Michailo Dianow hat in vier Monaten 40 kg abgenommen
Asow-Kämpfer berichtet von Gräueltaten während russischer Kriegsgefangenschaft

Was russische Kriegsgefangenschaft bedeutet, kann keiner so präzise berichten, wie der Ukrainer Michailo Dianow. Das Bild des völlig abgemagerten und von einer schlimmen Armverletzung gezeichneten ukrainischen Kriegsgefangenen ging Ende September um die Welt. Der Soldat war als Verteidiger des Asow-Stahlwerks für vier Monate in russischer Gefangenschaft ehe er im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikam. In einem Interview mit „Sky News“ schildert der 42-Jährige nun, was er in dem berüchtigten Lager Oleniwka durchmachen musste.
Michailo Dianow war 4 Monate in russischer Kriegsgefangenschaft
Viele der von Russland freigelassenen Kriegsgefangenen sind nach ukrainischer Darstellung gefoltert worden. Der Prozentsatz sei "ziemlich hoch", sagt der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, während einer Konferenz nach der Vereinbarung eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und der Ukraine.
„Es war unmöglich zu essen. Du bekamst 30 Sekunden für jede Mahlzeit.", erzählt Michailo Dianow jetzt. In dieser Zeit mussten die Gefangenen essen, was sie konnten. Danach mussten sie stoppen. Das Brot sei extra hart gewesen. "Sie behandelten uns wie Tiere", sagt Dianow, der nach eigenen Angaben 40 Kilogramm an Gewicht verlor. Die Lagerinsassen seien mit Stöcken geschlagen worden. Sie erhielten Elektroschocks und ihnen wurden Nadeln unter die Nägel gesteckt. Die Zustände seien mit einem Konzentrationslager vergleichbar, sagt Dianow. In den vier Monaten als Kriegsgefangener habe er 40 Kilogramm abgenommen. „"Glauben Sie mir, wenn Sie nach einem Monat Hunger die Augen schließen, vergessen Sie Ihre Familie, Ihr Land, einfach alles. Das einzige, woran du denkst, ist Essen“, schildert Dianow seine Horror-Erfahrung im „Sky News“-Interview.
VIDEO: "Wir wurden getreten" - Ukrainer erzählt über russische Kriegsgefangenschaft
Gefangene wurden "mit Stöcken geschlagen und erhielten Elektroschocks"
Dianow beschreibt, wie er und seine Mitgefangenen in Einzelhaft gesteckt und gefoltert wurden – nur weil sie eine Beere vom Boden aufhoben und aßen. Prügel mit Stöcken sowie Elektroschocks seien an der Tagesordnung gewesen. Der Block, in dem er inhaftiert war, sei eigentlich für 150 Personen ausgelegt, doch insgesamt seien rund 800 Gefangene dort untergebracht. Seine Schilderungen sind nicht zu überprüfen. Das Gefängnis von Oleniwka ist nicht für Ausländer zugänglich. Doch Dianows körperlicher Zustand spricht für sich selbst.
Ukrainischer ehemaliger Kriegsgefangener: "Viele Dinge haben ihren Wert verloren"
Dass Dianow noch lebt, ist einzig einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine zu verdanken. 36 Stunden lang mit abgeklebten Augen, ohne zu wissen, wohin er reiste. Doch als das Klebeband endlich entfernt wurde, stellte der 42-Jährige fest, dass er wieder in seiner Heimat, der Ukraine angekommen war.
Dianow ist jetzt wieder mit seiner Familie vereint. Bevor sein kaputter Arm operiert werden kann, muss er nun 20 Kilogramm zunehmen. Die Behandlung seiner Traumata wird jedoch wesentlich länger dauern. "Jeder ist traumatisiert", sagt er „Sky News“, "ich halte mich für einen psychisch starken Menschen, aber für mich haben viele Dinge ihren Wert verloren". Dianow glaubt, dass noch Tausende weiterer ukrainischer Kriegsgefangener sich im Gefängnis von Olenivka befinden. (kra)