Das Elend am Drogen-Hotspot Leopoldplatz22.000 benutzte Spritzen an einem einzigen Platz in Berlin

Eine benutzte Spritze liegt am Leopoldplatz in Berlin direkt neben einem Spielplatz.
Eine benutzte Spritze liegt am Leopoldplatz in Berlin direkt neben einem Spielplatz.
RTL
von Vivian Bahlmann, Nele Balgo und Kathrin Gräbener

Mittwochnachmittag am Leopoldplatz in Berlin-Wedding. Wie groß das Drogenproblem hier ist, sehen unsere Reporterinnen direkt als sie ankommen. Etwa 50 Abhängige versammeln sich rund um den Platz und konsumieren Drogen in der Öffentlichkeit. Nur wenige Meter entfernt befindet sich ein Spielplatz, auf dem Kinder nach der Schule und Kita spielen. Im Gebüsch finden wir eine benutzte Spritze – eine Gefahr für Kinder, finden die Eltern. Im Sandkasten liegen zwar keine Spritzen, aber mehrere Verpackungen von Drogen.
Rund 22.000 benutzte Spritzen haben Drogenabhängige im vergangenen Jahr irgendwo im öffentlichen Raum rund um den Leopoldplatz liegen gelassen haben. Etwa 9100 Spritzen sind in dafür vorgesehenen Sammeleimern gelandet, bestätigt das Bezirksamt Berlin-Mitte gegenüber RTL.

Mutter rief schon mehrfach die Polizei

In einem öffentlichen Pissoir am Leopoldplatz bereiten sich gerade fünf Männer mit einem Feuerzeug Heroin vor, eine gefährliche Droge, die schwer abhängig machen kann. „Das Pissoir ist längst keine öffentliche Toilette mehr“, sagt Sven Dittrich, der einen Trödelladen am Platz betreibt.

Für eine besorgte Mutter, die gerade mit ihren Kindern unterwegs ist, nimmt der Drogenkonsum hier mittlerweile Überhand. „Ich habe schon oft die Polizei gerufen, aber die können nichts machen.“ Die Drogenabhängigen würden von der angrenzenden Kirche geduldet, wurde ihr gesagt. Viele Eltern wollen vor der Kamera nicht mit uns sprechen, ihre Angst öffentlich wiedererkannt zu werden ist groß. Interviews seien schon zurückgezogen worden, weil Dealer Anwohner eingeschüchtert hätten.

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Sven Dittrich von der Initiative "Wir am Leo" will, dass der Platz wieder ein Ort für alle wird.
Sven Dittrich von der Initiative "Wir am Leo" will, dass der Platz wieder ein Ort für alle wird.
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Abhängige konsumieren auch in Hausfluren

Direkt an der Kirche - wo sich Abhängige sonst einen Heroin-Schuss setzen – sitzt heute niemand. Die Polizei sei da gewesen und hätte den Konsumenten den Stoff weggenommen, erklärt Sven Dittrich, der auch die Initiative „Wir am Leo“ leitet. Zwar ist der Leopoldplatz schon immer für Drogen bekannt gewesen, mittlerweile seien es aber zu viele Abhängige geworden und die Drogen hätten sich verändert. Ursprünglich sei es vor allem Alkohol gewesen, dazu etwas Gras, hin und wieder Heroin. Jetzt gebe es aber auch Crack und Kokain, erklärt Dittirch RTL. „Nicht selten ist es so, dass die KonsumentInnen hier auf dem Weg, im öffentlichen Raum Hosen runterlassen und irgendeine Vene suchen zum spritzen, direkt neben dem Spielplatz.“ Im Winter passiere das auch in den Hausfluren.

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Anwohner meiden den Leopoldplatz

Neben dem Drogenkonsum kommt es an dem bekannten Platz in Berlin-Wedding aber auch zu Gewaltausschreitungen. Als unser Team vor Ort ist, geraten zwei Drogenabhängige aneinander, es gibt eine Prügelei, dann kommt die Polizei – mitten am helllichten Tag. Viele Anwohner meiden den Platz deshalb mittlerweile. „Abends sieht man die ganzen Leute von dem Park aus, dass sie an Autos rangehen und versuchen einzudringen“, erzählt uns der 19-jährige Marko. Wenn ihn abends Freunde besuchen, die nur wenige Straßen weiter wohnen, würde er sie nach Hause bringen. „Sonst wird hier mit Steinen rum geworfen auf die, mit Glasflaschen. Es ist auf jeden Fall hart.“ Marko setzt sich mit seinen Freunden nicht auf die Grünflächen rund um den Drogen-Hotspot, auch wenn sie das im Sommer eigentlich auch gern tun würden. Schließlich ist der Leopoldplatz auch ihr zu Hause.

Weil es vielen so geht wie ihm, will die Initiative „Wir am Leo“, dass ein Gleichgewicht hergestellt wird und der Leopoldplatz wieder ein Platz für alle wird. Verdrängen wollen sie die Drogenabhängigen nicht. „Verdrängt werden sollen hier Verhaltensweisen, die durch Drogenkonsum entstehen“, findet Sven Dittrich. Damit ein Nebeneinander irgendwie möglich ist, sei noch mehr Polizeipräsenz nötig. Das Bezirksamt möchte jetzt das Angebot der Drogenhilfe Fixpunkt e.V. am Leopoldplatz aufstocken. Momentan geben sie dort z.B. saubere Spritzen an Drogenkonsumenten aus und kümmern sich um die Reinigung des Platzes. Zusätzlich soll bald ein Drogenkonsummobil eingesetzt werden. Die Anwohner hoffen darauf, dass sie sich bald am Leopoldplatz auch wieder wohlfühlen können.

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