Tierheime überfüllt! Vorstoß der Stadt Rastatt sorgt für Wirbel
Werden kranke und verhaltensauffällige Hunde eingeschläfert? RTL hakt nach
Deutsche Tierheime platzen aus allen Nähten, aber darf man deshalb kranke oder verhaltensauffällige Hunde einschläfern?
Eine Frage, die nicht nur Tierbesitzer an ihre Grenzen bringt. Hintergrund: Die Stadt Rastatt stellte beim örtlichen Tierheim eine Anfrage, ob das Einschläfern von Hunden eine letzte Möglichkeit sein könnte, um Platz für neue Tiere zu schaffen. Menschen deutschlandweit zeigen sich entsetzt. RTL-Reporter Thorsten Sleegers will sich selbst ein Bild von der Lage machen und gemeinsam mit den Verantwortlichen nach Lösungen suchen.
„Wir waren total platt, als die Anfrage kam!"

Sibylle Fritz ist immer noch sprachlos, als ich sie zum Interview im Rastatter Tierheim treffe. Sie ist erste Vorsitzende des Tierschutzvereins und kümmert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich um die Einrichtung. „Wir haben direkt gesagt, dass das auf keines unserer Tiere zutrifft“, erzählt sie mir. Schließlich würde man täglich mit ihnen arbeiten, um sie auf eine Vermittlung vorzubereiten – egal ob es sich um „Problemhunde“ handelt oder um traumatisierte Tiere, die behutsam zurück in ein angstfreies Leben geführt werden müssen.
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Die beiden Leiterinnen des Tierheims, Saskia Joeres und Silke Vierboom, hätten schon so manchen „schwierigen Kandidaten“ wieder auf die Spur bekommen. Dementsprechend entsetzt ist Sibylle Fritz: „Diese Anfrage war wie ein Schlag ins Gesicht! Das hieße ja, dass unsere Arbeit umsonst gewesen wäre.“
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Voll belegt, aber top organisiert

Bei meinem Besuch in Rastatt lerne ich nicht nur viele tolle Hunde kennen, mir fällt auch auf, wie entspannt das Team alles organisiert. Aktuell sind fast doppelt so viele Hunde da, wie es die Kapazitäten hergeben. Dieses Problem hat die Tierheimleitung durch Doppelbelegung in den Gehegen gelöst, sofern sich die jeweiligen Tiere untereinander verstehen. Das schöne Wetter und die großen Außengehege haben sich im Sommer ausgezahlt.
Die Hundetrainerinnen arbeiten täglich mit den Tieren. Da ist z.B. Bullterrier-Rüde Theisson, der anfangs schwierig war und inzwischen lammfromm und verschmust ist. Warum? Weil er hier eine klare Führung und Erziehung kennenlernen darf und artgerecht beschäftigt wird. Leider würden das viele Menschen unterschätzen, die sich unüberlegt einen Hund kaufen, erzählt mir Sibylle Fritz während der Dreharbeiten.
„Unsere Stadt befindet sich in einem Dilemma"
Man habe die Pflicht, verhaltensauffällige Kampfhunde zu beschlagnahmen, Tierheime in ganz Deutschland seien aber überfüllt, erklärt mir eine Sprecherin der Stadt Rastatt. Deshalb habe man beim Tierheim angefragt, ob als „ultima ratio“, also als letzte Möglichkeit, eine Einschläferung in Frage kommen könne – alles in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz. Solche Überlegungen könnten herangezogen werden, wenn das Tier schwere Leiden habe oder nicht behebbare Verhaltenstörungen aufweise.
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Kopfschütteln ist die Reaktion bei den meisten Menschen, mit denen ich auf dem Rastatter Wochenmarkt über den Vorschlag des Ordnungsamtes spreche. Viele sind hier mit den eigenen Hunden unterwegs. „Das wäre die einfache Lösung“, sagt ein Familienvater, „aber es wäre doch viel sinnvoller in ein Hundetraining zu gehen und die Tiere zu sozialisieren.“
Deutscher Tierschutzbund wirft Kommunalpolitik Versagen vor

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ist empört über eine derart zynische Anfrage, wie er sie nennt. Man habe schon lange vor einem Kollaps in den Tierheimen gewarnt. Die Corona-Krise und die gestiegenen Tierarztkosten würden das Thema jetzt auf die Spitze treiben: „Wir brauchen mehr Geld, um die Tierheime auszubauen, damit wir mit den Tieren, die länger dort bleiben, arbeiten können.“ Und genau das zahlt sich aus, wie ich in meiner Reportage am Beispiel von Ronny Heckendorf und seinem Labrador-Mischling Thilou zeige. Der Vierbeiner war als Problemhund im Rastatter Tierheim gestrandet und durfte nur mit Maulkorb spazieren gehen. Heute hat der vierjährige Rüde sein Verhalten ins Gegenteil verkehrt – verschmust, verspielt und voller Lebensfreude.
In einem sind sich die Stadt Rastatt und die Tierheimleitung aber einig: Damit Hunde erst gar nicht im Heim landen, ist ein Umdenken bei den Haltern nötig. Viel zu häufig würden Fehlentscheidungen getroffen und unüberlegt Tiere gekauft. Daran müsse sich dringend etwas ändern.
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Sibylle Fritz und ihr Team hoffen auf mehr Unterstützung nach den Kommunalwahlen. Sie plädieren für eine Registrierung von Hunden, bei der – ähnlich wie bei Fahrzeugen – der Halter oder eben auch der Halterwechsel genau dokumentiert werden. Durch Chips und Haustierregister seien diese Möglichkeiten längst gegeben, so könne man unüberlegte Anschaffungen deutlich eingrenzen. Definitiv ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.