Autorin prangert Vorgehen in Arztpraxen an

„Mir reicht’s!“ Diese teure Untersuchung beim Frauenarzt kann sogar gefährlich sein

Eine Frau auf dem Behandlungsstuhl eines Gynäkologen.
Handelt es sich beim Ultraschall der Eierstöcke meist um Geldmacherei in der Frauenarztpraxis? Und was sagen Gynäkologen zum Vorwurf? (Symbolfoto).
ADOBE FOTO STOCK

Geldmacherei auf Kosten der Gesundheit?
Seit Jahren bekomme ich bei fast jedem Frauenarzt-Besuch einen Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung aufgeschwatzt. Und oft genug unterziehe ich mich der Individuellen Gesundheitsleistung (IGeL), die mich 50 Euro kostet. Im IGeL-Report zeigt sich allerdings, dass es sich dabei um ein „fragwürdiges Geschäftsmodell ohne Nutzen“ handelt. Und das sagt auch der Medizinische Dienst Bund im RTL-Interview. Ein persönlicher Erfahrungsbericht, wie der Berufsverband der Frauenärzte auf die Vorwürfe reagiert und was Frauen wissen sollten.

Eierstockkrebs-Vorsorge? Teurer IGel-Ultraschall wird mir ungefragt aufgeschwatzt

„Heute dann wieder die Krebsvorsorge mit Ultraschall?“, fragt die Medizinische Fachangestellte mich in der Frauenarztpraxis mit großen Augen. Ich will genauer darüber nachdenken, doch schwups – da liegt an der Anmeldung auch schon ein Formular mit Kugelschreiber vor mir. Ich soll unterschreiben, dass ich die Kosten für die Untersuchung selbst trage. Rund 50 Euro soll ich direkt mit der EC-Karte bezahlen, schon bevor ich auch nur einen Fuß ins Behandlungszimmer gesetzt habe. Das Verkaufsgespräch findet vor dem eigentlichen Präventionstermin mit der Ärztin statt und setzt mich unter Druck, die Individuelle Gesundheitsleistung (kurz: IGeL) durchführen zu lassen – ist diese Vorgangsweise überhaupt seriös?

Diese Frage habe ich schon öfter für mich persönlich verneint und mich dann innerhalb von Köln nach einer neuen Frauenarztpraxis umgeschaut. Doch fast überall wurde mir die kostenpflichtige Eierstock-Ultraschall-Untersuchung ans Herz gelegt – was noch beschönigend formuliert ist. Das Stichwort Krebsvorsorge überzeugt einen Laien nahezu immer davon, das Geld in die Gesundheit zu investieren. Euch nicht auch? Genauso ergeht es zumindest vielen Frauen und in meinem Fall auch mehreren Freundinnen aus meinem persönlichen Umfeld.

Lese-Tipp: Höhere Kosten für Patienten „wegen Ukraine-Krieg“? Worauf ihr beim Arztbesuch achten müsst!

Eierstock-Ultraschall als IGeL-Leistung: Keine Aufklärung über mögliche Risiken – warum?

Dabei ist diese IGeL-Leistung laut aktuellen Studien und einer Einschätzung des Medizinischen Dienst Bunds offenbar nicht so sinnvoll, wie es uns Frauen beim Arzt oft weis gemacht wird. Im Gegenteil. Vor allen Dingen ärgert mich als Patientin, bisher noch nie mündlich über die Risiken des Ultraschalls der Eierstöcke aufgeklärt worden zu sein. Wie kann das sein?

RTL-Redakteurin Madeline Jäger.
RTL-Redakteurin Madeline Jäger ärgert sich über IGeL-Leistungen, die sie beim Frauenarzt aufgeschwatzt bekommen hat.
RTL

Und laut Dr. Stefan Groenemeyer vom Medizinischen Dienst Bund ist es sogar so, dass diese Untersuchung „nachgewiesenermaßen nichts nutzt“. So sagte er im RTL-Interview:

„Uns erschreckt ehrlich gesagt, dass die Ultraschall-Untersuchung der Eierstöcke bei gesunden Frauen, die also keine Beschwerden haben, zur Früherkennung von Eierstock-Krebs, die am häufigsten genannte und durchgeführte IGeL ist. Weil gerade hier in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen ist, dass es häufig zu Fehlalarmen kommt, zu sogenannten falsch positiven Ergebnissen, die dann weiter abgeklärt werden müssen. Bis hin dazu, dass vielen Frauen unnötigerweise die Eierstöcke dann auch entfernt werden.“

Lese-Tipp: Verbraucherzentrale kritisiert Abzocke! Patienten zahlen trotz Kassenleistungen oft selbst

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Im Video: Diese teuren Untersuchungen braucht ihr nicht

Nach IGeL-Ultraschall der Eierstöcke kann es sogar zu Falschdiagnosen kommen

Aus dem aktuellen IGeL-Report 2024 geht zudem hervor, dass der Ultraschall der Gebärmutter und Eierstöcke beim Gynäkologen zur Krebsfrüherkennung die am häufigsten durchgeführte IGeL-Leistung ist. Das bedeutet, dass viele Frauen eine Untersuchung durchführen lassen, die zu falschen Diagnosen und damit auch zu unnötigen Behandlungen führen kann. Darauf müsste man die Patientinnen in der Frauenarztpraxis zumindest hinweisen. Doch nach meiner persönlichen Erfahrung geschieht dies nicht. Also liegt leider der Verdacht nahe, dass dieser Ultraschall oft nicht viel mehr als Geldmacherei zu sein scheint.

Und was sagen Frauenärzte zu diesem Vorwurf?

Frauenärzte-Berufsverband fordert „Versachlichung der Diskussion“

Auf RTL-Anfrage erklärt der Bundesverband der Frauenärzte e.V. dazu Folgendes:

„Der BVF sieht eine Versachlichung der Diskussion um Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) als sehr wichtig an.“ Die Sprecherin Anna Eichner verweist zudem auf ein aktuelles Schreiben, das am 11. Dezember 2024 veröffentlicht wurde. Hier heißt es unter anderem: „Der BVF vertritt die Auffassung, dass Frauen sehr wohl in der Lage sind, Vor- und Nachteile für sich selbst abzuwägen und eine autonome Entscheidung über diagnostische Maßnahmen zu treffen.“ Heißt also im Klartext, dass wir alle zwar medizinische Laien sind, aber trotzdem selbst abwägen müssen, wie sinnvoll diese Ultraschall-Untersuchung für uns ist?

Lese-Tipp: Das ist beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler zu tun

Ultraschall der Eierstöcke ohne Anlass? „Macht mitunter einen großen Unterschied“

Laut Deutscher Krebsgesellschaft gibt es zum Beispiel für Eierstock-Krebs überhaupt keine gesetzlich vorgesehene Untersuchung zur Früherkennung – welchen Nutzen kann der IGeL-Ultraschall dann überhaupt haben?

„Es macht mitunter einen großen Unterschied, ob diese Untersuchung als anlasslose Untersuchung für alle Frauen jeden Alters angeboten wird (die IGeL wird auch regelhaft jungen Frauen angeboten, obwohl für diese Gruppe eine geringe Erkrankungswahrscheinlichkeit besteht) oder zur Abklärung von Symptomen eingesetzt wird“, erklärt Dr. Andrea Lichterfeld-Kottner vom Medizinischen Dienst Bund dazu. Und noch einmal ganz konkret gefragt:

Kann mit dem Eierstock-Ultraschall Eierstock-Krebs im Frühstadium überhaupt festgestellt werden?

„Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Für diese Fragestellung muss man berücksichtigen, bei welcher Population der Ultraschall angewendet wird und zu welchem Anlass. Hat eine Frau Symptome oder besteht der Verdacht auf eine Erkrankung, ist die Ultraschalluntersuchung als Abklärungsuntersuchung eine Kassenleistung“, und damit für Kassenpatienten nicht kostenpflichtig, erklärt die Expertin. Der Medizinische Dienst Bund weist außerdem darauf hin, welche Untersuchungen für Kassenpatienten ab dem Alter von 20 Jahren beim Frauenarzt wirklich wichtig sind:

  • Gezielte Anamnese (Aufnahme und Besprechung der Krankheitsgeschichte)

  • Inspektion der genitalen Hautregion

  • Bimanuelle gynäkologische Untersuchung (Abtasten)

  • Spiegeleinstellung/Begutachtung der Portio (Übergang vom Gebärmutterhals in die Vagina)

  • Befundmitteilung mit anschließender diesbezüglicher Beratung

Mir scheint, man sollte sich also eher auf diese Untersuchungen konzentrieren und sie mit dem Frauenarzt besprechen. Denn sie alle sind offenbar wichtig für die Vorsorge. „Sollte sich aus einer dieser Untersuchungen ein Verdacht auf eine mögliche Krebserkrankung ergeben, handelt es sich bei den darauffolgenden Untersuchungen nicht mehr um Früherkennungsuntersuchungen, sondern um Diagnoseverfahren“, klärt die Expertin weiter auf.

Lese-Tipp: Diese IGeL-Leistungen verursachen mehr Schaden als Nutzen

IGeL-Ultraschall-Fazit: „Mir reicht es, das steht fest“

Welchen konkreten Nutzen die kostspielige Eierstöcke-Ultraschall-Untersuchung dann überhaupt noch hat, muss jetzt jede Frau für sich selbst entscheiden. Egal, ob sie sich mit Gynäkologie auskennt oder nicht.

Doch ich weiß für mich, dass ich die Untersuchung nicht mehr bei jedem Frauenarzt-Besuch anlasslos durchführen lassen werde, wenn ich überhaupt keine Beschwerden habe. Denn mir reicht es, das steht fest.