Schlechte Noten für SexualkundeDeutsche Schüler lernen zu wenig über Sex und Geschlechtskrankheiten

Jugendliche kommen heute immer früher in Kontakt mit dem Thema Sex, gleichzeitig steigt die Zahl der Infektionen mit Geschlechtskrankheiten wie Syphilis oder Chlamydien. Gut aufgeklärt zu werden, ist also so wichtig wie nie. An deutschen Schulen wird das Thema Sexualkunde allerdings stiefmütterlich behandelt. Zu dem Schluss kommt eine neue Studie des Digital-Health-Unternehmens "Fernarzt.com", die die Sexualkunde-Lehrpläne der einzelnen Bundesländer untersucht hat. Die Ergebnisse geben Anlass zur Sorge.
Im Video erklärt Sexualtherapeutin Beatrice Wagner, warum die Sexualbildung an den Schulen problematisch ist und was sich hier ändern muss.

Viele Bundesländer haben gar keine Sexualkunde-Richtlinien

Für die Studie wurde die Sexualbildung an Schulen in den einzelnen Bundesländern mit einem Punktesystem bewertet. Kriterien waren hier etwa die Aktualität der Unterrichtsinhalte und -Materialien und wie konkret die Lehrpläne hinsichtlich der Sexualkunde werden.

Im Ranking schnitt das Saarland mit 9,5 von 13 möglichen Punkten am besten ab. Schlusslicht ist Niedersachsen: Hier wurden nur 3 Punkte erreicht. Aber auch viele andere Bundesländer wie Hamburg, Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen kamen auf weniger als sechs Punkte.

Nur sieben der 16 Bundesländer haben überhaupt einen eigenen Rahmenlehrplan oder eigene Richtlinien für die Sexualkunde im Unterricht, zwei davon wurden in den letzten drei Jahren überarbeitet. Manche Unterrichtsinhalte, mit denen Jugendliche aufgeklärt werden, stammen noch aus den 1980er Jahren - unter anderem die Inhalte zum Thema Aids, die den Schülern in Bayern und Schleswig-Holstein vermittelt werden.

Sexuell übertragbare Krankheiten müssen in den Fokus rücken

Schüler in der Schule
Viele Geschlechtskrankheiten werden im Schulunterricht gar nicht besprochen.
iStockphoto

Zwar gehen die Ansteckungsraten von HIV und Aids seit einigen Jahren zurück, es stecken sich aber immer mehr Menschen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten an. So hat sich zum Beispiel die Zahl der bestätigten Syphilis-Infektionen seit 2010 mehr als verdoppelt - damit ist Deutschland einer der Spitzenreiter in Europa. Auch bei Chlamydien, die oft unentdeckt bleiben, bei Frauen aber zu Unfruchtbarkeit führen können, steigt die Ansteckungsquote rasant. Diese Geschlechtskrankheit aber wird in den meisten Lehrplänen überhaupt nicht erwähnt.

Die Verbreitung dieser Krankheiten unter Jugendlichen und späteren Erwachsenen kann nur durch Prävention und Wissen verhindert werden. Umso besorgniserregender sind die Ergebnisse der Studie, die drastisch zeigen, wie viel Nachholbedarf bei der Sexualerziehung an Schulen noch besteht.

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Leitlinie des Bundesgesundheitsministeriums existiert seit 2016

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat bereits 2016 einen Plan ausgearbeitet, mit dem junge Menschen besser aufgeklärt und die Ansteckungsraten mit sexuell übertragbaren Krankheiten eingedämmt werden sollten. Die dabei entstandene Publikation "BIS 2030: Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren Infektionen" sollte dazu als Leitlinie dienen.

In dem Plan wurde auch festgesetzt, dass Schulen für eine "qualitätsgesicherte Sexualaufklärung" sorgen und Schüler mit aktuellen Informationen versorgen sollen. Jetzt zeigt die Studie, dass es drei Jahre nach Veröffentlichung des Leitfadens leider noch ganz anders aussieht.