„Immerhin ist kein Mensch gestorben”

Bürgermeister von Mazan wird bedroht, nachdem er Vergewaltigungen an Gisèle Pélicot herunterspielte

Dominique Pélicot ließ Ehefrau Gisèle jahrelang von Fremden vergewaltigen
Dieser Missbrauchsprozess hält die ganze Welt in Atem.
Reuters

Diese Aussagen bereut er jetzt wahrscheinlich.
Der Bürgermeister von Mazan hält die aufkommende Spannung in seiner Gemeinde wegen des Prozesses um Gisèle Pélicot offenbar für übertrieben. „Immerhin ist kein Mensch gestorben”, erzählt er einem Journalisten von BBC vor über zwei Wochen. Seitdem ist der 74-Jährige Ziel von Drohungen und Beleidigungen.

Vorgeschichte: Interview schockierte hunderte Menschen

Betäubt, mindestens 200 Mal vergewaltigt von Dutzenden fremden Männern und dabei gefilmt. Alles arrangiert vom eigenen Ehemann. Das Schicksal von Gisèle Pélicot bewegt seit Wochen die ganze Welt. Weil sie öffentlich aussagt und dem Thema Vergewaltigung damit seine verdiente Sichtbarkeit schenkt, ist sie schon jetzt für viele ein großes Vorbild.

Der Bürgermeister der Gemeinde, in der die Verbrechen stattfanden, scheint das weniger zu interessieren. Es klingt fast so, als bewerte Louis Bonnet den Medienrummel als viel Aufregung um Nichts. Er argumentiert unter anderem damit, dass die meisten der mutmaßlichen Vergewaltiger aus anderen Dörfern stammen. Außerdem versuchte er die Pélicots als Außenseiter darzustellen, die noch nicht lange im Ort lebten.

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„Die Leute hier sagen: Es wurde niemand getötet. Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn Pelicot eine Frau getötet hätte. Aber das ist in diesem Fall nicht passiert“, sagte Bonnet im Interview. Verurteilt wird er ebenfalls für die Aussage, dass die Vergewaltigung an der 72-Jährigen weniger beunruhigend seien, als die eines Opfers mit vollem Bewusstsein.

Im Video: Mutige Gisèle bricht im Missbrauchsprozess ihr Schweigen

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Bürgermeister zieht sich aus Öffentlichkeit zurück

Das Interview sorgte für so großes Aufsehen, dass Louis Bonnet seitdem in sozialen Netzwerken, am Telefon oder im Rathaus diverse Drohungen erhält. Und dass, obwohl er sich in einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung bereits entschuldigte:

„Ich verstehe, dass diese Äußerungen schockieren und entschuldige mich aufrichtig dafür. Ich möchte mich insbesondere bei den Frauen entschuldigen, die durch die Ungeschicklichkeit einiger Worte verletzt wurden.”

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Jetzt entscheidet sich Bonnet dazu, Anzeige zu erstatten und sich eine Zeit lang aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, wie der französische Nachrichtensender BFM TV berichtet. Der Bürgermeister von Mazan befinde sich außerdem seit mehreren Tagen unter dem Schutz der französischen Gendarmerie. „Das Letzte, weswegen ich gezwungen war, Anzeige zu erstatten, war jemand, der bei der Stadtverwaltung nach meiner Adresse fragte, um mit einer Gruppe mein Haus zu stürmen”, so der 74-Jährige weiter.

Rücktritt aktuell nicht geplant

Eine Sitzung des Stadtrats fand am Mittwoch ohne Bonnet, dafür mit ziemlich angespannter Stimmung statt. Die Opposition soll jetzt seinen Rücktritt fordern. Da die erforderliche Stimmenanzahl nicht erreicht wurde, wurde die Ratssitzung auf die nächste Woche vertagt.

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Louis Bonnet erklärt gegenüber BFM TV weiter, dass er auch viele unterstützende Nachrichten erhalte, weshalb er nicht vor hat als Bürgermeister zurückzutreten. Und trotzdem redet er die Sache offenbar weiterhin schön: „Wenn es im Haus der Pélicots einen Ausrutscher gegeben hat, ist das nicht repräsentativ für das ganze Dorf.” (jjä)