Zwei Expertinnen geben Antworten Hat das Böse ein Geschlecht? Warum Mörder meistens männlich sind

Sind Frauen die besseren Menschen? Ist das Testosteron an allem schuld?
Es sind provokative Fragen, aber die Kriminalstatistik zeigt, dass Frauen deutlich seltener kriminell und gewalttätig werden als Männer. Warum werden Männer häufiger zu Mördern? Prof. Dr. Gina Rosa Wollinger und Dr. Nicole Bögelein erklären im RTL-Interview mögliche Hintergründe.
Charaktereigenschaften und soziales Umfeld haben großen Einfluss

Laut der Kriminalstatistik sind Frauen nur für ein Viertel aller Taten in Deutschland verantwortlich. Bei schweren Tötungsdelikten treten Frauen in der Statistik im Hell- und Dunkelfeld fast gar nicht auf. Könnte es an der Biologie liegen, dass Männer öfter gewalttätig werden? Ist es das Testosteron, das vermeintlich aggressiv machende männliche Sexualhormon?
„Ganz alleine die Biologie ist es nicht”, erklärt Prof. Dr. Gina Rosa Wollinger von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen: „Es ist nicht das eine Gen oder das eine Hormon, sondern es ist sehr von dem sozialen Umfeld beeinflussbar.” Es sei also nicht nur das Geschlecht, das darüber entscheide, ob wir kriminell werden. „Charaktereigenschaften wie Impulsivität kommen auch dazu. Da ist auch die Frage: Wie reagiert das soziale Umfeld darauf? Werden gewisse Sachen aufgefangen, kompensiert.” Auch wie wir lernen, mit Gefühlen und Problemen umzugehen, beeinflusst demnach, ob wir zu kriminellen Handlungen neigen oder eben nicht.
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„Männlichkeit beweisen” - Geschlechterrollen könnten ein Grund sein
Menschen würden nicht einfach mit bestimmten Eigenschaften und Verhaltensweisen geboren werden. „Mädchen und Jungs wachsen anders auf”, erklärt Wollinger. Natürlich sei das nicht zu pauschalisieren. Es gebe verschiedene Ansätze, wie Kinder erzogen werden und Menschen ihre Geschlechtsidentität leben. Doch es sei weit verbreitet, dass Mädchen dazu erzogen werden, liebevoll, süß und höflich zu sein, während Jungs häufig lernen müssten, ihre „Männlichkeit” zu beweisen, so die Expertin.
„Sich mit Stärke durchzusetzen, ‘seinen Mann zu stehen’, das führt eher dazu, dass man gewaltvoll versucht, Konflikte zu lösen. Dadurch ist die Idee in der Forschung, dass Männer, wenn sie Gewalt ausüben, eine positive Selbstbestätigung bekommen”, erzählt die Kriminologin.
Die Theorie besagt, dass Gewalt unter anderem ausgeübt werde, um männliche Dominanz zu beweisen und damit das maskuline Rollenbild zu erfüllen. Von Männern werde häufig erwartet „mal auf den Tisch zu hauen”, Tapferkeit zu beweisen und keine Schwäche zu zeigen. Frauen hingegen würden das feminine Rollenbild nicht erfüllen, wenn sie gewalttätig werden. Von ihnen werde gesellschaftlich häufig erwartet, gefühlvoll und einfühlsam zu sein. Aggressive, gewaltvolle oder kriminelle Taten könnten schnell als „unweiblich” wahrgenommen werden.
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Dazu käme, dass Frauen und Männer häufig verschiedene Wege verfolgen, mit Konflikten umzugehen: Während Frauen ihre Aggressionen oft gegen sich selbst richten und nach innen verlagern würden, würden Männer ihre Aggressionen stärker nach außen richten und andere Menschen eher angreifen, erklären die Kriminologinnen im RTL-Interview.
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Mordmotive bei Frauen und Männern oft unterschiedlich
Töten Frauen und Männer in Partnerschaften aus denselben Gründen, wenn sie zu Mördern werden? „Frauen töten eher als Reaktion auf zum Beispiel lange erlebte Gewalt oder sich zu verteidigen in einer Notwehrreaktion. Männer morden eher, um eine Kränkung auszugleichen, also um die Kontrolle zu behalten”, erklärt Dr. Nicole Bögelein vom Institut für Kriminologie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln. „Frauen morden, um loszuwerden und Männer morden, um zu behalten”, heiße es auch in einer Redensart. Männer würden ihre Partnerin eher aus Kränkung und verletztem Stolz töten.
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Eigene Rollenbilder und Verhaltensweisen hinterfragen
Generell sei es wichtig, bei den Mordmotiven nicht zu pauschalisieren - auch Frauen könnten aus Habgier, Hass, Eifersucht zu Mördern werden. Theorien und Statistiken könnten aber dabei helfen, eigene Denkmuster und Verhaltensweisen zu hinterfragen: Wie gehe ich und Menschen in meinem Umfeld, mit Konflikten um? Und welchen Einfluss haben veraltete Geschlechterrollen auf uns? Es könnte laut der Expertinnen schon einen Unterschied machen, wenn Kinder nicht mit Sätzen wie „Sei ein Mann”, oder „Sei nicht so ein Mädchen” aufwachsen würden.
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