"Das alte Leben ist nicht mehr da"
Von der Politik fühlen sie sich alleine gelassen: So geht es Menschen mit Corona-Impfschäden
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von Philipp Sandmann
„Ich habe im Mai 2021 entschieden, mich impfen zu lassen und hatte vorher ein schönes Leben. Es hatte eigentlich gerade für mich angefangen…“
So beschreibt Felicia Binger ihre Situation vor der Corona-Impfung. Die junge Frau (im Video), von Beruf Schauspielerin, will weiter sprechen, doch sie muss abbrechen. Zu emotional ist der Moment für sie. Nach ein paar Sekunden fängt sie sich wieder: „Es war sozial alles in Ordnung, es war beruflich alles in Ordnung, ich war gesund, konnte wahnsinnig viel arbeiten und danach hat sich mein komplettes Leben verändert.“
Etwa 192 Millionen Impfdosen sind in Deutschland bis heute gegen das Coronavirus verabreicht worden. Bei den allermeisten Menschen hatte die Impfung keine Nach- oder Nebenwirkungen. Bei Felicia Binger lief es anders. Sie ist nach der Corona-Impfung krank geworden. Binger ist mit „ME/CFS“ diagnostiziert worden, dem sogenannten „Chronischen Fatigue Syndrom.“
Heute sagt sie: „Ich muss mich täglich entscheiden: Gehe ich duschen oder mache ich mir was zu essen? Für beides ist die Kraft nicht mehr da. Meine Akkus werden einfach nicht mehr voll.“
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"Tritt in 0,02 Prozent der Impfungen auf"
Laut Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sind bis zum 31.10.2022 insgesamt 943 Verdachtsmeldungen von Krankheitsfällen aufgrund der Covid-Impfung, auch „Post-Vac-Syndrom“ genannt, eingegangen. Hinzu kommen 50.833 Verdachtsfälle von schwerwiegenden Nebenwirkungen, schreibt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage von RTL.
Im Vergleich zu den vielen Millionen verabreichten Impfungen sind die Zahlen also sehr gering. Der Epidemiologe Prof. Timo Ulrichs erklärt es im Gespräch mit RTL so: „Die Häufigkeit im Vergleich zu Long-Covid ist sehr viel kleiner. Es ist so, dass wir bei 10 bis 20 Prozent aller Infektionen mit dem Coronavirus Long-Covid Verläufe beobachten, aber bei den Impfungen tritt das nur in 0,02 Prozent der Impffälle auf.“
Trotzdem bleibt die Bundesregierung mit Blick auf die genauen Zahlen der Betroffenen noch vage. In einer Antwort des BMG aus dem vergangenen Jahr heißt es: „Der Bundesregierung liegen dazu keine Erkenntnisse vor.“
Auch deswegen fordert Ulrichs eine tiefgreifende Erforschung des Problems, damit Betroffene wie Felicia Binger auch die nötige Unterstützung bekommen können: „Wir tappen noch ziemlich im Dunkeln, wie man damit richtig umgeht. Ähnlich im Dunkeln, wie bei Long- oder Post-Covid. Denn das ist etwas, was wir jetzt noch als Nachwirkungen der gesamten Pandemie bewältigen müssen und wir haben so gut wie keinen Ansatz, diesen Menschen richtig gut zu helfen.“
"Es ist ein politisches Thema"
Viele der Betroffenen leiden auch deswegen, weil sie als sogenannte Impf- oder Coronaleugner verunglimpft werden oder ihnen vorgeworfen wird, sie würden die Impfnebenwirkungen nur erfinden. Binger, die in den sozialen Medien offen über das Thema spricht, bekommt Hassbotschaften, aber auch Unterstützung von anderen Menschen, die sich alleingelassen fühlen.
„Es ist ein politisches Thema, wenn man sagt, dass man krank ist nach der Impfung. Eigentlich sind wir alle einfach nur kranke Menschen, die dringend ärztliche Hilfe brauchen“, sagt Binger.
Eine Anlaufstelle für Betroffene von Impfnebenwirkungen ist die Uniklinik Marburg. Der zuständige Arzt, Prof. Bernhard Schieffer, sagte gegenüber RTL: „Wir brauchen eine Versorgungsstruktur für diese Patienten, wir brauchen eine Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft, dass sich Menschen haben impfen lassen und loyal gegenüber der Gesellschaft waren.“
Auch Schieffer fordert von der Politik Geld und Strukturen, um die Forschung des „Post-Vac-Syndroms“ voranzutreiben: „10 Zentren, 10 Jahre, 10 Millionen für klinische und experimentelle Forschung, deutschlandweit gestreut und digital vernetzt, damit wir diese Patienten, die jetzt leiden – sowohl nach Impfung als auch nach Infektion – wieder in die Arbeit zurückbekommen.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollte sich auf mehrfache Anfrage von RTL nicht zu dem Thema äußern.
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