"Schreib mir, wenn du zu Hause bist"
So unsicher fühlen sich Frauen nachts auf dem Nachhauseweg

Der Mordfall der 33-jährigen Sarah Everard aus Südengland sorgt weltweit für Bestürzung. Die junge Britin wurde am 3. März zuletzt in Caplam, einem Viertel in Südlondon, gesehen. Sie hatte dort das Haus eines Freundes verlassen und sich zu Fuß auf den Heimweg gemacht. Doch dort kam sie nie an. Am 12. März fand die Polizei den Leichnahm der zuvor als vermisst gemeldeten jungen Frau in einem Waldstück in der Grafschaft Kent.
Die Reaktionen auf den Fall zeigen: Das Thema Sicherheit auf dem Nachhauseweg trifft den Nerv vieler Menschen. Besonders Frauen fürchten sich davor.
Der Hashtag #textmewhenyougethome geht viral
Am Samstag versammelten sich hunderte Menschen in London, um Sarah Everard zu gedenken und um ihre Stimme erheben – gegen Belästigungen und Gewalt an Frauen. Auch im Netz trendet das Thema Sicherheit für Frauen. Der Hashtag #textmewhenyougethome geht zurzeit auf Instagram und Co. viral. Unter diesem schildern Menschen weltweit, welche Erfahrungen sie schon auf dem nächtlichen Nachhauseweg gemacht haben.
Darunter auch die Personal Trainerin und Influencerin Lucy Mountain. Auf Instagram postete sie den Screenshot einer Whatsapp-Nachricht. Deren einziger Inhalt: „Text me when you get home“ (zu Deutsch: Schreib mir, wenn du zu Hause bist) – ein Satz, der für Frauen zum Alltag gehöre, wie Lucy glaubt. In ihrem Post fasst sie zusammen, welche Maßnahmen Frauen auf dem nächtlichen Weg ergreifen, um sich ein wenig sicherer zu fühlen:
„Wir haben alle unsere Live-Standorte geteilt.
Wir haben alle unsere Schuhe gewechselt.
Wir haben alle unsere Schlüssel zwischen unseren Fingern gehalten.
Wir haben alle Telefonanrufe getätigt, sowohl echte als auch unechte.
Wir haben alle unsere Haare in unsere Mäntel gesteckt.
Wir sind alle durch dunkle Straßen gerannt.
Wir haben uns alle mögliche Fluchtwege überlegt.“
Mit diesen Worten scheint Lucy Mountain unzähligen Frauen aus der Seele zu sprechen. Ihr Post wurde mittlerweile fast 2,7 Millionen Mal gelikt und tausendfach kommentiert.
Wir fragen die RTL-Leser: Wie unsicher fühlen Sie sich nachts auf dem Heimweg?
Wir haben unsere Leser auf Facebook gefragt, welche Erfahrungen sie auf dem nächtlichen Heimweg gemacht haben und ob sie sich dabei unsicher fühlen. Viele berichten uns: Ja, sie haben Angst! Einige treffen sogar regelmäßig Sicherheitsvorkehrungen, um sich vor Übergriffen, Belästigung oder unangenehmen Situationen zu schützen. Hier nur einige von vielen besorgten Stimmen:
"Ich hatte bis Oktober 2018 keine Angst. Aber eines Abends bzw. nach der Disco wurden meine beste Freundin und ich von 5 Männern verfolgt. Ungefähr eine Stunde lang Todesangst und nur am Rennen und verstecken. Danach konnte ich gar nicht mehr alleine rausgehen, wenn es dunkel war. Jedes Mal war ich kurz vor der Panikattacke. Mittlerweile geht's einigermaßen."
"Ich glaube, fast jede Frau die nachts unterwegs ist, hat schon mal was erlebt und fühlt sich unwohl. Ich bin relativ häufig entweder vor oder nach der Arbeit im Dunkeln unterwegs. An eine Situation erinnere ich mich gut. An der S-Bahn-Haltestelle haben sich 4 junge Männer danebenbenommen. Zum Glück kamen aus einem Casino in der Nähe Männer zu Hilfe."
„Alle paar Meter guckt man nach hinten... Aber leider auch schon tagsüber. Wenn ein Mann an mir vorbeigeht, gucke ich kurze Zeit später, ob er auch wirklich normal weiter geht."
"Ich sprinte dann förmlich nach Hause, ich habe dann definitiv keine Musik auf den Ohren, meine Augen sind dann überall und ich höre dann besser als ein Luchs! Das ist nicht übertrieben geschrieben, das ist durch diverse Erfahrungen so gekommen! Zudem lasse ich mich doch tatsächlich oft nach Hause bringen oder fahre mit dem Taxi. Selbst im Taxi und den Weg vom Taxi zur Haustür mag ich nicht!"
"Wenn ich allein unterwegs wäre, was mega selten vorkommt, dann ruf ich einen meiner Leute an und schicke meinen Live-Standort!"
"Ich bin zwar männlich, aber ich kann definitiv bestätigen, seit Covid-19 da ist, ist es nicht ungefährlicher geworden. Ich bin jeden Tag auf der Straße, um zu meinen Patienten bzw. Klienten zu kommen (ambulanter Pflegedienst).Die Anfeidungen und Gereiztheit, sogar das körperliche Angehen der Menschen, wird definitiv immer schlimmer."
Haben Sie ähnliche – oder ganz andere Erfahrungen auf dem Nachhauseweg gemacht? Dann berichten auch Sie uns davon, hier in den Kommentaren auf Facebook.
Angst auf dem Weg nach Hause? Das können Sie tun
Die Dunkelheit und Angst vor Belästigungen oder Übergriffen machen den Heimweg für viele Menschen zur Tortur. Um ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu schenken, haben Frances Berger und Anabell Schuchhardt das Heimwegtelefon gegründet. Wer sich auf seinem Nachhauseweg unwohl fühlt, kann die Berliner Nummer 030/12074182 wählen und wird mit einem Mitarbeiter vom Heimwegtelefon verbunden. Ein nettes Gespräch oder beruhigende Worte helfen dem Anrufer dabei, sich auf den Straßen nicht so alleine und hilflos zu fühlen. Mit Hilfe von Google Maps können die Ehrenamtler am anderen Ende der Leitung außerdem verfolgen, wo sich der Anrufer befindet.
Zusätzlich kann es für ein sichereres Gefühl helfen, Selbstverteidigungs-Gadgets wie Pfefferspray oder einen Mini-Schlagring mit sich zu führen.
Weitere Tipps für mehr Sicherheit – besonders, wenn Sie häufig im Dunkeln joggen – haben wir hier für Sie zusammengefasst.
So funktioniert die iOS-Notruf-Funktion auf Smartphones
Eine andere Möglichkeit, in einer Gefahrensituation Hilfe zu bekommen, ist die Notruf-Funktion auf Samsung- und Apple-Smartphones. Wie die Notruffunktion auf Apple-Smartphones funktioniert, erfahren Sie im Video.