Klappt das wirklich? Das sagt die Deutsche Aidshilfe

Aids soll bis 2030 keine Rolle mehr spielen

Ein Mann hält in der einen Hand ein Kondom, in der anderen eine rote Schleife, die für die Aufklärung der Krankheit HIV steht.
Kann Aids wirklich bis 2030 eliminiert werden?
klebercordeiro

18-seitige UN-Erklärung: "Bis 2030 wird Aids eliminiert sein"

Der Autoimmunerkrankung Aids sind seit ihrem Bekanntwerden in den 1980er-Jahren unzählige Menschen zum Opfer gefallen. Mittlerweile weiß man: wer HIV-positiv ist, muss dennoch nicht mehr an den Folgen der schrecklichen Krankheit sterben, die Überlebenschancen sind größer geworden. Aus einer neuen Erklärung, die während einer Volksversammlung der Vereinten Nationen („United Nations“) vorgestellt wurde, geht jetzt hervor: Bis 2030 soll die Krankheit gar kein Problem mehr darstellen.

Aber ist das realistisch? RTL hat mit dem Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe gesprochen und ihn um eine Einschätzung zu der Thematik gebeten.

Stärkere Anstrengungen im Kampf gegen AIDS

Bei der Übereinkunft des UN-Gremiums haben insgesamt 193 Mitgliedsstaaten das Ziel formuliert, HIV/Aids bis 2030 als Gesundheitsgefahr zu eliminieren. Die 18-seitige Erklärung der UN stimmt an sich positiv: Wenn jetzt stärkere Anstrengungen im Kampf gegen Aids unternommen werden, soll die Autoimmunerkrankung bis 2030 eliminiert sein. Trotzdem: Die Vereinten Nationen scheinen sich nicht so ganz festlegen zu wollen, denn rechtlich bindend ist die Übereinkunft nicht. Die Idee an sich ist nämlich nicht neu. Immer wieder diskutiert die UN über (Zwischen-)Ziele im Kampf gegen Aids.

Eines davon lautet, dass bis zum Jahr 2025, also fünf Jahre vorher, die Zahl der jährlichen HIV-Neuinfektionen unter die Schwelle von 370.000 gedrückt werden soll. Die jährlichen Todesfälle sollen dabei unter den Wert von 250.000 fallen. Die aktuelle Lage sieht allerdings anders aus: Im Jahr 2020 starben nach einer Schätzung der Vereinten Nationen weltweit immer noch über 690.000 Menschen an den Folgen von Aids.

Können die Zahlen der neuen Erklärung daher überhaupt in die Tat umgesetzt werden?

"Niemand müsste mehr an Aids erkranken"

Eigentlich sind Präventions-, Versorgungs- und Therapiemaßnahmen vorhanden, aber die Umsetzung ist einfach noch nicht wirklichkeitsnah genug. Aids, als Epidemie, müsste eigentlich keine Bedrohung mehr für die öffentliche Gesundheit darstellen.

Der Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe, Holger Wicht, nimmt dem Hoffnungsschimmer rund um das UN-Schreiben den Wind aus den Segeln: Dass Aids als Erkrankung bis 2030 nicht mehr problematisch sein soll, sei unrealistisch. Das liegt seiner Meinung nach vor allem daran, dass einige Länder sich immer noch vehement gegen wichtige Maßnahmen wehren und beim Kampf gegen Aids auf die Bremse treten. „Es fehlt an politischem Willen“ – sowohl in Russland, als auch bei uns in Deutschland, so Wicht weiter.

Das ist besonders deswegen schade, weil die meisten Länder rein theoretisch eigentlich verhindern könnten, dass Menschen weiterhin an Aids erkranken. Viele Staaten haben an sich die Mittel in der Hand – als Gemeinschaft werden sie den (Menschen-)Rechten jedoch nicht gerecht.

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Die Ziele der UN sind wenig realistisch

Strategien, die bei vielen Ländern funktioniert haben und immer noch funktionieren, werden von einem Land wie zum Beispiel Russland – aus politischen Gründen – nicht wahrgenommen. Neben politisch motivierten Problem gibt es darüber hinaus noch finanzielle Probleme. Selbst „UNAIDS“, das „gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids“ muss um finanzielle Sicherheit bangen und regelmäßig mehr Geld einfordern, so Wicht. Kein Wunder, dass andere Organisationen auf der Strecke bleiben, wenn selbst das Programm der Vereinten Nationen mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.

Eine Sache ist definitiv sicher: „HIV wird nicht einfach von diesem Planten verschwinden, aber Aids könnte schon längst Geschichte sein“. Das bestätigt auch der Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe. Das liegt insbesondere daran, dass es sich um eine sexuell übertragbare Krankheit handelt, die vom HIV-Virus ausgelöst und immer da sein wird. Trotzdem muss die Krankheit Aids nicht immer mit einer HIV-Infektion einhergehen.

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Das sollte in Zukunft bei der Aids-Prävention getan werden

Rote Aids Schleifen liegen auf einem Tisch. Rund 18 000 Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker beraten ab Montag auf der Welt-Aids-Konferenz über Wege zur Bekämpfung der HIV-Epidemie. (zu dpa «Welt-Aids-
Die Krankheit Aids hätte man schon längst in den Griff bekommen können.
ped kde gfh nwi, dpa, Jens Kalaene

Dazu formuliert der Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe ein deutliches Statement: „Länder, die es verstanden haben, müssen ihr Engagement verstärken und andere Länder mehr unterstützen.“ Dazu gehört zum Beispiel auch Deutschland. Es muss also getreu dem Motto „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ laufen: Man muss mehr und vor allem enger mit anderen Staaten zusammenarbeiten und Kooperationsprojekte unterstützen, es muss mehr Geld in den globalen Fonds investiert und eine beispielhafte Vorgehensweise geschaffen werden.

Stark betroffene Gruppen in Deutschland, wie drogenkonsumierende Menschen, Menschen ohne Aufenthaltspapiere sowie Gefängnisinsassen dürfen nicht mehr diskriminiert werden. Das ist kontraproduktiv. Viel mehr hilft es, direkte Unterstützung anzubieten, ihnen zu helfen und ihre Gesundheit zu gewährleisten: „„Wer glaubt, dass ein HIV-Risiko bestanden haben könnte, sollte sich möglichst bald testen lassen! Bei akuten Risiken sollte man SOFORT eine spezialisierte Praxis aufsuchen. Es ist selten zu spät. Es gibt viele Möglichkeiten – auch anonym in Gesundheitsämtern und Aidshilfen.“ Auch wenn eine gewisse Angstbarriere besteht, ist diese unbegründet: Je früher man sich testen lässt, desto früher hat man Klarheit. Die eigentliche Angst wird erst dann real, wenn man sich nicht testen lässt und dann im schlimmsten Fall eine schwerwiegende Erkrankung durchmacht. (vdü)