist ungewiss.

Am Freitag unterbrach Bundeskanzler Scholz seinen Wanderurlaub im Allgäu, um anzukündigen, die Bundesregierung werde dem ins Straucheln geratenen Energieversorger Uniper unter die Arme greifen. Außerdem versprach er Hilfe für Bürger und Unternehmen in der aktuellen Energiekrise. "You'll never walk alone", zitierte er einen Song, den man sonst eher aus dem Fußballstadion kennt.

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"Wir haben ein Sonderproblem in Bayern"

Es ist die stellvertretende Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, die ein besonderes Problem anspricht, dass es in Bayern gibt. Dort haben die Menschen besondere Angst vor dem Winter. Zu lange hatte die Staatsregierung in München den Bau von Windkraftanlagen hinausgezögert. Dazu kommt ein geographisches Problem: Bayern ist weit entfernt von der Ostseepipeline Nord Stream 1, und auch die neuen LNG-Terminals sind in Norddeutschland. Deswegen bezieht Bayern sein Gas vor allem aus Österreich. Doch dort könnte man selber darauf angewiesen sein. In München setzen sich mittlerweile alle Parteien für eine Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Isar 2 in der Nähe des niederbayerischen Landshut ein. Die Grünen im Bund waren strikt dagegen. Bisher.

Aber das scheint sich zu ändern. Das Atomkraftwerk werde einem Stresstest unterzogen, sagt Göring-Eckardt. Das Sonderproblem in Bayern könnte dazu führen, "dass die Brennstäbe ausgebrannt werden müssen, damit man in Bayern über die Runden kommt." Darüber müsse man reden, wenn es dort zu einer wirklichen Notsituation käme. Journalistin Petra Pinzler von der "Zeit" übersetzt: "Von den drei Kraftwerken werden (Ende 2022) zwei abgestellt, Isar 2 wird weiterlaufen." Göring-Eckardt schweigt.

Doch ihr Koalitionskollege Alexander Graf Lambsdorff von der FDP redet. Er ist sichtlich überrascht. Deswegen kommen seine Sätze nicht so druckreif rüber wie sonst. "Ich sehe es bei den Partnern so, dass eine Offenheit da ist, die Dinge zu kontrollieren", sagt er. Und weiter: "Wenn es nötig sein sollte, entnehme ich den Äußerungen, dass da der Streckbetrieb vermutlich möglich gemacht werden würde, was keine leichte Sache ist politisch betrachtet, aber für die Energieversorgung dieses Landes richtig ist."

Auch Norbert Röttgen von der CDU scheint erleichtert, geht aber gleich noch einen Schritt weiter. Warum könnten nicht gleich alle noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke weiterlaufen, sinniert er.

Das AKW in Bayern kann aber nicht einfach so weiter laufen. Es müsste im Streckbetrieb betrieben werden. Man muss sich das wie bei einem Handy vorstellen, bei dem der Akku bald leer ist. Das Kraftwerk müsste jetzt abgeschaltet werden. Dann könnte es noch einmal durchstarten, wenn die Energie knapp wird, also wenn zum Beispiel Krankenhäuser nicht mehr richtig geheizt werden könnten. Das erklärt etwas verschlüsselt auch Katrin Göring-Eckardt so. Anders als einen Handy-Akku kann man aber Brennstäbe in einem Atomkraftwerk nicht wieder aufladen.

"Die Menschen wissen, was die Stunde geschlagen hat"

 Alexander Graf Lambsdorff bei Anne Will 2022-07-24, Deutschland, Berlin. Alexander Graf Lambsdorff FDP, Stellv. Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, Bundestagsvizepräsidentin, zu Gast bei Anne Will im Ersten. Thema der ARD-Politik-Talkrunde: Weiter abhängig von Putins Gas - Wie schafft Deutschland die Energiewende *** Alexander Graf Lambsdorff at Anne Will 2022 07 24, Germany, Berlin Alexander Graf Lambsdorff FDP , Stellv Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, Bundestagsvizepräsidentin, zu Gast bei Anne Will im Ersten Thema der ARD Politik Talkrunde Weiter abhängig von Putins Gas Wie schafft Deutschland die Energiewende
Alexander Graf Lambsdorff bei Anne Will: "Die Menschen wissen, was die Stunde geschlagen hat."
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Jetzt sei für alle wichtig, Energie zu sparen. Das hätten viele Menschen schon gemerkt, sagt Göring-Eckardt. "Versuchen Sie mal, in einem Baumarkt einen Sparduschkopf zu kriegen", sagt sie. Und auch Graf Lambsdorff ist sicher: "Die Menschen wissen, was die Stunde geschlagen hat." Der FDP-Politiker kann sich aber weitere Unterstützung für die Bürger vorstellen. Er findet, die Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr könnten grundsätzlich gesenkt, die Pendlerpauschale schon ab dem ersten Kilometer berechnet werden. Nur ein von den Grünen gefordertes generelles Tempolimit lehnt er ab: Symbolpolitik.

Doch selbst CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagt, er habe gegen ein Tempolimit grundsätzlich nichts einzuwenden. So könnten die Menschen in Deutschland immer daran erinnert werden, dass wir in einer Krise stecken, meint er. Da ist dann auch Göring-Eckardt überrascht.

Sie weiß zumindest, dass schwere Zeiten auf uns zukommen. Das könne der Staat nicht alles alleine ausgleichen. "Ich finde, man muss ehrlich sein und sagen: Das machen wir als Mann- und Frauschaft", sagt sie.

Eben. "You'll never walk alone."

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