Sie wurde verurteilt, weil sie 15 Babys umgebracht haben sollMedizin-Koryphäen sicher: Lucy Letby ist keine Kindermörderin!

Internationaler Experten-Bericht (l.), Lucy Letby (r.)
Internationale Experten sind sich sicher, dass Lucy Letby (r.) keine Kindermörderin ist
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alastair Grant; Cheshire Constabulary

Massenmörderin oder Justizopfer?
Lucy Letby sitzt im Gefängnis, weil sie nach Überzeugung eines Gerichts sieben Babys ermordet hat. Ein neues Gutachten kommt zu einem anderen Schluss: Letby ist unschuldig und wurde zu Unrecht zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie hat kein einziges Baby ermordet! Das geht aus einem Bericht von 14 internationalen Experten hervor, der jetzt vorgestellt wurde.

Es gibt keine Beweise für Lucy Letbys Schuld

Der Fall der Säuglingsschwester aus Chester hatte die britische Öffentlichkeit aufgewühlt wie kaum ein zweiter in jüngerer Vergangenheit. Die 34-Jährige verbüßt mehrere lebenslange Haftstrafen, weil sie des Mordes an sieben Babys und des versuchten Mordes an sieben weiteren für schuldig befunden wurde.

Professor Neena Modi, Anwalt Mark McDonald, Politiker David und Neonatologe Dr Shoo Lee (v.l.)
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Letbys Anwalt will ihren Fall neu aufrollen. Es gebe „überwältigende Beweise“ für ihre Unschuld, sagte er bei der Vorstellung des Expertenberichts. Die Frau war lediglich aufgrund von Indizien verurteilt worden, Beweise für ihre Schuld gab es ebenso wenig wie Zeugen. Eine große Rolle bei ihrer Anklage spielte eine Studie des kanadischen Neonatal-Spezialisten Shoo Lee. Deren Ergebnisse sollten belegen, dass Letby ihren neugeborenen Schützlingen Luft in die Venen gespritzt haben, um sie zu töten. Lee selbst ist sicher, dass seine Studie, die als Standardwerk der Säuglingsmedizin gilt, falsch interpretiert wurde, so der britische Sender BBC.

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„Wir haben keine Morde festgestellt”

Eine 14-köpfige Experten-Kommission mit Medizinern aus Kanada, den USA, Großbritannien, Deutschland und Schweden untersuchte deshalb 17 Fälle, wegen der gegen Letby ermittelt wurde. Diese Experten legten jetzt ihren „unparteiischen, auf Beweisen basierenden“ Bericht vor. Für jeden Fall präsentierte Lee eine sehr detaillierte Begründung dafür, warum die Experten zu dem Schluss gekommen seien, dass er zu dem Schluss komme, dass kein Mord stattgefunden habe. „Wir haben keine Morde festgestellt. In allen Fällen waren Tod oder Verletzung auf natürliche Ursachen oder einfach auf schlechte medizinische Versorgung zurückzuführen“, so sein klares Fazit.

Gerichtszeichnung von Lucy Letby aus dem Juni 2024
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Zugleich benannte Lee laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gravierende Missstände in der Neugeborenenstation des Krankenhauses in Chester gegeben. Der Bericht listet Fehldiagnosen, verspätete Behandlungen, fehlende Expertise bei Wiederbelebung und künstlicher Beatmung auf. Auch von „mangelnder Teamarbeit und fehlendem Vertrauen zwischen dem medizinischen Personal“ ist die Rede. Lee sagte der Zeitung Die Rheinpfalz zufolge: „Wenn das ein Krankenhaus in Kanada gewesen wäre, wäre es geschlossen worden”, so Lee demnach.

Schon vorher erhebliche Zweifel am Urteil

Bereits in der Vergangenheit waren wiederholt Zweifel an den Indizien laut geworden, die zu Letbys Verurteilung führten. Sie basierte unter anderem darauf, dass es häufig zu Todesfällen kam, wenn sie im Dienst war. Statistiker und medizinische Experten kritisierten, dass nur die Todesfälle untersucht worden, die sich ereigneten, als Letby im Dienst war – nicht aber weitere, wenn sie frei hatte.

Krankenhauses in Chester
Die Experten prangern schwere Mängel der Säuglingsstation des Krankenhauses in Chester an
picture alliance / empics | Jacob King

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Zwei Berufungsanträge Letbys waren bereits abgelehnt worden. Sie sagte in zwei Prozessen aus, dass sie nie einem Kind etwas zuleide getan habe, doch die Richter glaubten ihr nicht. Jetzt hofft sie, dass der neue Expertenbericht ihre Situation ändert. Der Bericht werde laut BBC Teil eines Antrags sein, den ihr Anwalt bei der Criminal Cases Review Commission stellen werden, um ihren Fall wegen eines möglichen Justizirrtums untersuchen zu lassen.