Welche Produkte betroffen sind
Ab 1. März ist Schluss! Discounter Lidl kündigt weitreichende Neuerung an
Vom Kinderpudding mit Smarties bis zum Frühstückskakao mit lustigem Bärchen drauf – ungesunde Lebensmittel für Kinder sind ein Milliardengeschäft und werden deshalb auch kräftig beworben. Gesundheitsexperten ist die Zusammensetzung der Produkte aus zu viel Zucker, Fett und Salz hingegen längst ein Dorn im Auge, sie fordern seit Jahren ein Umdenken von Handel und Industrie. Lidl übernimmt dabei nun offensichtlich eine Vorreiterrolle: Am 10. Januar 2023 kündigte der Discounter an, ab dem 1. März keine auf Kinder abzielende Werbung für ungesunde Lebensmittel mehr zu machen.
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Bald nur noch gesunde Lebensmittel in attraktiver Verpackung
„Lidl setzt damit als erster deutscher Lebensmitteleinzelhändler eine entsprechende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um“, teilte der Discounter mit. Bis Ende 2025 will der Konzern außerdem nur noch solche Lebensmittel in für Kinder attraktiver Verpackung verkaufen, die die WHO-Kriterien für gesunde Nahrung erfüllen. Die Verpackungen würden Schritt für Schritt umgestellt. „Da eine Fehlernährung im Kindesalter das Risiko ernährungsbedingter Erkrankungen im Erwachsenenalter erhöht, ist die Bewerbung gesunder Lebensmittel und der Verzicht von Werbung ungesunder Lebensmittel bis zum 14. Lebensjahr zentral für die Gesundheit“, heißt es in einer Präsentation des Unternehmens.
Dennoch soll es Ausnahmen von der neuen Regelung es geben: Für Aktionsartikel zu Weihnachten, Ostern oder Halloween – also etwa für Schokoladen-Weihnachtsmänner oder Osterhasen.
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Verbraucherorganisation Foodwatch: Handel sollte dem Beispiel von Lidl folgen
Das Wissenschaftsbündnis Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten lobte, Lidl gehe „deutlich über die Selbstverpflichtungen anderer Hersteller und Einzelhändler hinaus“. Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte die Wettbewerber auf, dem Beispiel von Lidl zu folgen. „Das ist angesichts grassierender Fehlernährung bei jungen Menschen mit zum Teil tödlichen Folgen ein wichtiger, aber auch längst überfälliger Schritt“, sagte Luise Molling von Foodwatch. Von Aldi, Rewe und Edeka war zunächst keine Reaktion zu erhalten.
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Studien: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind übergewichtig
Wissenschaftliche Studien zufolge sind aktuell etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Dies kann im späteren Leben zu Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkproblemen, Bluthochdruck und Herzerkrankungen führen.
„Zahlreiche Produkte mit Kinderoptik zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie reichlich Zucker, Fett und Zusatzstoffe enthalten - und häufig auch deutlich teurer sind“, kritisierte erst kürzlich der Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Dabei ist die Problematik nicht auf die Eigenmarken der Handelsketten beschränkt. Eine Untersuchung von 283 Lebensmittelprodukten führender Markenhersteller durch Foodwatch ergab 2021, dass 85,5 Prozent der gezielt für Kinder beworbenen Produkte gemessen an den WHO-Standards zu viel Zucker, Fett und/oder Salz enthielten. Das Ergebnis sei damit trotz einer Selbstverpflichtung der Industrie zur freiwilligen Zuckerreduktion kaum besser ausgefallen als im Jahr 2015. Und auch seit 2021 seien nur wenige Fortschritte zu erkennen, urteilte ein Foodwatch-Sprecher.
Die Markenhersteller sehen das naturgemäß anders. Der Konsumgüterriese Unilever (Langnese, Knorr) betonte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, er habe bereits im April vergangenen Jahres die Vermarktung und Werbung von Lebensmitteln und Getränken an Kinder unter 16 Jahren sowohl für traditionelle Medien als auch für Social Media eingestellt. Der Lebensmittelkonzern Mondelez, bekannt unter anderem für die Marken Milka und Oreo, teilte mit, er halte sich in Deutschland bei all seinen Werbemaßnahmen an die Selbstverpflichtung, „keinerlei Werbung zu schalten, die das Ziel hat, Kinder unter 14 Jahren zu erreichen“. Auch Wettbewerber Danone betonte: „Wir unterstützen Regelungen in diese Richtung.“ Produkte wie die Fruchtzwerge „weniger süß“ hielten die Nährwert-Kriterien der WHO heute bereits ein, sagte eine Unternehmenssprecherin.
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Länder fordern Junkfood-Werbeverbot für Kinder
Doch das bisherige Engagement der Branche überzeugt längst nicht alle Kritiker, auch die Bundesregierung hat das Thema inzwischen auf ihre Tagesordnung gesetzt. Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es im Kapitel Ernährung: „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.“ Auch die Verbraucherschutzminister der Länder hatten bereits 2022 ein Junkfood-Werbeverbot für Kinder gefordert.
Bei großen Teilen der Bevölkerung würden striktere Regeln für ungesunde Kinderprodukte wohl offene Türen einrennen. Bei einer Umfrage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen befürworteten 83 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher Obergrenzen für Zucker, Fett und Salz bei Lebensmitteln, die sich in Aufmachung und Gestaltung an Kinder richten. (dpa/dhe)