Bundesgesundheitsminister: "Haben eine Notsituation, da muss ich ran"

Nach "Team Wallraff"-Enthüllungen in Kliniken: Wie geht's jetzt weiter, Herr Lauterbach?

Personalmangel, Hygienepfusch, Medikamentenfehler: Was das „Team Wallraff“ in seiner neuen Reportage in deutschen Krankenhäusern aufdeckte, erschüttert. „Wie oft haben die Pflegerinnen und Pfleger schon geklagt: ‘Wir können nicht mehr’? Wie oft wurden diese Hilferufe überhört?
Politik und unsere Gesellschaft – wir – dürfen diese Notrufe nicht weiter ignorieren!
Wenn sich die Krankenhäuser weiterhin kaputtsparen, werden mehr Patienten zu Schaden kommen oder sogar sterben!“, warnt Enthüllungsjournalist Günter Wallraff. Was sagt der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu diesem dringlichen Appell?

So sollen Kinderkliniken entlastet werden

„Team Wallraff“-Reporterin Jana arbeitete undercover als Pflegepraktikantin in der Asklepios-Kinderklinik St. Augustin. Während einer Nachtschicht in der Notaufnahme hatte sie den Eindruck, dass das Personal teils stark überlastet ist, die Familien lange warten müssen. Sie hat ein mulmiges Gefühl: Reichen die zwei jungen Ärztinnen, die in dieser Nacht Dienst haben, für die Anzahl der kleinen Patientinnen und Patienten aus?

Asklepios schreibt hierzu: „Nachts stehen vor Ort vier Ärzt:innen aus verschiedenen Fachbereichen zur Verfügung und weitere neun Ärzt:innen verschiedener Fachbereiche in Rufbereitschaft. Davon stehen zwei Ärzt:innen innerhalb der Kinder- und Jugendmedizin vor Ort in Anwesenheit (Schichtdienst) zugunsten der Notfallversorgung zur Verfügung.“

Günter Wallraff trifft Karl Lauterbach zum Interview. „Ich mache die Probleme, die es gibt, hier nicht klein“, erklärt dieser. „Aber es ist eben so, da hat sich zum Teil über Jahrzehnte die Lage da nicht verbessert, sondern eher verschlechtert.“ Doch wie kann es sein, dass sich an der Situation nichts verändert hat? „Es wird sich etwas ändern“, so Lauterbach. „Das Gesetz, das zum 1.1.23 gilt, sagt Folgendes: Die Kinderkliniken haben im Gegensatz zu allen anderen Kliniken in Deutschland eine Einkommensgarantie, selbst dann, wenn ihre Fallzahl deutlich sinkt. Dafür geben wir ungefähr 300 Millionen Euro aus.“ Das sei deshalb so wichtig, weil die Kinderkliniken so in die Lage kämen, sich auf weniger Fälle zu konzentrieren.

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Lauterbach: "Wir müssen aus dieser Kommerzialisierung raus!"

Lauterbachs klare Ansage: „Wir haben im Krankenhaus eine Notsituation, da muss ich ran. Wir müssen aus dieser Kommerzialisierung raus. Das ist das Hauptproblem. Das ist kein gutes System, das muss weg!“ Seine geplanten Krankenhausreform bezeichnet der Minister als seine „wichtigste Reform in der Krankenversorgung in dieser Legislaturperiode.“

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In Deutschlands Kliniken gelten sogenannte Fallpauschalen: Die Krankenhäuser werden mit pauschalen Sätzen für vergleichbare Behandlungen bezahlt, egal wie aufwendig der Fall behandelt wird. Unterm Strich lohne es sich daher für Kliniken, möglichst viele Behandlungen auf möglichst billige Weise durchzuführen, erklärte Lauterbach bereits bei einer Pressekonferenz im Dezember.

Eines der Hauptanliegen seiner Reform sei deshalb eine Systemänderung, die den ökonomischen Druck reduziere: „Wir haben derzeit ein System: Je mehr Fälle ich mache, desto größer ist mein Budget. Und dem begegnen wir in der großen Reform, die wir jetzt machen - die ich eine Revolution genannt habe, weil sie diesen ökonomischen Druck rausnimmt.“ Demnach sollen Krankenhäuser zukünftig unabhängig von der Zahl der behandelten Fälle.auch für Vorhalteleistungen honoriert werden.

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Stationen müssen vorübergehend schließen

Lauterbach spricht sich außerdem für „mehr Daseinsfürsorge“ aus: „Die Krankenhäuser müssen da sein, um im Falle der notwendigen Fürsorge ohne große Gewinnorientierung die Patienten so zu behandeln, wie es medizinisch notwendig ist.“ Als Konsequenz des Personalmangels in vielen Kliniken kündigt Lauterbach an: „Wir müssen tatsächlich viele Stationen vorübergehend schließen. Wir haben bei der jetzigen Belastung das Personal nicht.“ (rka)

Video-Playlist zu "Team Wallraff"

"Team Wallraff – Reporter undercover“ auf RTL+

Die ganze Reportage von „Team Wallraff – Reporter undercover“ können Sie jetzt auf RTL+ streamen.