„Es ist nichts wie vorher”
Opfer und Zeugen von Solingen beschäftigt vor allem DIESE Frage

Der Schock in Solingen sitzt tief.
Der IS-Anhänger Issa al H. sticht am Freitag (23. August) wahllos auf Besucher eines Stadtfestes ein. Drei Menschen sterben, acht werden verletzt. Der Täter ist mittlerweile gefasst. Doch für die Seelsorger vor Ort in Solingen ist die Geschichte noch lange nicht vorbei. Die Menschen benötigen Hilfe und Unterstützung. Nun beginnt die Zeit der Aufarbeitung.
Seelsorger im Dauereinsatz
Seit Freitagabend sind Simone Henn-Pausch und ihr Team im Dauereinsatz. Die Seelsorgerin ist selbst in Solingen geboren. Das brutale Attentat fordert dem Team der Notfallseelsorge alles ab. Sie sind im Dauereinsatz. Woher kommt diese Kraft? „Ich persönlich nehme die Kraft im Grunde daher, dass ich weiß, etwas unglaublich Wichtiges zu tun“, schildert sie im RTL-Interview.
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Denn die Menschen kommen zu den Seelsorgern, bitten um Hilfe. Die meisten wünschen sich einen Ort, „wo man geschützt Fragen stellen kann.“ Und eine Frage dringt dabei immer wieder in den Vordergrund: „Warum? Warum passiert das hier?“ Es gehe den wenigsten dabei um Antworten, sagt Henn-Pausch. Solche haben die Seelsorger nicht – und das wissen die Gesprächssuchenden vermutlich auch. Die Menschen „wünschen sich Solidarität“ und „so etwas wie Hoffnung, dass es wieder andere Zeiten geben wird.“ Dafür sind Henn-Pausch und ihr Team da. Für die Menschen, die sich an sie wenden. „Denen geht es dann besser. Nicht unbedingt gut. Es ist nichts wie vorher. Aber es geht ihnen besser”, sagt Simone Henn-Pausch.
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Alle Altersgruppen suchen Hilfe
„Wir haben jetzt in den vergangenen Tagen mit Menschen jeglichen Alters gesprochen“, sagt Henn-Pausch. Mit solchen, die auf dem Fest waren, die Anwohner sind, die die Tat beobachtet haben – aber auch mit Verletzten. „Wir hatten Eltern da, junge Erwachsene, alte Menschen.“ Und sie ergänzt: „Wir hatten auch verschiedene Religionen, Kulturen da.“ Und alle fragen nach dem Warum.
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Außerdem sei gar nicht so sehr das Thema „Angst“ vorherrschend. „Sie sprechen eher von Schock, von Fassungslosigkeit, von Sprachlosigkeit.“ Niemand habe ihr gegenüber über Ängste gesprochen. „Es war so, dass auch bereits Freitagnacht sehr schnell eine große Polizeipräsenz da war. Das Ordnungsamt war da, es fühlten sich eigentlich alle immer geschützt“, schildert sie ihre Eindrücke. Es sei nicht so gewesen, dass jemand zu ihr gekommen sei, der sich „bedroht fühlte“.
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Sie wird mit ihrem Team noch einige Tage Betroffenen zur Seite stehen. Und sie ist sich auch sicher, dass es Fälle gibt, in denen Menschen mittel- und langfristig betreut werden müssen.
Eines ist klar: Nach dem furchtbaren Attentat wird Solingen Zeit brauchen, um zu heilen.