Jetzt zieht er vor das Bundesverfassungsgericht
Tobias will für seinen Sohn ein guter Vater sein - und darf nicht
Er möchte doch nur der Vater seines Sohnes sein…
Ein Polizeiauto – das hat Tobias seinem Sohn zum zweiten Geburtstag geschenkt. Wenn er den Kleinen mal sehen darf, was zur Zeit nur selten und kurz erlaubt ist, dann spielen sie gemeinsam damit. Ihm ist anzusehen, dass er seinen Sohn vermisst. Denn sehen darf er das Kind nur alle zwei Wochen, obwohl er sich mehr wünscht. Wieso ist es für den leiblichen Vater so schwer, sein Kind zu sehen, wenn er sich doch mehr kümmern möchte? Die ganze Geschichte gibt’s im Video.
Vater will Vater sein: Das Polizeiauto als Erinnerung an seinen Sohn
Beim Interview hält Tobias das blau-silbernes Polizeiauto fest umklammert. Es ist eine Erinnerung an seinen Jungen: „Er freut sich über die Geräusche, die Funktionen, die das Auto hat, und er kann sich darin sehr lange auch verlieren“, erzählt Papa Tobias. Doch warum darf er sein eigenes Kind so selten sehen?
Nun, Tobias ist zwar der leiblich Vater des jetzt dreijährigen Kindes – nicht aber der rechtliche! Er hat kein Sorgerecht für seinen Sohn – und das, obwohl er es eigentlich möchte. Schon kurz nach der Geburt habe er sich um die Eintragung als rechtlicher Vater bemüht, erzählt er RTL im Interview, doch dann lief aus seiner Sicht alles furchtbar schief. Er und die Kindesmutter sind nur sehr kurz nach der Geburt des Sohnes zusammen, sie trennen sich, ein anderer Mann zieht ein, kümmert sich um Tobias‘ Sohn.
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Das Problem für Tobias: Das Standesamt hat den Lebensgefährten der Mutter mit deren Zustimmung als rechtlichen Vater eingetragen, nachdem der biologische Vater (Tobias) einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte. Das Verfahren zieht sich – und schließlich blitzt Tobias am Oberlandesgericht Naumburg ab. Denn das Gericht spricht dem neuen Partner auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die rechtliche Vaterschaft zu. Es habe sich bereits eine soziale Beziehung zwischen den beiden aufgebaut, so das Gericht. Der neue Lebensgefährte der Mutter gilt damit als Verwandter des Kindes, er hat das Sorgerecht. Tobias hat nur ein Umgangsrecht, darf seinen Sohn alle zwei Wochen für drei Stunden sehen.

Sorgerecht vor Gericht: Tobias leidet unter der Situation
Die zeitlich knapp bemessenen Besuche laufen immer ähnlich ab: Der 44-Jährige holt zu einem festgelegten Termin das Kind ab, „mein Spross springt mir förmlich entgegen, ruft Papa, freut sich – entsprechend freue ich mich auch.“ Nach eigener Aussage will sein Sohn nach diesen Spieletagen gar nicht mehr von seinem leiblichen Papa weg, wickelt sich in den Anschnallgurt des Autos ein.
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Für Tobias ist die Lage unerträglich. Die Mutter verweigert ihm sogar mehrfach das Umgangsrecht: „Es war auch schon nötig, zwei Umgangsverfahren vor Gericht durchzuführen“, sagt Tobias. Da das Oberlandesgericht seine Klage abgeschmettert hat, greift er jetzt zum nächsten Strohhalm, zieht vor das Bundesverfassungsgericht.
Er hofft, dass endlich mit einer Diskrepanz aufgeräumt wird. Denn seiner Ansicht nach kommen sich in seinem Fall das BGB und das Grundgesetz (GG) in die Quere: Die rechtliche Vaterschaft wiege im BGB mehr als die leibliche Vaterschaft, obwohl laut Grundgesetz der leibliche Vater das Recht habe, auch rechtlicher Vater zu sein. Eine unlösbare Aufgabe für Tobias. Momentan stehe er rechtlich auf einer Ebene mit Großeltern, die einen engeren Kontakt zum Enkelkind wollen. Ein schwach ausgeprägtes Recht. Zudem schnell verwirkt: Würde die Mutter von Tobias‘ Sohn ihm ein Fehlverhalten vorwerfen – er könnte das Umgangsrecht sehr schnell wieder verlieren.

Streit ums Sorgerecht: Entscheidet das Gericht noch einmal ganz neu?
Tobias‘ Fall ist kein Einzelfall, schildert die Anwältin Beatrice Riehm RTL. In der heutigen Zeit, in der sich Familienkonstellationen stark gewandelt hätten, bedürfe es Reformen, um die Gesetze auf die neuen Strukturen anzupassen. „Der Gesetzgeber hat bisher nicht Schritt gehalten.“ Für die Anwältin ist klar: Es geht an erster Stelle um das Kindeswohl. Doch hinter dem Wunsch von Tobias steckt mehr: „Wie lange dauert es überhaupt für ein Kind, eine sozialfamiliäre Beziehung aufzubauen?“ Das Gericht wollte derzeit vermeiden, dass es in solchen Fällen zu Streit unter zwei Vätern komme.
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Der Anwalt der Mutter sagt auf Nachfrage: „Das gefährdet den Familienfrieden, und dieser Familienfrieden ist sehr wichtig für das Kind.“ Doch ist es so, dass eine Familie, in der drei Menschen das Sorgerecht haben, wirklich mehr streitet? Psychologen sind anderer Ansicht: Sie weisen darauf hin, dass Konstellationen mit drei Erziehungsberechtigten nicht zwangsläufig zu Streit und Konflikt führen müssen. Peter Zimmermann vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen betont, um das Engagement der Beteiligten einzuschätzen, müsse man den Einzelfall prüfen.
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Und auch das Verfassungsgericht selbst ist sich bewusst, dass hier vielleicht eine neue Behandlung leiblicher Väter im Raum steht: Verfassungsrichter Henning Radtke macht gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung deutlich, dass das Gericht in einer früheren Entscheidung zwar davon ausgegangen sei, dass sich mehr als zwei Elternteile wegen möglicher Kompetenzstreitigkeiten und Rollenkonflikte negativ auf das Kind und das Kindeswohl auswirkten könnten. Die Grundlagen dieser Annahme seien nun aufzuklären.
Bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fällt, vergehen höchstwahrscheinlich Monate – eine bange Zeit für Tobias. Der deutschen Presseagentur erzählt er: „Wenn ich mein Kind abhole, sieht es mich, rennt auf mich zu und ich krieg Küsschen.“ Sein Sohn nenne ihn Papa – den neuen Mann an der Seite seiner Mutter allerdings nicht. (mit dpa)