Einige Täter sind wieder auf freiem Fuß

Pelicot-Vergewaltiger zurück im normalen Leben – für Gisèle bleibt der Albtraum

Gisele Pelicot in a ray of light as she makes her way to the judicial court in Avignon, France on December 10, 2024. A court in the French southern town of Avignon is trying Dominique Pelicot, a 71-year-old retiree, for repeatedly raping and enlisting dozens of strangers to rape his heavily sedated wife in her own bed over a decade. Fifty other men, aged between 26 and 74, are also on trial for alleged involvement, in a case that has horrified France. The court proceedings, which runs until December, are open to the public at the request of Dominique Pelicot’s ex-wife and victim. Photo by Laurent Coust/ABACAPRESS.COM.
Gisèle Pelicot auf dem Weg zum Gerichtssaal in Avignon, Frankreich.
picture alliance / abaca | Coust Laurent/ABACA

Es war Frankreichs schlimmster Missbrauchsfall aller Zeiten!
Zehn Jahre lang wurde Gisèle Pelicot (72) von ihrem eigenen Ehemann betäubt, vergewaltigt und an Dutzende Männer „weitergereicht”. Der als „Monster von Avignon” bekannte Dominique Pelicot organisierte ein jahrelanges Martyrium – festgehalten in über 20.000 Bildern und Videos, die die Polizei später auf seinem Computer fand. Im Dezember fiel das Urteil im Jahrhundert-Prozess: 50 Männer wurden verurteilt, Pelicot selbst erhielt 20 Jahre Haft. Doch während sich die ganze Welt über Gerechtigkeit freut, sind einige Täter längst wieder frei.

Täter wieder auf freiem Fuß

Laut The Sunday Times wurden mindestens sechs Männer aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund der bereits abgesessenen Untersuchungshaft im Dezember entlassen. Einige von ihnen kehrten direkt in ihr altes Leben zurück. Zurück zu ihren Familien, zurück in ihre Jobs.

Tatsächlich erlaubt das französische Recht frühzeitige Entlassungen, wenn Verurteilte über 70 Jahre alt sind, gute Führung oder eine Immobilie besitzen, in die sie zurückkehren können. Bitterer Beigeschmack: Mindestens 20 Täter kamen ohne Strafe davon – weil sie nicht identifiziert werden konnten. Eigentlich unvorstellbar!

Während also mindestens 26 Vergewaltiger bereits wieder ein normales Leben führen, bleibt für Gisèle Pelicot nichts normal. Die 72-Jährige, die inzwischen von vielen für ihren Mut zur Ikone stilisiert wird, kämpft aber weiter.

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Eine Frau, die Frankreich verändert hat

Von Anfang an weigerte sich Gisèle, Opfer zu bleiben. Sie bestand darauf, dass der Prozess nicht hinter verschlossenen Türen stattfand. Jeden Verhandlungstag betrat sie mit erhobenem Kopf den Gerichtssaal, blickte ihren Peinigern direkt in die Augen. Ein Satz ihrer Aussagen ist längst zu einem Symbol geworden: „Die Scham muss die Seite wechseln.”

©Julien Mattia / Le Pictorium/Le Pictorium/MAXPPP - Paris 23/11/2024 Julien Mattia / Le Pictorium - 23/11/2024 - France / Ile-de-France / Paris - Des dizaines de milliers de personnes se sont rassemblees pour defiler pour le droit des Femmes, a Paris, le 23 Novembre 2024. - Valeurs Actuelles out, No JDD, JDD out, RUSSIA OUT, NO RUSSIA #norussia / 23/11/2024 - France / Ile-de-France (region) / Paris - Tens of thousands of people gathered to march for women’s rights in Paris on November 23, 2024.
Zehntausende Menschen gingen beim Marsch für Frauenrechte im November 2024 in Paris auf die Straße.
picture alliance/dpa/MAXPPP | Julien Mattia / Le Pictorium

Frankreich hörte ihr zu. Während des Prozesses wird sie auf den Straßen von Avignon bejubelt, Proteste brachen über das ganze Land aus. In sozialen Netzwerken wird Gisèle weltweit gefeiert. Doch viele Täter zeigen keine Reue. 17 von ihnen haben Berufung eingelegt. Befremdlich: Manche tun so, als seien sie selbst das Opfer. „Viele Männer sind überzeugt, dass sie nichts falsch gemacht haben. Sie sagen, sie seien von Dominique Pelicot hereingelegt worden”, wird ein Verteidiger von der Sunday Times zitiert.

Lese-Tipp: Tausende fordern Friedensnobelpreis für Gisèle Pelicot

©Julien Mattia / Le Pictorium/Le Pictorium/MAXPPP - Paris 23/11/2024 Julien Mattia / Le Pictorium - 23/11/2024 - France / Ile-de-France / Paris - Des dizaines de milliers de personnes se sont rassemblees pour defiler pour le droit des Femmes, a Paris, le 23 Novembre 2024. - Valeurs Actuelles out, No JDD, JDD out, RUSSIA OUT, NO RUSSIA #norussia / 23/11/2024 - France / Ile-de-France (region) / Paris - Tens of thousands of people gathered to march for women’s rights in Paris on November 23, 2024.
Der Vergewaltigungsprozess von Avignon hat ganz Frankreich erschüttert – und Tausende solidarische Menschen im ganzen Land mobilisiert.
picture alliance/dpa/MAXPPP | Julien Mattia / Le Pictorium
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Das Erbe von Gisèle Pelicot

Die nächsten 20 Jahre wird Dominique Pelicot das Gefängnis nicht mehr verlassen. Und es könnte für ihn noch schlimmer kommen. Während des Jahrhundert-Prozesses kam heraus, dass gegen ihn wegen weiterer Verbrechen ermittelt wird, darunter ein Mord. Wie Le Figaro berichtet, gab er bereits eine weitere Vergewaltigung zu, bestreitet aber die anderen Anschuldigungen. Sollte sich der Verdacht jedoch bestätigen, könnte Pelicot für immer hinter Gitter bleiben. Tochter Caroline, die überzeugt ist, dass auch sie von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde, wünscht sich: „Er sollte im Gefängnis sterben.”

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So furchtbar der Missbrauchsfall auch ist – Gisèle hat Frankreich wachgerüttelt. Sie hat das Opfersein und die Anonymität abgelehnt und sich dafür eingesetzt, dass die Täter nicht mehr davonkommen. Und auch wenn einige dieser Männer wieder auf freiem Fuß sein mögen – Gisèle hat gewonnen. Ihr Name steht fortan für alle, die Ähnliches erlebt haben. Für alle, die sich nie getraut haben, aus dem Schatten der Scham herauszutreten. Und er steht für den Kampf gegen das Schweigen. (kra)

Solltet ihr unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.