Kommentar zur Bundestagswahl 2025
Die SPD steckt in einem fürchterlichen Dilemma

Die SPD muss dringend in die Opposition …
… aber sie darf nicht. Und genau das ist das Problem der deutschen Demokratie, die sich gestern tödlich angreifbar gemacht hat.
10.000 Stimmen bewahren Deutschland vor Polit-GAU
Es ist ein Zufall, aber ein bezeichnender, dass am Ende um die 10.000 Stimmen den Unterschied machten. Dass es den zufällig zuletzt ausgezählten Wahlkreisen Flensburg und Mannheim oblag, Deutschland vor dem Polit-GAU zu bewahren: einer einzig nur noch möglichen Dreier-Koalition mit Rot und Grün aus der abgestraften Ampel unter einem CDU-Kanzler, der noch nie etwas regiert hat. Das BSW ist der Leidtragende, aber man muss ihr geradezu danken. Es ist der kleinere von zwei linken Opfergängen dieser Bundestagswahl.
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Wähler erwarten Klarheit und Tempo
Man soll am Tag nach so einer Wahl keine Wähler beschimpfen, es führt zu nichts. Die Wähler haben immer recht, weil sie der Souverän sind, das ist eine der konstitutiven Bedingungen von Demokratie. Aber zur Wahrheit dieses Wahlergebnisses gehört: Der Wähler erwartet von den Parteien und Politikern objektiv Höchstleistungen an Klarheit und Tempo, gerade in diesen Zeiten. Vermutlich braucht auch die deutsche Demokratie jetzt einen solchen Erfolgsnachweis, weil sie sonst der AfD in die Hände fällt.
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Nur noch eine Koalition möglich
Zugleich haben die Wähler, die zu 80 Prozent nichts am Hut haben mit der AfD, es Politikern und Parteien ziemlich schwer gemacht zu liefern: Es ist nur noch eine bestimmte Zweier-Koalition möglich, CDU/CSU und SPD. Das schmälert die Durchsetzungskraft des Wahlsiegers, der keine Alternative hat, also erpressbar ist. Eine Folge: Bei der Frage, ob Steuersenkungen oder schuldenfinanzierte Staats-Investitionen das dringend gewünschte Wachstum bringen, wird ein kleiner gemeinsamer Nenner herauskommen. Zu klein? Das wäre die Mantra, die wir von der AfD die nächsten Jahre hören werden: „Kanzler Merz kann nichts von seinen Plänen durchsetzen, weil er mit einer Partei links der Mitte regieren muss. Das System funktioniert nicht mehr, weil es sich selbst lähmt. Weg mit dem System.“
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Afd und Linke können Verfassungsänderungen blockieren
Noch dazu hat die AfD mittelbar nun eine echte Blockade-Macht, mit der sie den Eindruck von systemischer Lähmung befördern kann, den sie hinterher heuchlerisch beklagen wird. AfD und Linke haben zusammen nämlich genug Stimmen, jede Verfassungsänderung zu blockieren. Das verbaut den Weg zu einer Reform der Schuldenbremse oder auch nur zu einem weiteren Sondervermögen für die Bundeswehr, auf das sich CDU/CSU und SPD vermutlich einigen könnten. Heißt: Bei der jetzt drängendsten Aufgabe kann die Russland-hörige AfD mit der Russland-naiven Linken Deutschland nicht nur bremsen, sondern stoppen. Die vernünftigen Parteien können nichts dagegen tun. Das System stottert.
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SPD muss mitregieren

Ernsthaft systemgefährdend ist freilich etwas anderes: Nach allen Regeln der Kunst gehört die SPD in die Opposition, aber sie darf nicht. Nach aller Erfahrung braucht die SPD länger, als es Koalitionsverhandlungen und Regierungsbeginn erlauben, um sich neu zu sortieren, personell wie programmatisch. Arbeiterpartei ist sie nicht mehr, weder im alten Westen und lang nicht mehr im Osten. Der Wahlsieg von Olaf Scholz 2021 war eben kein großes Comeback der Partei, sondern das Zufallsprodukt einer Ausnahme-Konstellation von Schwächen der politischen Gegner. Was ist die SPD für Arbeiter und Angestellte mehr als die Forderung nach „keine Rentenkürzungen“ und „mehr Mindestlohn“, welche die linke Konkurrenz aber immerfort überbietet, weil sie niemals dafür haften – also regieren – muss. Dass die SPD darauf keine klare Antwort hat, wäre normalerweise kein Problem für das Ganze. Wird es jetzt aber doch, weil die SPD trotz ihres Zustandes mitregieren muss, es ist ja sonst niemand da, und sie wird die CDU/CSU nicht in ein notgedrungenes Paktieren mit der AfD treiben.
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Die Sozialdemokraten stecken also in einem fürchterlichen Dilemma. Sie waren in der Ampel die schwache Stelle und sie sind es jetzt. Aber die Lage erlaubt ihnen keine Heilung. Die älteste und vielleicht stolzeste Partei Deutschlands steht vor einem Opfergang.