Impfgegner machen im Netz Stimmung Zynischer Hashtag: Impfgegner instrumentalisieren den Tod von Promis

ARCHIV - 18.10.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: Eine Frau wird in einem Impfzentrum in der Innenstadt mit einem Corona-Impstoff geimpft. (zu dpa «Wie Impfgegner Todesfälle von Prominenten im Netz instrumentalisieren») Foto: Marijan Murat/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Corona-Impfstoffe gelten als sicher, Milliarden Impfdosen sind seit Ende 2020 weltweit verabreicht worden.
alf sab, dpa, Marijan Murat

Stirbt ein Prominenter in jungen Jahren, reagieren viele Menschen bestürzt. Impfgegner wiederum versuchen häufig, diese Trauer für ihre Zwecke zu nutzen - mit einem zynischen Hashtag.
Lese-Tipp: Alle aktuellen Infos zum Corona-Virus finden Sie hier im Ticker.

Tod von US-Model - unter den Trauerkommentare auch Postings radikaler Impfgegner

Jeremy Ruehlemann bei der Nick Graham Modenschau während der New York Fashion Week Men's / 100718
Dass Medien längst über Ruehlemanns tatsächliche Todesursache berichtet haben, spielt in der Impfgegner-Szene keine Rolle. Der Vater des Toten hatte bereits von einer Medikamentenabhängigkeit und einer tödlichen Überdosis gesprochen.
cv, action press, ActionPress

Corona-Impfstoffe gelten als sicher, Milliarden Impfdosen sind seit Ende 2020 weltweit verabreicht worden. Doch in den sozialen Netzwerken machen Impfgegner weiter Stimmung. Eine Methode: Todesfälle von prominenten, meist jungen Menschen in einen Zusammenhang mit Impfnebenwirkungen rücken - ohne irgendeinen Beleg.

So etwa im Fall Jeremy Ruehlemann: Das US-Model starb im Januar im Alter von nur 27 Jahren. Unter die Trauer mischen sich im Netz Kommentare von radikalen Impfgegnern. Auf Twitter etwa nutzen sie den Hashtag „#plötzlichundunerwartet“. Der sarkastisch gemeinte Code drückt letztlich nur die zynische Haltung aus: Hier ist nichts unerwartet, denn wir haben ja immer gewarnt, dass die Impfung gefährlich ist. Dieses Narrativ sucht sich mit Promi-Todesfällen neue vermeintliche Beweise.

Dass Medien längst über Ruehlemanns tatsächliche Todesursache berichtet haben, spielt in der Szene keine Rolle. Gegenüber der englischen Boulevardzeitung „Daily Mail“ sprach der Vater des Toten von einer Medikamentenabhängigkeit und einer tödlichen Überdosis.

Mehr Belege als einen irgendwie vermuteten Zusammenhang zwischen Impfung und Tod präsentieren Impfgegner in der Regel nicht. Im Falle Ruehlemanns kursierte als angeblicher Beweis ein Foto, das ihn in New York bei einer Corona-Impfung zeigt. Ursprünglich hatte Ruehlemann es im Jahr 2021 auf seinem Instagram-Account veröffentlicht. Nach seinem Tod sammeln sich unter diesem alten Posting nun Kommentare wie „Natürliche Auslese“ oder „Da hat er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet“.

Lese-Tipp: RS-Virus, Corona, Grippe oder Scharlach? Wie Sie Symptome richtig deuten

Journalistik-Professorin: „Impfgegner-Hashtag folgt typischen Muster von Verschwörungstheorien"

MIN//  Rosi Mittermeier und Christian Neureuther beim Nordic Walking

Copyright by Sammy Minkoff , Langckerstr. 12 , 82279 Eching am Ammersee
Tel: 08143 / 99 78 58 mobile: 0171/426 49 72
Kt. Nr. 2022 (BLZ 762 510 20)  Sparkasse Neustadt / Aisch
Auch der Tod von Rosi Mittermeier wird von Impfgegnern genannt - einen Zusammenhang mit der Impfung und ihrem Tod gibt es aber nicht.
Sammy Minkoff, Sammy Minkoff

Solche teils menschenverachtenden Sätze zu Ruehlemann reihen sich ein in Reaktionen auf andere Todesfälle. So sammelten Impfgegner unter „#plötzlichundunerwartet“ in den vergangenen Wochen auch Verstorbene wie Sängerin Lisa Marie Presley, Skifahrerin Rosi Mittermaier und Model Tatjana Patitz. Der Herzstillstand von American-Football-Profi Damar Hamlin während eines Spiels Anfang Januar wurde ebenfalls als Impfnebenwirkung gedeutet. Nicht immer sind bei diesen Menschen Todesursachen oder Erkrankungen bekannt, doch allen Fällen ist gemein: Auf einen Zusammenhang mit der Impfung deutet nichts hin - außer dem Raunen im Netz.

Die Hamburger Journalistikprofessorin Katharina Kleinen-von Königslöw forscht zu sozialen Netzwerken und Verhaltensweisen von Nutzerinnen und Nutzern. „Der Impfgegner-Hashtag folgt einem ganz typischen Muster von Verschwörungstheorien. Deren Reiz besteht ja darin, spielerisch Hinweise zu finden für ein größeres Muster dahinter“, sagt sie. Und tatsächlich kann jeder Nutzer mittels des Hashtags zu der Sammlung von vermeintlichen Impf-Todesfällen beitragen.

Es gebe verschiedene Gruppen, die sich an dieser Impfschaden-Erzählung beteiligen. Neben überzeugten Impfgegnern und Menschen, die zum Beispiel ein unternehmerisches Interesse an der Verbreitung von Verschwörungstheorien hätten, seien da Menschen, „die vielleicht einfach Fan waren oder die verstorbene Person interessant fanden“, sagt Kleinen-von Königslöw. Bei dieser Gruppe bestehe die Gefahr, dass sie sich in die Verschwörungstheorie hereinziehen lasse. Denn es gebe verbreitet Unsicherheiten und „viele gute Gründe, warum man die Impfung unheimlich finden konnte: die schnelle Entwicklung der Impfstoffe und die neue mRNA-Technologie etwa“.

Lese-Tipp: Corona-Impfung: Vierte Dosis oder nicht? Was Experten jetzt raten

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Stiko empfiehlt Corona-Impfung

Die konkrete Wirkung des Hashtags „plötzlichundunerwartet“ besteht darin, dass er zu einer selektiven Wahrnehmung führt: „Wenn man einmal auf diesen vermeintlichen Trend aufmerksam gemacht wurde, fällt es viel stärker auf“, sagt Kleinen-von Königslöw. Aus vielen Einzelfällen werde so der Eindruck: Todesfälle häufen sich - und der Grund kann nur sein, dass die Corona-Impfung schädlich ist.

Tatsächlich sind schwere Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe sehr selten. In Deutschland führt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Statistiken über die Sicherheit der Impfungen. Ausgewertet werden zum Beispiel Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen. Auf diese Weise wurde etwa bekannt, dass in sehr seltenen Fällen nach der Impfung Herzmuskelentzündungen auftraten. Impfempfehlungen wurden daraufhin angepasst.

Anfang 2022 meldete das PEI 85 Todesfälle, bei denen ein „ursächlicher Zusammenhang mit der Corona-Impfung als möglich oder wahrscheinlich“ eingestuft wurde. Verabreicht waren zu diesem Zeitpunkt fast 150 Millionen Impfdosen. Die Zulassung von Impfstoffen ist eine Frage der Abwägung: Übersteigt der Schutz, den sie bieten, die Risiken? Die Ständige Impfkommission sieht das bei Corona als gegeben: Die Impfung wird weiter empfohlen. (dpa/eku)

Politik & Wirtschaftsnews, Service und Interviews finden Sie hier in der Videoplaylist

Playlist 50 Videos

Spannende Dokus und mehr

Sie lieben spannende Dokumentationen und Hintergrund-Reportagen? Dann sind Sie bei RTL+ genau richtig: Sehen Sie die Geschichte von Alexej Nawalny vom Giftanschlag bis zur Verhaftung in „Nawalny“.

Außerdem finden Sie Dokus zu Politikern wie die persönlichen Einblicke zu Jens Spahn oder zur aktuellen politischen Lage: „Klima-Rekorde – Ist Deutschland noch zu retten?“

Spannende Dokus auch aus der Wirtschaft: Jede sechste Online-Bestellung wird wieder zurückgeschickt – „Retouren-Wahnsinn – Die dunkle Seite des Online-Handels“ schaut hinter die Kulissen des Shopping-Booms im Internet.