Endlich in Freiheit!
Er saß 30 Jahre im Todestrakt - doch Daniel Gywnn (54) war unschuldig

„Seit Jahren sitze ich hier, gefangen in dieser Zelle, in der die Tage einfach so vergehen!“
Worte von einem Mann, der fast 30 Jahre in der Todeszelle sitzt. Wegen eines Verbrechen, dass er gar nicht begangen hat. Bis jetzt, denn: Ein Richter hebt seine Verurteilung auf. Daniel Gywnn (54) aus Philadelphia (USA) darf sich seit Mittwoch wieder als freier Mann in der Welt bewegen.
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Daniel Gywnns unglaubliche Geschichte: Zu Unrecht zum Tode verurteilt
Das ist passiert: Es ist 1994. Ein leerstehendes Gebäude in West Philadelphia gerät in Brand. Eine Frau namens Marsha Smith verliert dabei ihr Leben. Brandstiftung soll die Ursache gewesen sein. Der Verdächtige: Daniel Gywnn. Er wird wegen Mord verurteilt. 1996 bekommt er die Todesstrafe.
Während des Brands sollen sich etwa fünf Hausbesetzer – darunter auch das Todesopfer – im Gebäude aufgehalten haben. Gywnn soll zu der Zeit mit seiner Drogenabhängigkeit gekämpft haben. Auf der Website „Art for Justice“, die Inhaftierten eine Plattform für Gemälde geben, die sie im Gefängnis malen, schreibt Gywnn: „Ich hatte einen schlechten Ruf und wurde für fast alles verantwortlich gemacht, was in der Gegend passierte.“ Unter polizeilichem Druck gibt er schließlich ein falsches Geständnis ab. Zudem wollen ihn zwei Zeugen auf einem Foto identifiziert haben. Wie sich später herausstellte, handelt es sich bei dem Foto aber um einen anderen Verdächtigen. Dieser ist bereits für einen Mord, den er nur drei Tage vor der Brandstiftung im selben Haus begangen hat, verurteilt worden.
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Gesehen hat Daniel Gywnn weder das Foto noch wurden ihm die Zeugenaussagen vorgelegt. Was bedeutet, dass ihm seine Rechte verwehrt worden sind. Seine beiden Anwälte Gretchen Engle und Karl Schwartz kämpften bis heute für seine Unschuld. Zum Glück!

Staatsanwaltschaft legt Daniel Gywnns Akte offen : Fall kann neu aufgerollt werden
Sein Anwalt soll damals nichts erreicht haben, schreibt Daniel Gywnn bei „Art for Justice“: „Im Prozess war mein vom Gericht bestellter Anwalt nicht bereit, die schwachen Beweise des Staatsanwalts effektiv anzufechten. Mein Anwalt hat es versäumt, meinen Fall zu untersuchen und den Staatsanwalt dazu zu bringen, sämtliche Beweise vorzulegen“, sagt Gwynn heute.
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Doch Jahre später legt das Büro der Staatsanwaltschaft endlich die gesamte Akte offen. Gywnn hat nun die Chance, die Beweislage einzusehen. Er macht von dem sogenannten Habeas Corpus Gebrauch. Das Recht eines jedes Verhafteten auf Haftprüfung durch ein Gericht. Damit kann er sich vor willkürlichem Freiheitsentzug schützen.
Fragwürdiges Geständnis wird gegen den damals 24-Jährigen verwendet
David Napiorski, stellvertretender Leiter der Bundesprozessabteilung bei der Bezirksstaatsanwaltschaft von Philadelphia, erläutert der Tageszeitung Philadelphia Inquirer, dass das Geständnis des damals 24-Jährigen Probleme aufwies. So soll Gywnn zum Beispiel gesagt haben, dass das Feuer unten ausgebrochen sei. Schon damals ist aber klar: Das Feuer brach auf einer oberen Etage aus.
Aus Sicht Napiorskis gebe es allerdings auch keine Beweise dafür, dass die Polizei Gwynns Geständnis erzwungen habe. In einem Bericht, der auf der Internetseite von „Art of Justice“ veröffentlicht wurde, beschreibt Gwynn allerdings: „Während des Verhörs (...) nutzten die Beamten mein verwirrtes Gehirn aus. Sie haben gelogen, Informationen manipuliert und gestikulierte Drohungen ausgesprochen, um mich zu verletzen. Da ich in der Vergangenheit von der Polizei geschlagen worden war, hatte ich das Gefühl, dass ihre Drohungen real waren.“
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Alternativer Verdächtiger soll damals das Gebäude in Brand gesteckt haben
Nachdem die Verurteilung gegen Gwynn am Mittwoch fallen gelassen wurde, sagt Napiorski bei Philadelphia Inquirer, dass er nicht wisse, ob die Polizei von Philadelphia die Mordermittlungen von Marsha Smith wieder aufnehmen würde.
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Sowohl die Staatsanwälte als auch Gwynns Verteidigung sind sich allerdings einig, dass vermutlich ein anderer Mann am 19. November 1994 den dritten und vierten Stock der Wohnung in West-Philadelphia mit Benzin übergossen hat. Laut Gerichtsakten soll dieser Mann am Tag zuvor Smith und einen anderen Hausbesetzer im Gebäude besucht haben. Nach einer Auseinandersetzung, bei der Smith eine blutige Verletzung am Mund erlitt, soll der Täter beim Weggehen eine Drohung ausgesprochen haben: „Ich werde euch alle auf die eine oder andere Weise erwischen“, so heißt es. Bei dem Verdächtigen soll es sich um den Mann handeln, der bereits wegen eines Mordes einige Tage vor der Brandstiftung zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden ist.
Anwalt des Freigelassenen findet rührende Worte bei Entlassung

Für Daniel Gywnn beginnt nun aber ein neuer Lebensabschnitt. Sein Anwalt Karl Schwartz findet bei der Entlassung seines Klienten nur rührende Worte: „Für uns ist es vor allem ein Tag großer Erleichterung, aber auch der Trauer darüber, dass ein Mann wie er, eine unschuldige Seele, so viel Zeit damit verbracht hätte, auf seine Hinrichtung zu warten und im Gefängnis einzugehen.“ (amp)
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