Warum es so wichtig ist, über postpartale Depressionen zu sprechenMutter nimmt sich neun Tage nach der Geburt ihrer Zwillinge das Leben

Ariana Suttons Zwillinge und ihre vierjährige Tochter müssen jetzt ohne ihre Mama aufwachsen.
Ariana Suttons Zwillinge und ihre vierjährige Tochter müssen jetzt ohne ihre Mama aufwachsen.
GoFundMe
von Caroline Gall

Ariana Suttons Zwillinge sind erst neun Tage alt, als sich die junge Mutter das Leben nimmt. Der Grund: postpartale Depressionen. Jetzt müssen ihre Kinder ohne Mama aufwachsen. Unser Medizin-Experte Dr. Christoph Specht erklärt, woran Sie die tückische Erkrankung erkennen und was Sie dagegen tun können.

Postpartale Depressionen sind keine Lappalien

Ariana Suttons Zwillinge und ihre vierjährige Tochter müssen jetzt ohne ihre Mama aufwachsen.
Tyler Sutton muss sich jetzt alleine um die neugeborenen Zwillinge und die vierjährige Melody kümmern.
GoFundMe

Was Tyler Sutton momentan durchmachen muss, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Der junge Vater versucht es trotzdem und erzählt dem US-Nachrichtenmagazin TODAY.com in einem Interview von den letzten tragischen Wochen, nachdem seine Frau Ariana und er erneut Eltern werden. Das Paar hat bereits eine vierjährige Tochter, Melody, als die Zwillinge Everly und Rowan ein paar Wochen zu früh zur Welt kommen.

„Sie fing an, darüber zu reden, dass sie sie wieder in ihrem Bauch haben wollte. Ich dachte: ‘Schatz, es wird ihnen gut gehen.’ Sie kamen früh, aber sie sind gesund und sie haben ein tolles Team von Leuten, die rund um die Uhr auf sie aufpassen“, erinnert sich Tyler. „Aber ich konnte nicht zu ihr durchdringen. Niemand konnte zu ihr durchdringen.“

Ariana leidet erneut an einer postpartalen Depression. Bereits nach der Geburt ihrer ersten Tochter Melody macht sie die schlimme Phase durch. Und jetzt wieder. Einmal sagt Ariana zu ihrem Mann Tyler, es sei, als hätte sich eine kleine Person in ihrem Kopf eingenistet.

„Diese kleine Person würde all die positiven Dinge übertönen, die die Leute ihr sagen. Und es würde sie anschreien: ‘Du bist eine schlechte Mutter! Du machst deinen Job nicht! Das ist deine Schuld! Alles ist deine Schuld!‘“, erzählt Tyler im Interview. „Es war, als könnte sie über diese Stimme nichts anderes hören.“

Bei 10-15 Prozent der Frauen tritt eine postpartale Depression auf. Aber:

Was ist eine postpartale Depression?

„Die postpartale Depression ist eine waschechte Erkrankung, bei der Frauen beispielsweise Appetitlosigkeit, Antriebslosigkeit oder auch Suizidgedanken verspüren. Das ist ganz anders als beim Baby-Blues. Ein Baby-Blues ist eine depressive Verstimmung, die locker doppelt so häufig auftritt, aber von den Symptomen her sehr viel schwächer und auch viel kürzer ist. Manchmal dauert der Baby-Blues nur wenige Stunden“, erklärt Dr. Christoph Specht RTL.

Die Symptome:

  • Erschöpfung

  • Leere

  • sexuelle Unlust

  • Stimmungsschwankungen

  • Traurigkeit: Pessimismus, häufiges Weinen

  • mangelndes Selbstvertrauen

  • Schuldgefühle, zwiespältige Gefühle dem Kind gegenüber

  • Konzentrationsprobleme

  • Schlafstörung

  • Ängste, Panikattacken

  • Zwangsgedanken

  • Reizbarkeit

  • sozialer Rückzug

  • körperliche Beschwerden wie zum Beispiel Schwindel, Rückenschmerzen oder Benommenheit

Häufig kursiert übrigens auch der Begriff postnatale Depression und meint dabei das gleiche Krankheitsbild. PostNATAL beschreibt aber die Zeit nach der Geburt, bezogen auf das Kind. Mit postPARTAL hingegen meint man den Zeitraum nach dem Gebären, bezogen auf die Mutter.

"Ich dachte, wenn ich wachsam bleibe, wäre beim zweiten Mal alles in Ordnung“

Gerade wenn eine Frau schon einmal eine postpartale Depression erlitten hat, wie Ariana Sutton bei ihrer Tochter Melody, sollte man wachsam sein und die behandelnden Ärzte und Hebammen einweihen.

Genau das tun Ariana und Tyler Sutton, als Ariana mit den Zwillingen schwanger wird. Zu groß ist die Angst, dass sie wieder depressiv werden könnte. Und trotzdem, die beiden sind machtlos.

„Was ihr innerhalb weniger Wochen passiert ist, geschah dieses Mal innerhalb weniger Tage“, erzählt Tyler Sutton in der US-Talkshow Good Morning America. „Und obwohl wir einen Plan hatten, konnten wir nicht vorhersagen, dass dies so schnell und plötzlich passieren würde. Es kam einfach aus dem Nichts und wir waren nicht bereit.“

Die Ursachen

Treffen kann es theoretisch jede frisch gebackene Mutter, erklärt Dr. Christoph Specht:
„Woran das liegt, weiß man nicht ganz genau. Die derzeitige Idee ist natürlich allen voran eine hormonelle Umstellung. Man geht davon aus, dass das plötzliche Absinken von Östrogen eine Rolle spielen könnte, wahrscheinlich reicht das alleine aber auch nicht aus. Dann kommen psychosoziale Faktoren dazu, Schuldgefühle können dazu kommen.“

Der wohl wichtigste Rat von Dr. Specht: Nicht vor lauter Schamgefühl schweigen!

„Wenn Frauen denken: ‘Wie kann ich Rabenmutter nicht das Glück der ganzen Welt empfinden?’, dann haben Frauen oft ein starkes Schamgefühl und versuchen, das zu verdrängen. Sie spielen oft etwas vor. Das ist ganz gefährlich“, erklärt Dr. Christoph Specht.

Die Therapie

Daher rät der Medizinexperte zu Offenheit, auch wenn es vielleicht erst schwer fallen mag. Postpartale Depressionen lassen sich in der Regel gut behandeln, wenn man rechtzeitig eingreift.

„Die Therapie ist ähnlich wie bei einer normalen Depression: Psychotherapie und Medikation. Antidepressiva wirken auf mehreren Ebenen, unter anderem fördern sie den Antrieb und die Stimmungsaufhellung. Das dauert aber zwei bis drei Wochen. Die Antriebssteigerung beginnt allerdings vor der Stimmungsaufhellung, daher muss man die Frau in den ersten Wochen der Medikation gut beobachten“, rät Dr. Christoph Specht.

Lese-Tipp: Neue Hoffnung bei postpartaler Depression: Infusion verspricht schnelle Besserung

Hier können Sie weitere Unterstützung und weitere Informationen finden, für sich selbst oder eine Frau in Ihrem Umfeld:

  • Schatten & Licht e. V.

  • deutsche Depressionshilfe

  • Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker

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Im Video: auch Kylie Jenner hatte postpartale Depressionen nach Söhnchen Aires Geburt

Bald dürfen die Zwillinge nach Hause

„Ariana war Melodys Lieblingsmensch auf der Welt“, erzählt Tyler TODAY.com. „Sie war die perfekte Mutter.“ Jetzt muss Tyler alleine für drei kleine Kinder sorgen.

Menschen aus dem näheren Umfeld der Familie haben online einen Spendenaufruf eingerichtet, um Geld für den alleinerziehenden Vater zu sammeln.

Vor wenigen Tagen postet ein der Familie nahestender Freund auf der Plattform Gofundme: „Everly und Rowan wiegen jetzt beide über fünf Pfund und sind gesund, sie sind mit ihren Entwicklungsmeilensteinen auf dem richtigen Weg. Melody bereitet sich darauf vor, Vollzeit eine große Schwester zu sein, da die Zwillinge in den kommenden Wochen aus dem Krankenhaus entlassen werden.“

Tyler Sutton hofft, dass durch die Geschichte seiner Familie mehr Frauen dazu ermutigt werden, ihre eigenen Erfahrungen mit einer postpartalen Depression zu beschreiben, damit mehr Menschen die Anzeichen kennen.

Hilfe bei Depressionen oder Suizidgedanken

Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de.