Zehn Tage Sonderurlaub für VäterUmstrittener Gesetzesentwurf: "Familienstartzeit" nach Geburt des Kindes

von Nina Lammers und Arne Draheim

Partner, deren Frau gerade ein Kind bekommen hat, soll die bezahlte Auszeit der „Familienstartzeit“ entlasten. Arbeitgeber schlagen allerdings Alarm: Der Gesetzesentwurf von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) verursache finanziellen und bürokratischen Mehraufwand.

"Den Lebensrealitäten in Deutschland endlich gerecht werden"

ARCHIV - 24.11.2022, Berlin: Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bei einer Pressekonferenz. (zu dpa: «Frauenministerin vor UN: «Ära des digitalen Feminismus» nötig») Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bundesfamilienministerin Paus
hjb, dpa, Kay Nietfeld

Ein Elternteil musste sich zur Geburt des eigenen Kindes bislang regulären Urlaub nehmen. Mit dem Gesetzesentwurf zur „Familienstartzeit“ soll sich das künftig ändern. Demnach sollen Partner oder die Partnerin künftig zwei Wochen lang bezahlt freinehmen können. Noch ist das von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vorgestellte Vorhaben aber lediglich ein Gesetzesentwurf. Ab 2024 könnte der zehntägige Sonderurlaub per Gesetz aber schon in Kraft treten.

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Gesetzlich steht werdenden Müttern ein Mutterschutz von bislang sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und acht Wochen nach dem Geburtstermin zu. Bei Mehrlings- oder Frühgeburten erhöht sich die Dauer nach der Entbindung sogar auf 12 Wochen. Partner blieben von der beruflichen Auszeit bislang unberührt. Deshalb soll der Gesetzesentwurf nun nicht nur biologische Väter berücksichtigen – auch Partnerinnen und Vertrauenspersonen, die durch Alleinerziehende benannt werden, können von der „Elternstartzeit“ Gebrauch machen.

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Mit dem Gesetzesentwurf reagiert die Ampelkoalition auf eine EU-Richtlinie, die eigentlich schon vor Jahren hätte umgesetzt werden sollen. Paus, die selbst alleinerziehende Mutter ist, möchte mit dem Gesetz mehr Flexibilität bei der Familienplanung garantieren: „Wir möchten den Lebensrealitäten, die wir in Deutschland haben, endlich gerecht werden. Es gibt inzwischen einfach eine Familienvielfalt und da sollte die Politik auch mitgehen und den Menschen nicht das Leben erschweren.“

Kein bezahlter "Urlaub"

Wer bereits ein Kind großgezogen hat, weiß wie anstrengend die ersten Monate nach der Geburt sind. Zwei Wochen bezahlter Urlaub, so lässt sich der Gesetzesentwurf - salopp gesagt - lesen, kämen vielen frischgebackenen Eltern entgegen. Allerdings wehrt sich die Familienministerin gegen den Begriff „Urlaub“ beziehungsweise „Sonderurlaub“. Denn: „Es ist eben kein bezahlter Urlaub“, stellt Paus im RTL/ntv-Frühstart klar. „Jede Person, die schon mal in der Position gewesen ist, weiß, die ersten 14 Tage nach der Geburt sind kein Urlaub.“

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Angst vor missbräuchlichem Nutzen der „Elternstartzeit“ befürchtet die Grünen-Politikerin nicht. Der Gesetzesentwurf folgt den Regelungen, die bereits beim Mutterschutz greifen. "Das ist alles etabliert und deswegen gehe ich sehr stark davon aus, dass das reibungslos funktionieren wird", so Paus. Die Vereinbarkeit von Job und Familie sei für viele Paare kaum stemmbar. Das Gesetz ermögliche in Zukunft vielmehr eine zusätzliche Unterstützung, die bislang von vielen Seiten nicht gesehen wurde.

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Mehrheit der Befragten begrüßt die Gesetzvorlage

Doch wie kommt die „Familienstartzeit“ bei den Bürgerinnen und Bürgern an? Familienministerin Paus erklärte im RTL/ntv-“Frühstart“: Fast die Hälfte der Eltern wollen eine verbesserte Vereinbarkeit und fordern, dass die Politik sie dabei unterstütze. Eine RTL-Straßenumfrage verdeutlicht diesen Trend.

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Als „gutes Zeichen“ beurteilt es die Mehrheit der Befragten. Besonders befragte Männer, die bislang nach eigenen Angaben noch kinderlos sind, befürworten die Gesetzesvorlage überwiegend. Sie entlastet die Frau direkt nach der Geburt.

Arbeitgeber kritisieren Finanzierung

Zwar mag die „Familienstartzeit“ viele Befürworter innerhalb der Bevölkerung gefunden haben, wenn es um die Finanzierungsfrage geht, gibt es auch zahlreiche Kritiker. Denn anders als vom Ministerium mitgeteilt, handelt es sich nicht um Kosten „in Höhe eines geringen Millionenbetrags“ –vielmehr drohen laut Handelsblatt jährliche Mehrkosten in Höhe von 556 Millionen Euro.

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Diese Summe müsste künftig allein von Arbeitgebern gestemmt werden. Angesichts der aktuellen Geburtenstatistik geht die Familienministerin derzeit jährlich von knapp 470.000 Anträgen auf „Familienstartzeit“ aus. Neben dem Kostenfaktor sei allerdings auch erwähnt, dass die Familienministerin der bezahlten Auszeit auch einen nachhaltigen Effekt für den Arbeitsmarkt zuschreibt. Somit soll die „Familienstartzeit“ „besser für die Fachkräftesicherung und die Lebenszufriedenheit auf dem Arbeitsmarkt“ sein.

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