Die Wahrheit über Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in Deutschland

BKA-Kriminalstatistik: Mehr als 46 Kinder werden jeden Tag Opfer sexueller Gewalt

ARCHIV - ILLUSTRATION - Schatten von Händen einer erwachsenen Person und dem Kopf eines Kindes an einer Wand eines Zimmers am 12.01.2014 in Frankfurt (Oder) (Brandenburg). Bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gibt es keine Entwarnung. (zu dpa "Neue Umfrage: Keine Entwarnung beim Thema sexuelle Gewalt" vom 15.03.2017) Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die Corona-Pandemie hat vermutlich zu einem Anstieg der Fallzahlen bei Gewalt gegen Kindern geführt.
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Die schlimmsten Befürchtungen sind nun eingetreten. Seit dem Corona-Lockdown warnen Kinderschützer und Ärzte, dass Kinder und Jugendliche bei all den Maßnahmen mehr und mehr aus dem Fokus geraten. Die Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik, die heute in Berlin vom Präsident des Bundeskriminalamts, gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung vorgestellte wurden, lassen ebenfalls tief blicken. In den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl der geschlagenen, getöteten oder sexuell missbrauchten Kinder in Deutschland verdreifacht. Und das sind nur die Taten, die offiziell als Straftat registriert wurden. Die Dunkelziffer liegt wohl noch viel höher.

Mehr als 46 Kinder werden täglich Opfer sexueller Gewalt

Es sind Nachrichten, die einen nur betroffen machen: Die Polizei ermittelt so intensiv wie nie und doch werden in Deutschland immer noch Tausende Kinder misshandelt und missbraucht. 2020 gab es mehr Übergriffe auf Kinder als im Jahr zuvor. Die angezeigten Missbrauchstaten stiegen um rund 1.000 Fälle. Jeden Tag werden mehr als 46 Kinder Opfer von sexueller Gewalt. Das sei ein Anstieg von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sagte BKA-Präsident Holger Münch.

Auch die Zahl der Misshandlung an Schutzbefohlenen steigt um 10 Prozent auf 4.918 Fälle, Kindesmissbrauch stieg demnach um 6,8 Prozent auf über 14.500 Fälle. Um satte 53 Prozent wuchs die Zahl erfasster Fälle von Herstellung, Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie auf insgesamt 18.761 Fälle.

Die Taten ereigneten sich nicht alle im vergangenen Jahr, wie Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), erklärte. Die Statistik ist eine Ausgangsstatistik, erfasst also die Fälle zu einem Zeitpunkt, an dem die Polizei ihre Bearbeitung abschließt. So sei mehr als ein Viertel der erfassten Straftaten nicht 2020, sondern bereits davor geschehen. Zudem gebe es eine hohe Dunkelziffer. Ein direkter Zusammenhang zwischen den gestiegenen Zahlen und der Corona-Pandemie sei auch deswegen nicht belegbar, so Münch.

Das sind die Zahlen der Kriminalstatistik im Corona-Jahr

26.05.2021, Berlin: Holger Münch (r), Präsident des Bundeskriminalamts, und Johannes-Wilhelm Rörig, Bundesbeauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, stellen die Zahlen kindlicher Gewaltopfer aus der Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 vor. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts, und Johannes-Wilhelm Rörig (li.), Bundesbeauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, stellen die Zahlen kindlicher Gewaltopfer aus der Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 vor.
nie cul, dpa, Kay Nietfeld
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Zahlen "unerträglich" - 152 Kinder wurden letztes Jahr in Deutschland getötet

Laut den offiziellen Zahlen des BKA ist die Zahl der Tötungen von Kindern im vergangenen Jahr gegenüber 2019 ebenfalls deutlich gestiegen um 40 auf 152 Fälle. 115 Opfer waren jünger als sechs Jahre. Die Misshandlungen von Kindern, also körperliche und psychische Gewalt ohne sexuelles Motiv, nahmen 2020 laut Statistik um zehn Prozent auf knapp 5000 Fälle zu. Johannes-Wilhelm Rörig, der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, nannte die Zahlen „unerträglich“. Dahinter stehe „zehntausendfaches Leid von Kindern und Jugendlichen“.

Mit den großen Fallzahlen sind Jugendämter, Polizei und Justiz überfordert. Denn um dem Problem intensiver nachzugehen, wären viel mehr Leute nötig. Die meisten Delikte gegen Kinder, Misshandlungen und sexueller Missbrauch, geschehen jedoch fernab der öffentlichen Wahrnehmung. Häufig schlagen Eltern oder andere Verwandte die Kinder. Auch Missbrauch geschieht in Familien. Die Täter werden oft nicht angezeigt.

(dpa/kra)