Wie gefährlich ist die neue Schlaf-App?
Verbraucherschützer alarmiert: Belauscht Pokémon Sleep unsere Kinder?

Er ist ein großer, niedlicher Bär, der im Schlaf schnarcht: Pokémon Relaxo. Und er ist der Mittelpunkt einer neuen Schlaf-App, um die aktuell hitzig debattiert wird. Denn das Spiel Pokémon Sleep soll sensible Daten von Minderjährigen sammeln und speichern.
Was Verbraucherschützer Eltern nun raten.
Kids sammeln Pokémon, während sie schlafen
Das neue Spiel von Pokémon ist aktuell ein Hit in den App-Stores. Allein Google Plus verzeichnet über eine Millionen Downloads. Bei Pokémon Sleep legt der Spieler sein Handy mit der App neben sein Kissen, wenn er schlafen geht. Während der Spieler schläft, zeichnet die App seinen Schlaf auf. Wie oft bewegt er sich in der Nacht? Schnarcht er? Daran misst die App nämlich, ob jemand tief oder leicht schläft oder im Halbschlaf ist.
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In der App ratzt parallel dazu Pokémon Relaxo, ein großer blauer Bär. Je nachdem, in welcher Schlafphase sich der Spieler befindet, sammeln sich um Relaxo Pokémon, die nach genau diesen Phasen sortiert sind. Am nächsten Morgen kann der Spieler die Pokémons einsammeln.
Das Spiel soll Kindern helfen, ein besseres Gefühl für den eigenen Schlaf zu bekommen. Klingt recht unschuldig – wo also liegt das Problem?
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Pokémon Sleep App sammelt sensible Daten zum Schlafverhalten
Das Problem ist, dass das Spiel von Minderjährigen gespielt wird und deren Daten sammelt, um besagte Pokémon anzulocken. Bei Google Play können Kinder ab 0 Jahren das Spiel nutzen; Apple empfiehlt das Spiel ab vier Jahren.
Dennoch: „Daten betreffend des Schlafverhaltens können besonders sensible personenbezogene Daten über den Gesundheitszustand darstellen“, erklärt Christine Steffen, Expertin für Datenschutz in der digitalen Welt der Verbraucherzentrale NRW. Solch besonders sensible Daten seien besonders geschützt und dürfen nur unter engen Voraussetzungen überhaupt erhoben und verarbeitet werden, erklärt sie RTL. Meist bedarf es einer Einwilligung des Nutzers.
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Die holt sich auch Pokémon Sleep. Sobald man sich angemeldet hat, ploppt ein Fenster mit den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzerklärung auf. Beide müssen zumindest einmal geöffnet werden, um ihnen zustimmen zu können. Ein Durchscrollen oder gar lesen ist jedoch nicht nötig, um das Häkchen zu setzen. Und: Spieler müssen der Speicherung ihrer Schlafdaten auf dem Server von Pokémon Sleep zustimmen, – sonst verweigert die App das Spielen.
Expertin über Pokémon Sleep: Das Spiel verstoße eigentlich gegen die DSGVO

Steffen weist außerdem darauf hin, dass bei Apps, die sich an Kinder richten, die Sorgeberechtigten Mitspracherecht beim Datenschutz haben. „Wenn die Nutzer der App diesen Punkt einfach weiterklicken können, ist das nicht gewährleistet“, sagt sie. Und damit eigentlich ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).
Die Webseite netzpolitik.org, die zuerst über den fragwürdigen Datenschutz des Spiels berichtete, schreibt, dass die App aktiv darauf hinweist, die Nutzungsbedingungen mit einem Erziehungsberechtigten durchzulesen. Tatsächlich erscheint beim Starten der App ein Bild, das darauf hinweist – für ganze vier Sekunden! Anschließend ist der Hinweis nirgendwo in der App mehr zu finden. Auch nicht, wenn die App um die Bestätigung der Nutzungsbedingungen bittet.
Und noch ein Problem gibt es: Damit die App funktioniert, muss sie die ganze Nacht aktiv sein und das Mikro muss laufen. Das sei im Hinblick auf die ohnehin schon „süchtig machenden“ Gamification-Elemente bedenklich, erklärt Steffen, und: „Die App verleitet dazu, das Smartphone mit in den intimsten Bereich, nämlich das eigene Bett, zu nehmen und dort sogar die ganze Nacht über das Mikrofon zu aktivieren.“ Diese Entscheidung solle gut überlegt sein!
Das können Eltern jetzt tun!
Was können Eltern nun also tun, dass ihr Kind zum einen keiner Suchtgefahr unterliegt und zum anderen nicht (unwissentlich) sensible Daten von sich preisgibt?
Steffen gibt folgende Tipps:
Reden! „Eltern sollten mit ihren Kindern im Gespräch bleiben über das, was sie in der digitalen Welt erleben“, empfiehlt Steffen. Hilfreich sei auch, wenn Eltern ihren Kindern in Ruhe erklären, wieso ihnen welcher Umgang mit Medien wichtig sei.
Spielphasen einrichten, damit die App nicht übermäßig genutzt wird. Eine Empfehlung für Medienzeiten gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Kinder zwischen sechs und elf Jahren sollten zum Beispiel nur eine Stunde am Tag Medien nutzen.
„In Sachen Datenschutz sollte man bei der Nutzung der App die Berechtigungen möglichst "klein" halten“, so Steffen. Also Audioaufnahmen nicht erlauben oder wieder ausschalten. „Je weniger Berechtigungen erteilt werden, desto weniger Daten dürfen erhoben und verarbeitet werden.“ Das gelte auch für Standortdaten und Kontakte.
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RTL hat Pokémon mit den Vorwürfen konfrontiert, bisher jedoch keine Rückmeldung des Unternehmens erhalten.
Gegenüber netzpolitik.org schrieb Pokémon jedoch: „Wir ermutigen auch immer Eltern, sich an den Spielerfahrungen ihrer Kinder zu beteiligen.“ Das Alter, das Spieler bei der Anmeldung angeben müssen, habe zudem die Funktion des Datenschutzes. Bei Minderjährigen würde die App im Hintergrund keine Daten mit Werbenetzwerken teilen. Außerdem könnten Kinder ihre Schlafdaten nicht mit ihren Freunden teilen.