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Sophia Thorer (34) nach Geburt ihres Babys: „Mir ging es noch nie so schlecht in meinem Leben“

Sophie Thorer
Endlich Mama sein! Doch was, wenn man sein Mutterglück nach der Geburt erst gar nicht genießen kann? Ärztin und Influencerin Sophia Thorer (34) kann sich daran noch genau erinnern.
privat / Sophie Thorer
von Vera Dünnwald

Man übersteht die Geburt – und dann?
Neun Monate wartet man voller Vorfreude auf das Kind, das man als Mama so lange unter dem Herzen trägt. Doch statt einer rosaroten und kuscheligen Kennenlernzeit sehen sich manche Mütter plötzlich mit Gefühlen wie Trauer, Verzweiflung und Leere konfrontiert. Influencerin und Ärztin Sophia Thorer (34) erreicht wenige Tage nach der Geburt ihres Sohnes einen persönlichen Tiefpunkt. Mit uns spricht sie über die traumatische Zeit – und will mit Klischees aufräumen.
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Emotions-Chaos nach der Geburt: Banale Situation bringt Sophia Thorer plötzlich zum Weinen

Nach der Geburt, mitten im Wochenbett, kann es sein, dass man sich schlecht fühlt. Ausgelaugt. Müde. Traurig. Verzweifelt. Hilflos. Und das, obwohl man stolz ist, ein Kind geboren zu haben und überglücklich ist, dieses endlich in den Armen zu halten. Diese Gefühle sind in gewisser Weise auch normal. Schuld sind die Hormone, die verrückt spielen. Der sogenannte Babyblues eben.

„Ich war mir dessen bewusst – vor allem, weil ich selbst Ärztin bin, mit meiner Frauenärztin darüber gesprochen habe und auch nach der Entbindung von den Ärzten aufgeklärt wurde. Ich dachte aber ehrlich gesagt, dass man dann einfach ein bisschen launischer ist, ein bisschen neben sich steht. Ich war mir sicher, dass ich das aufgrund meines Berufs bestimmt rational sehen kann“, erzählt Sophia Thorer im RTL-Interview.

Doch dem ist nicht so.

Als ihr Sohn im Mai 2023 zur Welt kommt, steht ihre Welt Kopf. Die 34-Jährige aus München erinnert sich: „Vier bis fünf Tage nach der Entbindung, als ich wieder zu Hause war, hatten mein Mann und ich eine eigentlich total banale Situation, in der ich aber zum ersten Mal gemerkt habe, dass etwas nicht stimmt. Wir hatten Pizza bestellt und wollten gerade essen, als der Kleine in dem Moment auch Hunger hatte. Ich bin in Tränen ausgebrochen, weil ich meine Pizza nicht essen konnte. Da dachte ich mir schon ‘Okay, das ist jetzt etwas seltsam’.“

Auch beim Spazierengehen bricht sie in Tränen aus, fühlt sich „unfassbar traurig“. „Ich habe ständig gesagt, dass ich das nicht schaffe, dass ich das alles nicht kann. Ich war so hilflos, so überfordert“, sagt sie.

Das Gedankenkarussell dreht sich: „Wieso fühle ich mich nicht überglücklich? Wieso fühle ich mich nicht so, wie mir alle vorher gesagt haben? Wie schön das alles sei? In meinem Inneren sah es ganz anders aus.“

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„Wenn ich jetzt über die Straße gehe und überfahren werde, ist egal“

Woher kommt diese unerklärliche, plötzlich auftretende Traurigkeit?

„Im Kopf war natürlich immer der Gedanke, dass das der Babyblues und die Umstellung ist. Aber diese unfassbare Verzweiflung, die ich in dem Moment gefühlt habe, war so schlimm. Zumal ich auch wirklich ganz leichte Gedanken hatte von wegen ‘Ach, wenn ich jetzt über die Straße gehe und überfahren werde, ist egal’. Man ist wie paralysiert und einfach extrem traurig“, so Thorer.

Trotzdem stellt sie klar: „Man liebt sein Kind, das man gerade geboren hat. Das hat damit nichts zu tun. Aber man ist den eigenen Gefühlen einfach ausgeliefert. Man muss sich vorstellen, dass die Hormone eine biochemische Reaktion des Körpers sind. Darauf hat man gar keinen Einfluss, das ist wie eine Erkrankung.“

Die frisch gebackene Mama steht in engem Kontakt mit ihrer Hebamme, die alles engmaschig kontrolliert. Doch auch sie sagt deutlich: Wenn es Sophia nicht bald besser geht, müsse sie zum Arzt. Verdacht auf postnatale Depression. „Sich zwei Wochen so extrem traurig zu fühlen, ist im Rahmen. Aber danach sollte man das angehen“, so die 34-Jährige.

Ungefähr zwei Wochen dauert es auch bei Sophia. Sie sagt: „Es ist tatsächlich von Tag zu Tag besser geworden und ich habe endlich etwas mehr Freude verspürt – und weniger Verzweiflung.“

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Tabuthema Babyblues: Wir müssen mehr darüber sprechen, wenn es Mamas nicht gut geht!

Sophia möchte ihre Geschichte erzählen, um auf das Tabuthema Babyblues aufmerksam zu machen: „Es ist einfach nicht in Ordnung, nicht darüber zu sprechen. 85 Prozent der Frauen sind betroffen, bei manchen geht die Traurigkeit nach Stunden weg, bei manchen nach Tagen – aber bei manchen wird daraus eine richtige Depression mit Suizidgefahr. Das ist sehr erschreckend. Deswegen sollte das Ganze viel präsenter sein. Es sind eben nicht immer nur süße Babyfüße nach einer Schwangerschaft und Geburt.“

Es sei eine krasse körperliche und mentale Umstellung. Dass Schamgefühle entstehen, weil niemand darüber redet, sei für die 34-jährige Mama inakzeptabel.

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Ihr Tipp für werdende Mütter: den Emotionen freien Lauf lassen, die Dinge geschehen lassen. „Auch wenn es schwierig ist, aber das ist der einzige Weg dadurch. Die Gefühle, die plötzlich auftauchen, annehmen, akzeptieren und aushalten.“

Außenstehenden, wie den Vätern oder anderen Familienmitgliedern, empfiehlt sie, einfach zuzuhören. „Manchmal bedarf es keinen Rat und es reicht, Verständnis zu zeigen“, so Sophia.

Ansonsten gilt für sie: „Es ist okay, als Neu-Mama zu weinen und nicht der überglücklichste Mensch zu sein. Das gilt nicht nur für kurz nach der Geburt, sondern sollte dauerhaft gelten, dass Mamas in unserer Gesellschaft offen und ehrlich sagen dürfen, wenn sie sich mal überfordert fühlen.“

Schließlich sind wir alle keine Roboter. Sondern Menschen.

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Hier gibt es Hilfe bei Depressionen!

Depressionen gehören zu den verbreitetsten Krankheiten weltweit und werden doch häufig unterschätzt. Es ist aber wichtig, sie frühzeitig zu erkennen.

Wenn ihr unter Depressionen leidet, können euch diese Beratungsstellen helfen.

Wenn ihr suizidale Gedanken habt, wendet euch sich bitte sofort an die Telefonseelsorge (www.frnd.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erreicht ihr Menschen, die Ihnen die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.