25-Jährigem Landwirt werden beide Beine amputiert

„Du brauchst Hirn, keine Beine“ - Amputierter RTL-Reporter macht Mähdrescher-Unfallopfer Mut

Wirz
Karl Wirz, nennt sich selbst "Reporter mit dem Holzbein"

Was könnte ihm jetzt Mut machen?
Das Schicksal des Landwirtes, der bei einem Mähdrescherunfall beide Beine verlor, bewegt viele Menschen. RTL-Reporter Karl Wirz wurde als junger Mann nach einem Mototorradunfall ein Bein amputiert. Er ist sicher: „Jetzt kommt es drauf an, dass seine Familie und seine Freunde für ihn da sind!“

„Oh shit, mein Leben ist besiegelt"

22.08.2023, Mecklenburg-Vorpommern, Hohen Luckow: An einem Feldrand steht ein Mähdrescher. Ein 25-jähriger Mann verlor am 19.08.2023 bei einem Arbeitsunfall mit der Erntemaschine beide Beine. Der Landwirt war mit beiden Beinen in die Maschine geraten, als er die Blockade in einer verstopften Zuführung im Mähdrescher beseitigen wollte. Foto: Bernd Wüstneck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ein 25-jähriger Mann verlor bei einem Arbeitsunfall mit einem Mähdrescher beide Beine.
bwu tba, dpa, Bernd Wüstneck

So kurz nach dem Unglück könnten sie allerdings nicht viel mehr für den jungen Landwirt tun als „seine Hand halten und sagen, wir sind für dich da“, glaubt Wirz. „Der ist noch im Film, denkt sich, ‚oh shit, mein Leben ist besiegelt‘“, vermutet der 57-Jährige.

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Wirz ist 18 Jahre alt, als er nach einem Motorradunfall ein Bein verliert. Sekundschlaf am Lenker, er fährt gegen einen Bordstein, prallt gegen eine Mauer. Die Maschine stürzt auf sein Bein, es wird komplett zerstört. „Als die Ärzte es mir erklärt haben, wusste ich, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Sterben oder ohne Bein weiterleben.“ Was ihm in den Tagen nach seiner Amputation neben seiner positiven Einstellung hilft: „Ich habe eine tolle Familie, tolle Freunde.“ Er erfährt viel Liebe, alle gehen „sehr unterstützend“ mit ihm um.

Viel Mitgefühl, ohne demonstratives Mitleid

Das wünscht er sich auch für den Landwirt, dem beide Beine abgenommen werden mussten. Der werde sich fragen: „was passiert jetzt mit meinem Leben?“ Er müsse „jeden Tag Besuch bekommen, der ihm sagt, wir kümmern uns, so geht es weiter, wir helfen dir.“ Ganz wichtig: mit viel Mitgefühl, aber ohne demonstratives Mitleid.

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Eine große Rolle wird auch spielen, wie der junge Landwirt selbst über den Unfall denkt. „Vielleicht ist er einfach glücklich, am Leben zu sein“, sagt er. Er selbst sei seinerzeit froh gewesen, überlebt zu haben, das habe die Situation erheblich vereinfacht.

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„Doppelseitig oberschenkelamputiert, das ist eine Challenge“

Nach dem Unfall werde es etwa zwei bis drei Wochen dauern, bis die Gedanken des 25-Jährigen Richtung Zukunft gehen, schätzt Wirz. „Wenn der schlimmste Schmerz vorbei ist, werden die Medikamente reduziert und er muss lernen, mit den Folgen zu leben. Wirz nennt es die „aus-dem-Gröbsten-raus“-Phase, in der das Unfallopfers umdenken müsse.

„Er wird sich viele Fragen stellen, Selbstzweifel haben. Bin ich noch wertvoll, kann ich einen Beruf ausüben, auch ganz schlicht, bin ich als Kerl noch attraktiv, wie sehen mich meine Kumpels“, so Wirz. Wie sich die Zukunft des Landwirtes gestalte, hänge auch ganz stark von den Unfallfolgen ab. „Doppelseitig oberschenkelamputiert, das ist eine Challenge“, sagt der Reporter nachdenklich. Natürlich ist es ein Unterschied, ob man mit Prothesen laufen kann oder im Rollstuhl sitzen muss.

„Du kannst so viele Dinge machen, wenn du bereit bist, dich drauf einzulassen“

Aus seiner Erfahrung heraus möchte er dem jungen Mann Mut machen. „Du kannst so viele Dinge machen, wenn du bereit bist, dich drauf einzulassen“, würde er ihm sagen. „Selbst, wenn du im Rollstuhl sitzt.“ Wirz denkt an das Fachgebiet des Landwirtes. „Vielleicht kann er sich auf Maschinen spezialisieren, Verkäufer für Mähdrescher werden, Vertreter sein.“

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In kürzester Zeit skizziert Wirz aus dem Stehgreif ein gutes Dutzend möglicher Zukunftsszenarien. Traktoren verkaufen könne er auch, wenn er im Rollstuhl sitze. Oder Einsätze für Maschinen in der Erntezeit planen, eine Firma leiten. „Dafür brauchst Du Hirn und keine Beine!“

„Auch mit Handicap einen coolen Job machen“

European Para Championships Rollstuhlbasketball, Frankreich gegen Tuerkei Herren 14.08.2023 ROTTERDAM, NIEDERLANDE 14. August 2023 - European Para Championships Rollstuhlbasketball, Frankreich gegen Tuerkei Herren im Rotterdam Ahoy in Rotterdam, Niederlande. Christophe Carlier Frankreich, 25, Mucahit Guenaydin Tuerkei, 14, Louis Hardouin Frankreich, 29 *** European Para Championships Wheelchair Basketball, France vs. Turkey Men 14 08 2023 ROTTERDAM, NETHERLANDS 14 August 2023 European Para Championships Wheelchair Basketball, France vs. Turkey Men at Rotterdam Ahoy in Rotterdam, Netherlands Christophe Carlier France, 25 , Mucahit Guenaydin Turkey, 14 , Louis Hardouin France, 29 Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS/Wunderlx
Schnelle Erfolgserlebnisse beim Sport: Karl Wirz erlebte das beim Rollstuhlbasketball (Symbolfoto)
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Seine positive Einstellung macht Mut. Mir, demjenigen, der nicht betroffen ist. „Reporter mit dem Holzbein“, nennt sich Wirz selbst. „Damit die Leute direkt merken, dass man auch mit Handicap einen coolen Job machen kann.“

Können die Familie, Freunde und Bekannte des jungen Landwirtes, dem 25-Jährigen Mut machen? Und wie sollen sie mit ihm umgehen, frage ich Wirz. „Ganz einfach: so wie früher. Natürlich sein“, sagt er. „Sie sollen ihm klar sagen, du schaffst das!“ Generell appelliere er, alle Menschen mit Handicap „wie vollwertige Menschen“ zu behandeln. Mit Mitgefühl, „aber nicht ständig sagen, der arme XY.“ Nicht übervorsorglich.

„Zuviel Mitleid schadet“

„Zuviel Mitleid schadet“, ist sich der Reporter sicher. Man dürfe ihm nicht das Gefühl geben, er falle anderen zur Last. „Wichtig ist es auch, schnell Erfolgserlebnisse zu haben“, führt er aus. Deswegen habe er damals Rollstuhlbasketball gespielt.

Was dem Unfallopfer zugutekommen könnte, sei sein Alter, glaubt Wirz. „Junge Leute schaffen es eher, lockerer mit der Situation umzugehen“, seiner Erfahrung nach falle es ihnen leichter, keine Berührungsängste zu haben.

Zur Person: Das ist Karl Wirz

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Karl Wirz

Karl Wirz ist Azubi, er lernt Zimmermann, als er am 28. Juli 1984 nachts um 1:30 Uhr einen Motorradunfall hat. Ein Bein wird amputiert, der 18-Jährige sortiert sein Leben um. Er bleibt positiv, findet sich schnell mit der Situation ab. „Eigentlich musste ich mehr meine Eltern trösten als umgekehrt“, schmunzelt er. Weil er nicht weiß, wie das Leben mit Prothese wird, beginnt er eine neue Ausbildung zum Zahntechniker („Ich habe nach etwas gesucht, dass ich notfalls im Sitzen machen kann.“)

Mit seinem Handicap geht er immer offen um. Wirz spielt Rollstuhlbasketball wird erst Radio-, dann TV-Reporter. Fährt wieder Motorrad und gibt seine Erfahrungen weiter. Engagiert sich in der Kinderhilfe. Wer mehr von ihm hören möchte: hier ein Podcast mit dem „Reporter mit dem Holzbein“.