Die Angst fährt immer mit – bei Rad- und Lkw-Fahrern

Schon drei Tote dieses Jahr: Was steckt hinter den Lkw-Abbiegeunfällen?

von Florent Gallet

„Es hätte unser aller Sohn sein können!“
Ende August stirbt in Hamburg-Groß Flottbek ein 15-jähriger Radfahrer. Ein LKW-Fahrer hat den Teenager beim Abbiegen übersehen. Es ist nicht der erste Fall.

Hamburger sind geschockt von den Unfällen

"Das war ein Junge, der in die Klasse meiner Tochter gegangen ist“, erzählt eine Hamburgerin auf einer Mahnwache nach dem Tod des 15-Jährigen: „Aber ich sage mal so, es hätte unser aller Kind sein können.“ Es ist nur der letzte in einer Reihe von LKW-Abbiegeunfällen in Hamburg, in denen Radfahrer sterben. Im Juni stirbt ein 62-Jähriger in Wilhelmsburg, im Januar eine junge Mutter in der Hafencity: Die 33-jährige Radfahrerin erliegt am Unfallort ihren Verletzungen.

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Auch die LKW-Fahrer sind geschockt

Wenn Jörg Milter mit seinem LKW im Hamburger Stadtverkehr unterwegs ist, schaut er lieber zweimal in den Spiegel: "Ich fahre hier extrem vorsichtig an der Ecke, weil ich möchte nicht einen Radfahrer übersehen“, sagt er unserem Reporter. Die Sorge ist berechtigt.

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RTL Nord liegen aktuelle Unfallzahlen der Polizei Hamburg vor. In 94% der LKW-Abbiegeunfälle mit Fahrradbeteiligung war der LKW-Fahrer der Hauptverursacher. Viele stellen sich die Frage: Was lässt sich dagegen tun?

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Abbiegeassistenten können helfen

Der Bildschirm eines Abbiegeassistenten.
Der Abbiegeassistent überwacht den Bereich rechts vom Fahrzeug. Kommt eine Person in das umrandete Feld, warnt das System den Fahrer.
RTL

Was LKW so gefährlich macht: Ihre Fahrer können den toten Winkel rechts vom Fahrzeug kaum sehen – wenn sich dort ein Fahrradfahrer oder Fußgänger befindet, kann er beim Rechtsabbiegen des Lasters schnell unbemerkt überrollt werden. Im September übersieht ein LKW-Fahrer eine 36-Jährige: Sie wird 30 Meter unter dem Laster mitgeschliffen, bevor der Fahrer etwas bemerkt.

Seit 2022 müssen deshalb neue Fahrzeugtypen mit sogenannten Abbiegeassistenten ausgerüstet sein, die Fahrer vor Personen im toten Winkel warnen. Das System hilft dabei, den mentalen Druck zu reduzieren, sagt Berufskraftfahrer Jörg Milter: „Die Teile sind schon richtig gut." In den letzten fünf Jahren gab es in Hamburg sieben tödliche Abbiegeunfälle mit LKW und Rad. In sechs von ihnen hatte der LKW keinen Abbiegeassistenten verbaut.

Verkehrsteilnehmer müssen aufeinander achtgeben

Aber auch mit Abbiegeassistenten kommt es zu Unfällen. Manche Systeme sind so störungsanfällig, dass sich die Fahrer nicht darauf verlassen können. "Keines der Systeme ist wirklich fehlerfrei“, sagt Christof Tietgen vom ADAC, der viele Abbiegeassistenten überprüft hat. Ein anderer Lösungsansatz: Kreuzungen mit abgetrennten Rad-Spuren, auf denen sich LKW und Radler weniger in die Quere kommen.

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Aber egal ob Abbiegeassistent oder Kreuzung: Die schrecklichen Unfälle lassen sich nicht vollständig verhindern. Für Jörg Milter deshalb selbstverständlich: Er wird auch weiterhin extra vorsichtig durch den Stadtverkehr kurven.