Reaktion auf Russland-Ukraine-Konflikt
Regierung stoppt umstrittene Gas-Pipelline Nord Stream 2 - höhere Gaspreise möglich

Deutschland reagiert auf die Aggressionen Putins: Die Regierung stoppt vorerst das Genehmigungsverfahren für die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. Das gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekannt. Das könne auch Auswirkungen auf die Preise haben, sagt Wirtschaftsminister Habeck.
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"Jetzt wichtig, neben ersten Sanktionen eine weitere Eskalation zu verhindern"

Konkret zieht die Regierung einen Bericht an die Bundesnetzagentur zurück. Er habe das Wirtschaftsministerium gebeten, den bestehenden Bericht zur Analyse der Versorgungssicherheit bei der Bundesnetzagentur zurückzuziehen, sagte Scholz. „Das klingt zwar technisch, ist aber der nötige verwaltungsrechtliche Schritt, damit jetzt keine Zertifizierung der Pipeline erfolgen kann.“ Ohne diese Zertifizierung könne Nord Stream 2 nicht in Betrieb gehen, betonte Scholz.
Die zuständige Abteilung des Wirtschaftsministeriums werde einen neue Bewertung der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung dessen vornehmen, „was sich in den vergangene Tagen verändert hat“, sagte der Bundeskanzler. „In dieser Phase ist es jetzt wichtig, neben ersten Sanktionen eine weitere Eskalation und damit eine weitere Katastrophe zu verhindern. Darauf zielen alle unsere diplomatischen Anstrengungen.“
Habeck: Krieg treibe die Preise nach oben - Deutschland aber "versorgungssicher"
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet vor dem Hintergrund des eskalierenden Russland-Ukraine-Konflikts steigende Gaspreise in Deutschland. Der Grünen-Politiker sagte, es könnte kurzfristig ein Ansteigen der Gaspreise geben. Das hänge auch davon ab, wie sich das Angebot entwickle. Zugleich sagte Habeck, Deutschland sei „versorgungssicher“.
Krieg treibe Preise nach oben, sagte Habeck. Er betonte die Bedeutung, die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Deutschland müsse möglichst schnell aus fossilen Energieträgern aussteigen. Daher sollten die erneuerbaren Energien schnell ausgebaut werden. Deutschland müsse sich unabhängig machen von der „Preis- und Kriegstreiberei“ anderer Länder.
Der Stopp des Zertifizierungsverfahrens für die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 ist nach den Worten Habecks in den vergangenen Wochen und Monaten vorbereitet worden. Der russische Präsident Wladimir Putin habe mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine einen schweren Bruch des Völkerrechts begangen. Es werde wirtschaftliche Sanktionen geben.
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"Es kann aber dann wieder auf den Tisch gelegt werden, wenn die Zeiten bessere werden"
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), hat betont, dass das Projekt der Gaspipeline Nord Stream 2 nach den Angriffen Russlands auf die Ukraine gestoppt sei. Komplett begraben sei es aber nicht. „Das Projekt Nord Stream 2 liegt auf Eis“, sagte Roth den Sendern RTL/ntv. Auf Nachfrage, ob es damit komplett vom Tisch sei, sagte Roth: „Es ist vom Tisch und es kann aber dann wieder auf den Tisch gelegt werden, wenn die Zeiten bessere werden. Wenn wir also wieder zu den Prinzipien zurückkehren, die Präsident Putin derzeit ignoriert.“
Roth sagte zudem, dass er sich nicht habe vorstellen können, dass der russische Präsident Wladimir Putin „mit allem bricht, was wir uns in Europa aufgebaut haben.“ Putin spreche nicht nur der Ukraine das Existenzrecht ab, sondern offenkundig auch anderen Ländern des östlichen Europas, so Roth. Putin müsse jetzt „schmerzhafte Konsequenzen spüren“, die vor allem das „System Putin“ treffen würden: „Die ganzen Oligarchen, die im Umfeld Putins reich und mächtig geworden sind, die müssen wissen: Sie fühlen sich hier im freien und demokratischen Europa nicht mehr willkommen.“ Insgesamt müsse aber die „Tür zu Gesprächen“ weiterhin geöffnet bleiben, so Roth.
Die US-Regierung hat den vorübergehenden Stopp des Genehmigungsverfahrens begrüßt. US-Präsident Joe Biden habe klargemacht, dass die Erdgas-Pipeline bei einem russischen Angriff auf die Ukraine nicht in Betrieb gehen dürfe, erklärte seine Sprecherin Jen Psaki auf Twitter. „Wir haben uns im Lauf der Nacht eng mit Deutschland abgestimmt und begrüßen die Ankündigung“, schrieb sie weiter. Die US-Regierung werde wie angekündigt noch im Laufe des Tages weitere Strafmaßnahmen gegen Russland vorlegen, schrieb Psaki.
Bisher floss noch kein Erdgas
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Der Kremlchef ordnete auch eine Entsendung russischer Soldaten in die Ostukraine an. Er plant damit bereits zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft ihm vor, damit gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Der 1.230 Kilometer lange Doppelstrang von Russland durch die Ostsee nach Deutschland ist zwar fertiggestellt, es fließt bislang aber noch kein Erdgas durch die Pipeline. Das Zertifizierungsverfahren lag zuletzt bereits auf Eis. Die Bundesnetzagentur hatte das Verfahren im November ausgesetzt und verlangt, dass die Betreibergesellschaft nach deutschem Recht organisiert ist. Die Nord Stream 2 AG will der Auflage mit der Gründung einer deutschen Tochtergesellschaft nachkommen.
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