Unklarheiten rund um den zweiten BoosterCorona-Impfung: Vierte Dosis oder nicht? Was Experten jetzt raten

Wer derzeit über eine zweite Booster-Dosis der Corona-Impfung nachdenkt, kann schnell den Überblick verlieren: Die Ratschläge aus Politik, Behörden und von der Ständigen Impfkommission (Stiko) unterscheiden sich, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rät dazu, andere Fachleute winken ab.
Brauchen gesunde Erwachsene derzeit wirklich einen vierten Piks? Manche Experten halten das sogar für kontraproduktiv. Umso wichtiger ist es, die Argumente beider Seiten zu kennen.
Wer empfiehlt was?
Die für Impfempfehlungen in Deutschland zuständige Ständige Impfkommission (Stiko) hält eine zweite Auffrischimpfung bislang nur für Teile der Bevölkerung für sinnvoll. Die bisherige Empfehlung wurde kürzlich nochmals überarbeitet.
Aktuell empfiehlt die Stiko eine vierte Impfung für folgende Gruppen:
Menschen ab 60 Jahren
Menschen ab 5 Jahren, die einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-Verlauf ausgesetzt sind
Patienten mit unterdrücktem Immunsystem
Pflegeheimbewohner
Personal medizinischer Einrichtungen
Weitere Fachleute stärkten der Stiko in den vergangenen Monaten bei dieser Frage den Rücken.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen drängt immer wieder auf mehr Viert-Impfungen und brachte diese zuletzt für alle gesunden Erwachsenen ins Spiel.
Und dann sind da noch zwei EU-Behörden: ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) und EMA (European Medicines Agency) waren schon früh dafür, den zweiten Booster ab 60 Jahren anzubieten.
Wie begründet Lauterbach seine Empfehlung für unter 60-Jährige?

Im Frühjahr argumentierte Lauterbach so: Wolle man den Sommer ohne Risiko einer Erkrankung genießen, würde er die zweite Auffrischimpfung – „in Absprache natürlich mit dem Hausarzt“ – auch Jüngeren empfehlen, sagte der Gesundheitsminister erst kürzlich dem „Spiegel“. Mit der zweiten Booster-Impfung habe man „eine ganz andere Sicherheit“. Er argumentierte mit einem für ein paar Monate deutlich verringertem Infektionsrisiko und einem verringerten Long-Covid-Risiko.
Was sagen Kritiker?
Der Virologe Mertens sagte der „Welt am Sonntag“, er kenne keine Daten, die den Ratschlag von Lauterbach rechtfertigten. „Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ‘viel hilft viel’ auszusprechen“. Die EU-Behörden ECDC und EMA hielten fest, dass es derzeit keine klaren epidemiologischen Beweise gebe, die die Gabe zweiter Booster bei immungesunden Menschen unter 60 Jahren stützen – es sei denn, Patienten hätten gesundheitliche Schwachstellen.
Ihre Meinung ist gefragt!
Was sind die Argumente gegen Lauterbachs Rat?
Aus Sicht mehrerer Immunologen reichen für gesunde Erwachsene unter 60 die bisher von der Stiko empfohlenen drei Corona-Impfungen, um ein stabiles immunologisches Gedächtnis aufzubauen. Es biete in der Regel zumindest Schutz vor schwerer Erkrankung, Krankenhaus und Tod. Absoluten, langanhaltenden Schutz vor einer Infektion bringe auch die vierte Dosis nicht.
Wer beispielsweise vor dem Urlaub keine Ansteckung mehr riskieren wolle, sollte sich etwa durch Maske, Abstand und Kontaktreduktion schützen, rät Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Auch Epidemiologe Hajo Zeeb geht von einem allenfalls geringen Vorteil der zweiten Booster-Impfung für unter 60-Jährige aus, insbesondere dann, wenn Menschen auch noch zwischenzeitlich erkrankt waren.
Welche Rolle spielt der Impf-Zeitpunkt?
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Was man sagen kann: Impfabstände von mehreren Monaten haben sich laut Stiko-Mitglied Christian Bogdan (Uniklinikum Erlangen) als vorteilhaft für die Stärke der ausgelösten Immunantwort und für die daraus resultierende Schutzdauer erwiesen. „Besonders wichtig ist, dass eine Booster-Impfung – also die dritte Impfung – in einem deutlichen Abstand zur zweiten Impfung stattfindet“, im Idealfall nicht früher als sechs Monate danach. Dies gelte auch für einen möglichen zweiten Booster. Dieser Abstand gewährleiste eine Steigerung der Immunantwort. Impfe man jedoch in eine laufende Immunantwort hinein, sei der Effekt stark abgeschwächt.
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Kann die vierte Dosis auch anderweitig kontraproduktiv sein?

Stiko-Mitglied Bogdan bekräftigt, dass es zur Frage des möglichen Schadens von zusätzlichen, klinisch nicht angezeigten Impfungen für die Covid-Impfstoffe bisher keine umfassenden immunologischen Untersuchungen gebe. Manche Experten verweisen darauf, dass etwa von wiederholten Impfungen etwa gegen Pocken oder Influenza in der Vergangenheit keine negativen Effekte bekannt seien – ebenso wenig wie bei Einzelfällen, bei denen sich Menschen etliche Male gegen Covid-19 impfen ließen.
Heißt also: Soll ich mir den zweiten Booster holen oder nicht?
Auch wenn die Antwort unbefriedigend ist: Man kann diese Frage nicht pauschal beantworten, viel hängt davon ab, wie gut das Immunsystem des Einzelnen auf die ersten drei Impfungen reagiert hat. Der Immunologe Andreas Thiel von der Berliner Charité sagt, für „manche wenige“ Menschen unter 60 könnte die vierte Impfung essenziell sein – allerdings könne man die nicht einfach erkennen. Für die meisten in dieser Altersgruppe sei eine vierte Dosis jedoch nicht wirklich notwenig, jeder müsse „diese Frage für sich selbst beantworten“.
Allerdings kann der eigene Hausarzt bei der Entscheidung helfen. Gesetzlich zuständig für Impfempfehlungen ist die Stiko, auch viele Ärzte richten sich nach ihren Ratschlägen. Allerdings dürfen Mediziner auch ohne Stiko-Empfehlung einen zweiten Booster spritzen.
Wie steht es denn derzeit insgesamt um den Impfstatus der Nation?
Abgesehen von der Frage nach mehr Viert-Impfungen: Lücken gibt es auch bei den ersten drei Covid-Impfungen. So gab das Robert Koch-Institut in einem Bericht vom Juli an, dass noch etwa 1,3 Millionen Menschen ab 60 Jahren und rund 7,9 Millionen Erwachsene unter 60 ihren Impfschutz mit mindestens einer Impfung auffrischen müssten. Noch gar keine Impfung erhalten hätten rund 1,9 Millionen Menschen ab 60 und rund 7,3 Millionen Erwachsene unter 60 Jahre.
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Der Hamburger Intensivmediziner Stefan Kluge berichtete auf Twitter, dass leider immer wieder Risiko-Patienten mit unvollständiger Corona-Impfserie aufgenommen werden würden: Jüngst etwa eine mit Sars-CoV-2 infizierte 90-Jährige, die nur einmal geimpft worden sei. „Diese Impflücken sollten jetzt geschlossen werden“, appellierte er. (dpa/vdü)
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