Hund adoptieren? Checkliste für eure Planung!Darauf war ich bei der Adoption meines Tierschutz-Hundes nicht vorbereitet

Die ersten Wochen waren das pure Chaos.
Vor zwei Jahren adoptierte ich einen Hund aus dem Tierschutz. Liv hatte die ersten acht Monate ihres Lebens auf der rumänischen Straße verbracht und eigentlich dachte ich damals, dass ich gut vorbereitet in das Abenteuer starten würde. Falsch gedacht: Nach nur wenigen Tagen fühlte ich mich so überfordert und frustriert, dass ich tatsächlich glaubte, den Hund wieder abgeben zu müssen.
Mit ängstlichen Hunden hatte ich keine Erfahrung: Traute ich mir das zu?
Man kann sich noch so gut auf die Adoption eines Hundes vorbereiten – am Ende kommt garantiert doch alles ganz anders. Natürlich kann man nicht alle Tierschutz-Hunde über einen Kamm scheren und behaupten, dass die Tierchen ob ihrer Vergangenheit einfach etwas komplizierter sind als vielleicht der Golden Retriever vom Züchter. Aber man sollte sich zumindest darüber im Klaren sein, dass das Tier eine Vergangenheit hat, die nicht immer überblickbar ist.
Lese-Tipp: Niedersachsens traurigster Hund: Niemand möchte Rüzgar adoptieren
Auch Liv hatte einen kleinen, psychischen Knacks, als ich sie vor zwei Jahren aus dem Tierheim in Dormagen adoptierte. Dort war sie wenige Wochen zuvor aus Rumänien angekommen, wo sie das Partner-Tierheim von der Straße aufgesammelt hatte. Sie war nicht nur verschüchtert, sondern komplett verängstigt und hatte ganz offensichtlich nicht das Verlangen, einen neuen Menschen kennenzulernen. Hinzu kam: Mit unsicheren, eher ängstlichen Hunden hatte ich eigentlich keine Erfahrung. Traute ich mir überhaupt zu, einen solchen Hund zu mir zu nehmen?
Im Video: Tierschutz in Rumänien - deshalb ist Kastration so wichtig
Frustriert und überfordert: Nur wenige Tage nach der Hunde-Adoption herrschte Chaos
Dass ich mich am Ende für Liv entschied, war reines Bauchgefühl. Aber ich war froh, dass ich Ansprechpartner hatte, denn die ersten Wochen waren gelinde gesagt das pure Chaos.
Weder ich noch Liv schliefen die ersten Tage viel. Sie erkundete nachts mit viel Getöse die Wohnung und weckte mich alle paar Stunden, weil sie nach draußen wollte. Nicht, um ihr Geschäft zu machen, sondern weil nachts draußen weniger los war und sie in sicheren Gefilden endlich die Nachbarschaft erkunden konnte. Fressen wollte sie zu der Zeit gar nichts, egal, was ich ihr anbot. Stattdessen mampfte sie mehrere Kuscheltiere und einen Teppich und erbrach sich überall dort, wo es besonders schwierig wegzuwischen war.
Lese-Tipp: Gefundenes Fressen: Was sollte mein Hund auf keinen Fall essen?
Am vierten Tag dann der Knall: Liv versuchte von dem – zum Glück hundesicheren – Balkon zu springen. Als ich voller Panik „Nein!“ schrie, erschrak sie so heftig, dass sie eine Spur von Hundeknödeln von meinem Balkon durch das Wohnzimmer, den Flur bis in die Dusche legte. Dort stieß Liv gegen meinen Putzeimer, erschrak sich ein weiteres Mal und rannte daraufhin den kompletten Weg wieder zurück, um ihn nun auch noch mit Pipi-Pfützen zu pflastern. Den restlichen Tag verkroch sie sich neben dem Sofa und traute sich nicht mehr raus aus der Ecke.
Eure Meinung interessiert uns!
Ich überlegte, meinen Hund wieder abzugeben
In diesem Augenblick dachte ich tatsächlich: Vielleicht war die Adoption doch ein Fehler. Ich bin überfordert, vielleicht sollte ich Liv wieder zurückgeben. In meiner sehr menschlichen, aber auch egoistischen Wahrnehmung sollte sich Liv doch eigentlich über ihre Adoption freuen. Sie bekam jeden Abend geiles Fressen, hatte einen Korb voller Spielsachen, ein plüschiges Wolkenkissen und lernte vor der Haustür jede Menge netter Hunde und Zweibeiner kennen. Eine Welt voller Abenteuer eben.
Was ich jedoch nicht bedacht hatte, war, dass Liv meine Welt gar nicht kannte und von ihr total eingeschüchtert war. Stattdessen hatte ich erwartet, dass Liv ihre Vergangenheit vergaß, sobald sie durch meine Haustür trat und fühlte mich persönlich angegriffen, als das nicht der Fall war.
Lese-Tipp: Unbändige Freude begeistert das Netz: Tierheim filmt Hunde im Moment ihrer Adoption
Wer einen Tierschutz-Hund adoptieren will, sollte sich im Vorhinein also auch klar sein, dass das Tier sehr, sehr viel Geduld in Anspruch nehmen könnte.
Eingewöhnung mit Tierschutz-Hund: Nach ein paar Wochen rauften Liv und ich uns zusammen
Am Ende des Tages gab ich Liv (natürlich) nicht wieder ab. Ich hatte mich bewusst für sie entschieden und sie hatte sich nicht nur meinem Leben anzupassen, sondern ich mich auch dem ihrigen. Ich hatte beschlossen, sie zu einem Teil meiner Familie zu machen, nicht sie – und zu dieser Entscheidung würde ich stehen.
Zum Glück hatte ich meine hundeerfahrene Familie im Rücken, die mich damals wie heute unterstützt. Das Rezept meiner Mutter zur Moroschen Möhrensuppe half damals auch gegen Livs Teppich-Bauchschmerzen.
Ansonsten kann ich jedem, der mit dem Verhalten seines Hundes Probleme hat, zu einem Hundetrainer raten. Auch wenn euer Tier nicht bissig ist und „nur“ Verhalten zeigt, das euch überfordert. Denn wir sind nun mal keine Hunde und können kein „hündisch“ – unsere Vierbeiner können uns nicht einfach von ihren Problemen erzählen. Ein Hundetrainer kann euch aber zumindest Übersetzungshilfe leisten.
Lese-Tipp: Acht Möglichkeiten, eurem Hund eure Liebe zu zeigen
Natürlich haben Liv und ich noch heute Kommunikationsprobleme, aber das ist okay, solange sie nicht erneut versucht, vom Balkon zu springen. Doch so platzte nach etwa einem halben Jahr bei uns der Knoten. Nicht mit Pauken und Trompeten, sondern ganz leise, als Liv sich einfach neben meinen Bürostuhl legte und am Bauch gekrault werden wollte. Von einem Hund, der einst vor mir davon lief und sich in der Ecke verkroch, kann es wohl kaum einen größeren Liebesbeweis geben.

Unsicher, ob ein Tierschutz-Hund das Richtige für euch wäre? Unsere Checkliste hilft!
Wer einen Hund aus dem Ausland adoptieren will, sollte sich also vorab gründlich Gedanken darüber machen. Grundsätzlich eignen sich Tierschutz-Hunde (auch aus dem Ausland) für jeden, wie Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund im RTL-Gespräch erklärt. „Es ist aber wichtig, dass der individuelle Hund zu einem passt“, sagt sie.
Lese-Tipp: Sechs Fragen, die ihr euch als zukünftiger Tierhalter stellen müsst
Deshalb empfiehlt sie, den Hund über einen seriösen, gemeinnützigen Verein zu adoptieren. In vielen Fällen arbeiten diese mit deutschen Tierheimen zusammen, wo der Hund erst einmal unterkommt, nachdem er in Deutschland eingereist ist. Dort wird er vom Tierarzt durchgecheckt und die Mitarbeiter können das Tier kennenlernen. So werde sofort klar: Welchen Hund habe ich vor mir, was bringt er mit und wen braucht es als Mensch? „Im Tierheim oder auf einer Pflegestelle besteht außerdem die Möglichkeit für Interessenten, den Hund vorher kennenzulernen, um sicherzugehen, dass alles passt“, sagt Schmitz. „Sollte der neue Halter später Probleme mit dem Tier haben, hat er vor Ort Ansprechpartner und das Tierheim könnte den Hund im Notfall auch zurücknehmen.“
Ansonsten sollten Interessenten sich über folgende Dinge Gedanken machen:
Welche Erwartungen habe ich an den Hund? Muss er beispielsweise mit Kindern oder anderen Tieren klarkommen?
Habe ich mich im Vorfeld ausführlich informiert und bin mir im Klaren über die Bedürfnisse eines Hundes?
Was kostet mein Hund auch langfristig? Kann ich, über Steuer, Versicherungen, Futter und akuten Tierarztkosten den Hund auch im Alter versorgen, wenn er alt ist und womöglich Medikamente nehmen muss?
Wie ist meine Wohnsituation? Benötige ich eine Erlaubnis des Vermieters?
Was passiert mit dem Hund, wenn ich im Urlaub bin?
Wie arbeite ich? Ist Homeoffice möglich oder darf das Tier mit ins Büro?
Steht die Familie hinter der Entscheidung? Kann sie in Krankheitsfällen den Hund auch mal übernehmen oder muss jedes Mal ein Hundesitter angefragt werden?
Wenn es dann zwischen Hund und neuem Halter passt, steht einem gemeinsamen, abenteuerlichen Leben nichts mehr im Wege.