Expertin spricht von „massiver psychischer Gewalt"Wie grausam können Eltern sein? Sohn vor Kinderheim ausgesetzt - als Erziehungsmethode!

Diese Geschichte zerreißt einem das Herz! In Sachsen wurde ein Junge (8) von seinen Eltern vor einem Kinderheim ausgesetzt, vermutlich als Bestrafung dafür, dass er heimlich geklaut haben soll. Wie sehr eine solche Situation Kinder prägt, erklärt eine Expertin.
Kind aussetzen und bestrafen - für die Expertin eindeutig „massive psychische Gewalt"
Am 10. August sehen Mitarbeiter des DRK-Kinderheims in Dorfhain in Sachsen plötzlich einen schluchzenden Jungen am Tor stehen. Eine Erzieherin beobachtet in letzter Minute, so heißt es in der Sächsischen Zeitung, wie ein weißer Transporter wegfährt und dann gänzlich verschwindet.
Danach widmet sich die Erzieherin sofort dem weinenden Kind und fragt es: „Wer bist du und wo sind deine Eltern?“ Laut einem Gedächtnisprotokoll soll der etwa 8-Jährige geantwortet haben: „Ich habe etwas geklaut, meine Eltern haben gesagt, dass ich jetzt im Kinderheim bleiben muss.“ Er soll heimlich Sammelkarten beim Einkaufen eingesteckt haben. DRK-Sprecher Kai Kranich (41) bestätigt den Vorfall gegenüber der Bild. Die Mutter habe den Jungen kurz darauf wieder abgeholt. Aktuell ermittelt die Polizei, es liege eine Online-Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung vor.
Einem Kind drohen, es bestrafen und einfach stehen lassen – eine Erziehungsmethode, die an vergangene Jahrzehnte erinnert. Was das mit einem Kind macht, ist kaum auszumalen.
„Wir haben es hier mit massiver psychischer Gewalt zu tun“, sagt die systemische Familienberaterin Ruth Marquardt im RTL-Interview. „Ein Kind fühlt sich in einer solchen Lage maximal bedroht. Es hat das Gefühl, allein und verlassen auf dieser Welt zu sein, denn Kinder in diesem Alter können weder wirtschaftlich noch emotional für sich selbst sorgen – und das wissen sie unterbewusst“, so die Expertin.
Ebenfalls problematisch: „Ihr bewusster Verstand ist gleichzeitig aber noch nicht so weit entwickelt, dass sie sich sagen können: ‘Ach, kein Problem, die werden schon wieder kommen.’. Es ist daher gut möglich, dass das Kind dadurch nachhaltig traumatisiert ist.“
Lese-Tipp: Erziehung: 9 Elternsätze von früher, die heute undenkbar und oft sogar strafbar wären
Im Video: Sexualisierte Gewalt an Kindern verhindern
Was jetzt zu tun wäre, um ein Trauma zu verhindern
Anstatt ihrem Kind Sicherheit zu geben, werde es von seinen Eltern bestraft. Das wiederum kann für die weitere Entwicklung, bis ins Erwachsenenalter hinein, dramatische Folgen haben, erzählt Marquardt. „Eine solche Erfahrung ist traumatisch, weil das Kind etwas erlebt, das zu viel, zu schnell und zu plötzlich geschieht und es somit überfordert. Unser menschliches Nervensystem kann diesen gefühlten Schockzustand nicht sofort verarbeiten.“
Folgen eines solchen Traumas von Verlassensein können zum Beispiel Schlafstörungen oder generelle Verlustängste – auch in späteren Beziehungen – sein. Das innere Gefühl von Sicherheit und Geliebtwerden könne gänzlich verschwinden.
Lese-Tipp: „Wenn du dein Zimmer nicht aufräumst, dann…" Was emotionale Erpressung bei Kindern anrichten kann
Wird diese Erfahrung nicht aufgearbeitet oder durch die Eltern „geheilt“, indem sie sich entschuldigen, könne das Kind noch eine Weile unter den Folgen leiden. „Hier ist aber jede Psyche anders. Wir alle haben vielleicht als Kinder die Erfahrung von Alleinsein gemacht, ob als Scheidungskinder oder durch Bestrafung. Das geht nicht spurlos an uns vorüber, lässt sich aber auch im Erwachsenenalter noch heilen“, sagt die Expertin.
In diesem Fall wäre es wichtig, Eltern und Kind gemeinsam therapeutische Unterstützung anzubieten.
Ihre Meinung ist gefragt!
Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.
Kind entsprechend bestrafen: Wie macht man es besser?
Ihr Kind hat geklaut oder eine andere Dummheit begangen? Dass Eltern davon wenig begeistert sind, liegt auf der Hand und eine Lektion will erteilt werden. Nur wie?
„Dass die Eltern ihre Drohung wahrmachen und das Kind ins Kinderheim stecken wollen, zeigt leider ihre Überforderung. Und bei Überforderung sehen wir häufig, dass Eltern Erziehungsmethoden anwenden, die sie selbst als Kinder erfahren haben“, erklärt die Familienberaterin.
Es gilt:
Die bedingungslose Liebe der Eltern darf nicht entzogen werden, auch wenn das Kind Mist gebaut hat. Man muss zwischen der Tat und dem Menschen unterscheiden.
Was die Eltern hätten besser machen müssen?
Ruth Marquardt sagt: „Sie hätten das Kind zu sich nehmen können, erklären können, wieso Stehlen nicht in Ordnung ist. Sie hätten das Kind fragen müssen, wieso es überhaupt klaut, denn oft tun Kinder etwas aus Mangel. Und dann ist es wichtig Spielregeln und Konsequenzen aufzuzeigen – und diese einzuhalten. Aber alles in einem liebevollen Ton!“