„Er packte mich, schmiss mich gegen das Regal”
Astrid erlebte häusliche Gewalt – wie lebt sie heute mit dieser Erfahrung?
„Das Allerschlimmste in meinem Leben (...), was ich da gerade erfahre.”
Das dachte Astrid in dem Moment, in dem ihr damaliger Partner sie zum ersten Mal geschlagen hat. Der Moment, der sie immer noch einholt. Oben im Video erzählt sie, wie es ihr heute geht und warum sie so offen mit ihrer Erfahrung der häuslichen Gewalt umgeht.
„Diese aggressiven Augen!”
Damals ist Astrid geschieden, hat erwachsene Kinder. Die Handelsfachwirtin meldet sich auf einer Dating-Plattform an und lernt dort 2013 einen Mann kennen. Sie verlieben sich, ziehen irgendwann zusammen. Doch dann verändert sich ihr damaliger Partner. Es kommt immer häufiger zu Streit. Dann wird er gewalttätig. „Er packte mich, schmiss mich gegen das Regal”, erinnert sich Astrid. Selbst als sie auf dem Boden liegt, tritt und boxt er noch nach.
„Als ich gesehen habe, dass dieser Mensch auf mich zugekommen ist und mich gepackt hat, diese aggressiven Augen, die ich gesehen habe, und danach dann die Faust in meinem Körper landete. Da war mir klar, dass das das Allerschlimmste in meinem Leben ist, was ich da gerade erfahre.”
Astrid fühlt sich hilflos, gelähmt vor Angst. „In mir ist eine Welt zusammengebrochen,” sagt sie. Wie sie es damals aus der Gewalt-Beziehung rausgeschafft hat und wer ihr geholfen hat, erzählt sie oben im Video.
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Gewalt gegen Frauen steigt
Astrid ist mit ihrer Erfahrung nicht allein. 2023 haben in Deutschland rund 180.000 Frauen häusliche Gewalt erlebt. Das zeigt eine Auswertung des Bundeskriminalamts. Das ist ein Anstieg um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das sind nur die erfassten Fälle.
Im vergangenen Jahr wurden allein in Deutschland 360 Frauen getötet – weil sie Frauen sind. Solche Femizide passieren in Deutschland fast jeden Tag.
„Gewalt ist Alltag für Frauen,” sagt Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen). Zu milde Strafen für Täter, zu wenig Schutz von Opfern und immer weiter steigende Gewalt gegen Frauen – es müsse unbedingt etwas passieren.
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Astrid: Frauen müssen ernstgenommen werden
Das wünscht sich auch Astrid. „Das wichtigste finde ich, ernst genommen zu werden. Wenn ich sage, ich habe häusliche Gewalt erfahren, dann kommt sofort: ‘Ja, wie war das denn? Warum ist das denn passiert?’” Eigentlich müsse es heißen, so Astrid: „Warum macht der Täter sowas?” Man fühle als Opfer einen Rechtfertigungsdruck. Und sei oft peinlich berührt. „Das darf nicht sein!“
Behörden müssten besser für diese Thematik ausgebildet und sensibilisiert werden. Das weiß sie, weil sie mehrfach Anzeige erstattet hat, sich aber nicht aufgehoben fühlte. „Wenn eine Frau zitternd davorsteht und nicht mehr weiß, wo vorne und hinten ist, dann muss man abgeholt werden“ Außerdem müsse Frauen der Zugang zu Frauenhäusern und psychologischer Unterstützung erleichtert werden.
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Astrid will anderen Mut machen
Die Gewalt in ihrer Partnerschaft holt Astrid auch heute noch regelmäßig ein. Sie arbeitet als Marktleiterin in einem Supermarkt, dachte, sie sei darüber hinweg. „Da kam ein Kunde rein, der sah demjenigen so ähnlich, der roch so, der sprach so und ich konnte nicht mehr, da ist alles so in mir hochgekommen. So dass ich mich, als Führungsperson, in einem Lager wiedergefunden habe, kauernd in der Ecke.“ Danach holte sie sich psychologische Hilfe. „Ich konnte nicht mehr.“
Heute lebt Astrid in einer neuen, glücklichen Beziehung. Auch wenn sie nicht gerne auf ihre gewalttätige Beziehung zurückschaut, ist es ihr wichtig, offen darüber zu sprechen. Damit will sie anderen Betroffenen Mut machen. Ihre berührende Worte seht ihr oben im Video.
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Seid ihr von häuslicher Gewalt betroffen?
Gibt es auch in eurem Leben häusliche Gewalt? Unter der kostenlosen Nummer 08000 - 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de findet ihr Menschen, mit denen ihr darüber sprechen könnt.