Wartungsarbeiten sollen am Donnertag abgeschlossen sein

Verwirrspiel um Gas-Lieferungen: Liefert Russland wieder oder nicht?

Am Donnerstag sollen die Wartungen der Gaspipeline Nord Stream 1 eigentlich abgeschlossen sein. Bedeutet in der Theorie: Ab morgen soll wieder Gas nach Deutschland fließen. Ob das wirklich passiert, wissen wir nicht. Und Russlands Präsident Putin droht Europa weiter sinkende Gaslieferungen an.

Russland-Reporter Dirk Emmerich: „Aus russischer Sicht ist das gar kein Widerspruch“

Sollte Russland eine in Kanada reparierte Turbine für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die tägliche Durchlasskapazität der Leitung nochmals deutlich zu fallen, sagte Putin in der Nacht zum Mittwoch laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. Und dann wirft Putin noch ein weiteres Druckmittel in den Ring – die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. Die wurde 2021 fertig gebaut, bekam aber wegen des Angriffs auf die Ukraine durch Russland keine Betriebsgenehmigung. Die Pipeline war seit jeher sehr umstritten. Wörtlich sagte Putin: „Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen.“

Auf der einen Seite droht Putin mit einer weiteren Gas-Drosselung, auf der anderen Seite sagt er, Gazprom werde seine Verpflichtungen in vollem Umfang erfüllen. „Aus russischer Sicht ist das gar kein Widerspruch“, berichtet RTL-Reporter Dirk Emmerich aus Moskau. Man sage hier klar: Wir haben Gas, wir haben Verpflichtungen zu erfüllen und das können wir aber nur machen, wenn die Pipeline so in Ordnung ist, wie wir das brauchen, um das Gas liefern zu können. „Und hier schiebt man den schwarzen Peter weg aus Russland, Richtung Westen, Richtung Deutschland, Richtung Kanada.“ (Die ganze Einschätzung sehen Sie im Video)

Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen und hat eine Kapazität von rund 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland allerdings um mehr als die Hälfte der täglichen Höchstmenge auf 67 Millionen Kubikmeter reduziert. Begründet wurde dies mit der fehlenden Turbine von Siemens Energy, was Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als vorgeschoben kritisierte. Derzeit ist die mehr als 1.200 Kilometer lange Pipeline zudem wegen alljährlicher Wartungsarbeiten völlig stillgelegt - planmäßig bis Donnerstag.

Sollte Russland die reparierte Turbine nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli wegen der notwendigen Reparatur eines „weiteren Aggregats“ die tägliche Durchlasskapazität der Pipeline noch weiter zu fallen auf 33 Millionen Kubikmeter pro Tag, sagte Putin nun laut Tass.

EU bereitet Winter-Szenario vor: "Gehen vom schlimmstmöglichen Szenario aus"

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat Moskau nach und nach mehreren europäischen Ländern, die Kiew unterstützen, das Gas abgedreht. Kritiker stuften deshalb auch die Begründung der Lieferdrosselung mit der fehlenden Turbine als Vorwand ein. Der Russland-Experte Dr. Joachim Weber sieht das alles als Teil eines politischen Spiels: „Man wird das genüsslich bis zur letzten Minute und vielleicht noch ein bisschen darüber hinaus auskosten, uns unter Druck zu setzen, für Verwirrung zu sorgen“, so Weber im RTL-Interview. Dennoch rechnet Experte Weber nicht mit einem Komplett-Stopp: „Ich rechne schon eher damit, dass die Russen in gewissen Ausmaß wieder liefern, vielleicht nicht so viel, wie wir haben wollen.“ Das Gas würde Putin schwer woanders los und Putin brauche Cash für seine Staatsfinanzen.

Russland steht seit langem im Ruf, seine Energielieferungen als Druckmittel einzusetzen. Besonders vor diesem Hintergrund stellt die EU-Kommission am Mittwoch einen Notfallplan vor, wie sich Europa auf einen drohenden Gasmangel im Winter vorbereiten kann. „Wir gehen bei unseren Wintervorbereitungsplänen vom schlimmstmöglichen Szenario aus“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Erwartet wird unter anderem, dass der Brüsseler Plan vorsieht, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis maximal 19 Grad beheizt werden sollen und es verpflichtende Gassparziele geben könnte. (eku/dpa)

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