Angeklagt wegen Beihilfe zu 11.000 Morden Opfer flehen: Ehemalige KZ-Sekretärin (97) soll vor Gericht in Itzehoe endlich ihr Schweigen brechen

05.12.2022, Schleswig-Holstein, Itzehoe: Die Angeklagte Irmgard F. sitzt zu Beginn des Prozesstages im Sitzungssaal. Der Prozess gegen die ehemalige KZ-Sekretärin vor dem Landgericht Itzehoe wird mit den Plädoyers der Vertreter der Nebenklage fortgesetzt. Der 97-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen zur Last gelegt. Foto: Marcus Brandt/dpa POOL/dpa - ACHTUNG: Die Angeklagte wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
Irmgard F. am Montag vor dem Landgericht Itzehoe.
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von Nicole Ide und Annalena Antzar

Für die Opfer ist das Verhalten von Irmgard F. im Prozess in Itzehoe kaum zu ertragen, obwohl sie die ehemalige Sekretärin des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig in ihren Plädoyers inständig bitten, ihr Schweigen zu brechen, sagt diese seit 14 Monaten vor Gericht kein Wort.

Ehemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. schweigt seit 70 Jahren

Immer wieder schließt Irmgard F. während der Plädoyers am Montag vor dem Landgericht Itzehoe die Augen. Will sie sich damit vor der harten Realität schützen, die ihr im Saal entgegen schlägt? „Sie waren ein Handlanger des Bösen“, beschreibt Onur Özata die Angeklagte. Er ist einer von insgesamt 15 Nebenklagevertretern im Prozess. „Ich habe an sie appelliert, dass sie ihr Schweigen brechen können“, ergänzt Özata weiter. „Keine Strafe, die möglich ist, wird dem gerecht, was da passiert ist“, so Günther Feld, ebenfalls Anwalt eines der Opfer. „Die Angeklagte hat über 70 Jahre geschwiegen und die Opfer haben 70 Jahre gelitten und leiden heute noch“, sagt Christoph Rückel, Vertreter der Nebenklage.

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Nebenklage: Irmgard F. „Rädchen im Mordapparat“

05.12.2022, Schleswig-Holstein, Itzehoe: Rechtsanwalt Christoph Rückel, Vertreter der Nebenkläger, bereitet sich im Sitzungssaal auf den Prozesstag vor. Der Prozess gegen die ehemalige KZ-Sekretärin vor dem Landgericht Itzehoe wird mit den Plädoyers der Vertreter der Nebenklage fortgesetzt. Der 97-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in über 11.000 Fällen zur Last gelegt. Foto: Marcus Brandt/dpa POOL/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Rechtsanwalt Christoph Rückel, Vertreter der Nebenkläger spricht sich gegen eine Bewährungsstrafe aus.
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Die Staatsanwältin Maxi Wantzen fordert eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Da die Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat 18 bzw. 19 Jahre alt war und somit Heranwachsende im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Einigen Nebenklagevertretern reicht das jedoch nicht aus. Die Angeklagte habe da freiwillig gearbeitet. „Sie war ein Rädchen im Mordapparat“, so Rückel, der gleich sechs Opfer vertritt. „Eine Bewährung kommt für mich nicht in Frage. Das ist das falsche Signal.“

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Es geht um Hilfe zur systematischen Tötung

Die Angeklagte soll Beihilfe zum Mord und versuchten Mord in rund 11.000 Fällen geleistet haben. Irmgard F. soll in ihrer Funktion als Stenotypistin und Schreibkraft in der Lagerkommandatur des ehemaligen Konzentrationslagers Stutthof zwischen Juni 1943 und April 1945 den Verantwortlichen des Lagers bei der systematischen Tötung von Inhaftierten Hilfe geleistet haben. Am Dienstag (6.12.) plädieren die Verteidiger von Irmgard F. und am 20. Dezember soll das Urteil fallen.