Grüne Außenministerin in Kiew und Moskau
Schwierige Krisen-Reise: Was wird Baerbock im Russland-Ukraine-Konflikt erreichen?
Der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine alarmiert die westlichen Staaten. Es ist also kein leichter Antrittsbesuch in Kiew und Moskau für Außenministerin Annalena Baerbock. Sie wird nun über den Konflikt sprechen – etwa mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi. Moskau gegenüber zeigt sie bereits jetzt klare Haltung.
Baerbock zeigt klare Kante gegenüber Moskau

Vor ihrer Abreise warb Außenministerin Annalena Baerbock für eine diplomatische Lösung der Krise zwischen Russland und der Ukraine. „Wir sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über gegenseitige Vereinbarungen und Schritte, die allen in Europa mehr Sicherheit bringen, auch Russland“, erklärte sie. Man sei aber „entschlossen zu reagieren, wenn Russland stattdessen den Weg der Eskalation geht“.
Baerbock trifft Vertreter der OSZE
Russland sieht sich dagegen durch die Nato bedroht, fordert deshalb ein Ende der Nato-Osterweiterung und besonders den Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine. Direkt nach ihrer Ankunft in Kiew traf sich Baerbock mit deutschen Vertreterinnen und Vertretern der dortigen Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Später soll es Beratungen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und ihrem Amtskollegen Dmytro Kuleba geben. Am Dienstag ist in Moskau ein Gespräch mit Außenminister Sergej Lawrow geplant.
„Ich will vor Ort ausloten, ob es die Bereitschaft gibt, auf diplomatischem Weg zu Lösungen zu kommen", unterstrich Baerbock.
Worum wird es in Kiew gehen?
Waffenlieferungen an die Ukraine: Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, hatte Baerbock kurz vor ihrem Besuch eindringlich aufgefordert, Kiew die Lieferung von Waffen zur Landesverteidigung zuzusagen. Die Zurückhaltung oder Ablehnung von Rüstungshilfe sei „sehr frustrierend und bitter“. Die Ukraine fordert seit Jahren Waffenlieferungen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können - bisher ohne Erfolg. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hatte im vergangenen Mai im Wahlkampf bei einem Besuch in der Ukraine gesagt, man könne dem Land „Defensivwaffen“ kaum verwehren.
Konflikt in der Ostukraine: Teile der ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk werden seit 2014 von prorussischen Separatisten kontrolliert. Trotz eines bereits ausgehandelten Friedensplans kommt der Konflikt nicht zur Ruhe. Nach UN-Schätzungen sind bisher mehr als 14.000 Menschen in dem Gebiet gestorben. Russland und die Ukraine werfen sich immer wieder gegenseitig Verstöße gegen den Friedensplan vor. Längst haben sich in den selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk mit Hilfe Moskaus eigenen Strukturen gebildet. Zudem hat Russland dort Hunderttausende Pässe ausgeteilt - und Ukrainer damit eingebürgert.
Die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2: In der Ukraine dürfte besonders Baerbocks Skepsis gegenüber der Ostseepipeline Nord Stream 2 willkommen sein. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht sie dagegen als privatwirtschaftliches Projekt und hat den Genehmigungsprozess als rein unpolitisch bezeichnet. Die fertige, aber noch nicht für den Betrieb freigegebene Leitung soll künftig Gas von Russland nach Deutschland pumpen - in Umgehung der Ukraine, die dadurch als lange wichtigstes Transitland weiter an Bedeutung und vor allem wichtige Einnahmen verliert. Russland betont, dass der Weg durch neue Gasleitung sicherer, kürzer und billiger sei.
Gastransitnetz: Die Ukraine fürchtet, dass ihr lange für die Energiesicherheit in Europa elementares Gastransitnetz in der Bedeutungslosigkeit versinken könnte. Schon in den vergangenen Jahren reduzierte der russische Gasriese Gazprom Durchleitungsmengen drastisch. Zwar hat die Bundesregierung Hilfen zugesichert bei der künftigen Nutzung des Netzes und etwa auch eine Speisung mit Wasserstoff ins Gespräch gebracht. Die Ukraine aber ist da skeptisch. Wurden 1998 noch 141 Milliarden Kubikmeter über die Ukraine nach Europa transportiert, waren es 2021 nur 41,6 Milliarden Kubikmeter, der niedrigste Wert seit der Unabhängigkeit vor 30 Jahren.
Lage der Medien und Umgang mit der Opposition: Wegen der Aufmerksamkeit für den Ukraine-Konflikt übersieht der stets auch um die freiheitlichen Grundrechte besorgte Westen bisweilen, dass Selenskyj innenpolitisch zusätzliche Fronten eröffnet. Mit Blick auf seine angestrebte Wiederwahl im Frühjahr 2024 ließ er zum Unmut Moskaus fünf der russlandfreundlichen Fernsehsender, die der Opposition nahestehen, schließen und zwei Nachrichtenwebseiten sperren. Einer der Hauptakteure der moskauorientierten Kräfte, der Parlamentsabgeordnete Viktor Medwedtschuk, ein Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wurde mittels eines Verfahrens wegen Hochverrats kaltgestellt und sitzt seit Monaten in Hausarrest.
Die Reise Baerbocks findet am 30. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern statt. Nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amts war auch ein Gespräch über die ukrainischen Wasserstoffstrategie geplant.
Politik & Wirtschaftsnews, Service und Interviews finden Sie hier in der Videoplaylist
Spannende Dokus und mehr
Sie lieben spannende Dokumentationen und Hintergrund-Reportagen? Dann sind Sie bei RTL+ genau richtig: Ob zu Angela Merkel, zu Corona oder zu den Hintergründen zum Anschlag vom Breitscheidplatz – bei RTL+ finden Sie die richtige Reportage für Sie.